
05.08.2020 / Kommentar / Lesezeit: ~ 3 min
Autor/-in: Oliver JeskeFair-Trade-Bananen, das Mittelmeer und ich
Der Seenoteinsatz der Evangelischen Kirche bewegt etwas – uns zwar Gutes!
Voraussichtlich in der zweiten Augustwoche soll es soweit sein: Die SeaWatch-4 wird in See stechen, um Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten. Die Seenot-Rettungsaktion ist finanziell nicht zuletzt durch das Engagement der Evangelischen Kirche in Deutschland möglich geworden. Über 500 Organisationen hat sie buchstäblich in ein Boot gebracht. Gemeinsam haben sie Spenden gesammelt, damit Afrikaner auf dem Weg nach Europa nicht ertrinken müssen.
Das hat der EKD viel Unterstützung eingebracht, zum Beispiel vom Deutschen Gewerkschaftsbund oder den Organisationen Ärzte ohne Grenzen und World Vision Deutschland. Es haben sich aber auch Kritiker zu Wort gemeldet. Zum Beispiel der christliche Journalist Peter Hahne. Sein Vorwurf: Um Flüchtlinge kümmere sich die Kirche, in der Corona-Krise Einsame lasse sie aber allein. Ist die EKD- Aktion also viel zu politisch? Sollte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sich nicht mehr darauf konzentrieren, das Evangelium zu verkündigen?
Wer so argumentiert, muss immer im Hinterkopf haben: Hierbei geht es um die Botschaft der Retterliebe Gottes. Und da geht es wesentlich, aber nicht nur um das ewige Schicksal von Menschen. Es geht auch um ganz praktische Taten. Jesus lässt Petrus, einen seiner Nachfolger, eben nicht ersaufen, als dieser einen Glaubensschritt wagt und auf dem Wasser laufen will.
Doch zurück zur Frage: Sollte sich die Kirche nicht viel mehr auf das Predigen, Beten und die Seelsorge konzentrieren? Ja, das sollte sie. Aber das Engagement für die Sea-Watch ist äußerst angebracht. Die Gesellschaft braucht ein deutliches Zeichen, dass man Menschen nicht ihrem Schicksal überlässt, geschweige denn ertrinken lässt.
Es geht um mehr als um ein reines Gewissen
Ich möchte das an einer ganz einfachen Erfahrung von mir deutlich machen: Seit einigen Monaten kaufe ich, wenn es geht, Fair-Trade-Bananen ein. Zugegeben: Vorher schien mir dieses Konsumverhalten suspekt, beinahe scheinheilig. Mit ein paar Cent mehr für die Bananen erkaufe ich mir ein reines Gewissen.
So habe ich gedacht … bis ich mich beruflich mit dem Thema intensiver auseinandergesetzt habe und mir klar wurde: Tatsächlich bewirkt der geschätzte Euro, den ich im Monat mehr ausgebe, viel. Mich schmerzt das Geld nicht. Doch Bananenbauern bekommen ein Auskommen, das ihre Existenzgrundlage sichert, ihren Kindern ermöglicht, eine Schulausbildung zu absolvieren und noch manches mehr.
Aus meiner Sicht tut die Evangelische Kirche in Deutschland nichts anderes als die Vertreter des Fair-Trade-Siegels: Sie weist auf ein Unrecht hin und bietet eine Möglichkeit an, Unrecht zu mildern. Sie zieht Schlüsse aus der Botschaft des letzten Evangelischen Kirchentags 2019, die da lautete: „Man lässt keinen Menschen ertrinken! Punkt!“ Was die Kirche hier tut, das könnte natürlich auch jede andere Organisation tun. Und wenn die Evangelische Kirche es tut – umso besser.
Die Tugenden des Teilens und nicht Wegschauens
Ich hege einen leisen Verdacht: Könnte es sein, dass die wirklichen Beweggründe der Seenot-Rettungs-Gegner ganz woanders liegen? Nämlich in der Angst, ein weiteres Stück vom Wohlstands-Kuchen abgeben zu müssen? Hier geht es um die Tugend des Teilens. Und da sind wir nach meiner Überzeugung plötzlich an einer ganz christlichen, ja ur-christlichen Sache dran.
Die erste Gemeinde in Jerusalem ist der materiellen Not mancher ihrer Mitglieder begegnet, indem die Wohlhabenderen freiwillig einen kleineren oder größeren Teil ihres Besitzes abgegeben haben. Das steht auch uns gut an, wenn wir Europa weiter als ein Projekt verstehen wollen, das auf christlich-jüdischen Werten basiert.
Die Evangelische Kirche in Deutschland weist mit der SeaWatch-4 neu darauf hin. Doch es geht um mehr. Es geht nicht um einen rein symbolischen Akt. Hier geht es um das nackte Überleben. Um das nicht Wegschauen – um die Verweigerung gegenüber unterlassener Hilfeleistung. So, wie es uns im biblischen Gleichnis vom Barmherzigen Samariter gelehrt wird.
Ich wünsche der SeaWatch-4 und seiner Besatzung allzeit gute Fahrt, viele Rettungs-Erfolge und Gottes Segen!
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
Ein klarer Fall von Kategorienfehler. Hayek nannte das Two Worlds. Er meinte damit, den Fehler, dass die Prinzipien der Kleingruppe - Familie, Gemeinde, Nachbarschaft - auf die arbeitsteilige gesamte … mehrWelt anzuwenden. Damit werden beide Welten zerstört, denn auch die Kleingruppe wird durch dieses sozialistische Projekt quasi planwirtschaftlich dirigiert. Auch die Vorstellung des starren Kuchenmodells, weltweit, ist falsch. Nach dieser Vorstellung wäre jegliche Entwicklung unmöglich. Der barmherzige Samariter darf natürlich auch nicht fehlen. Es gibt nichts gegenteiligeres als diese beiden Sachverhalte. Auch hier gilt der Two-Worlds Kategorienfehler. 1. Der barmherzige Samariter war nicht auf der Suche, Massen von hilfsbedürftigen mit Schulden zu retten. 2. Er half mit SEINEM EIGENEN Geld. 3. Er hinterließ NICHT seine Kreditkarte mit den Worten, "füttert mir den Mann durch bis zu seinem Lebensende", sondern er zog seines Weges. Diese "Kirche" betreibt das Geschäft der Schlepperbanden. Ohne dieses Signal, würden sich die jungen Männer (es sind ausschließlich Männer im wehrfähigen Alter) erst gar nicht auf den Weg machen. Ja, das ist menschenverachtend und zutiefst antichristlich.