
14.10.2019 / Interview / Lesezeit: ~ 4 min
Autor/-in: Regina KönigSächsischer Landesbischof will zurücktreten
Demokratiefeindliche Texte aus seiner Studienzeit bringen Carsten Rentzing zu Fall.
Seit vier Jahren steht er an der Spitze der evangelischen Landeskirche in Sachsen: Dr. Carsten Rentzing. Am 11. Oktober kündigte er überraschend seinen Rücktritt an.
Über die Gründe wurde zunächst spekuliert, dann überstürzten sich die Ereignisse und Enthüllungen. Jetzt steht fest: als Student hatte Rentzing Texte verfasst, die in Teilen als nationalistisch und demokratiefeindlich eingestuft werden. Wie schätzt unsere Korrespondentin in Mitteldeutschland, Regina König, die Lage ein? Wir haben mit ihr gesprochen.
ERF: Wie reagiert die Kirchenleitung in Sachsen?
Regina König: Zunächst hat sie sich in Schweigen gehüllt. Gestern veröffentlichte sie dann eine Erklärung. Hierin stellt sie fest, dass die vorliegenden Texte als elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich einzustufen sind. „Sie sind aus damaliger und heutiger Sicht unvertretbar“, so wörtlich. Es wird aber auch betont, dass Carsten Rentzing diese Texte geschrieben hat, als es für ihn noch nicht feststand, dass er Pfarrer werden wird. Seine mit dem Rücktritt ausgedrückte Distanzierung halten sie für glaubwürdig, denn, so wörtlich, „der Glaube an Jesus Christus kann Menschen verändern“. Zugleich macht sie aber auch deutlich, dass er mit dieser Vergangenheit als Landesbischof nicht mehr haltbar ist.
ERF: Was sagt der Landesbischof selbst zu den Vorwürfen?
Regina König: Am Freitag lag erst einmal nur die Erklärung des Landesbischofs zum Rücktritt vor, in der er knapp formuliert, „Der Weg in die Kirche hat mich verändert. Positionen, die ich vor 30 Jahren vertreten habe, teile ich heute nicht mehr.“ Das eröffnete Spekulationsraum. Die Erklärung der Kirchenleitung beleuchtet Rentzings Haltung nun deutlicher. Dort ist zu lesen, dass der Landesbischof diese Zeit in seinem Leben und diese Texte verdrängt habe. Und er selbst äußere großes Unverständnis und Scham über das, was er damals geschrieben hat.
ERF: Galt Carsten Rentzing schon lang als umstritten?
Regina König: Umstritten zumindest im links-liberalen Flügel der sächsischen Kirche. So wurde kurz nach seinem Amtsantritt eine Petition gegen ihn gestartet wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber gelebter Homosexualität. Und Ende September initiierten Pfarrer aus dem Raum Leipzig eine Petition gegen Rentzing wegen dessen Mitgliedschaft in einer pflichtschlagenden Studentenverbindung.
ERF: Welche Reaktionen gibt es aus Kirche und Gesellschaft?
Regina König: Der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, hatte sich zunächst am Freitag sehr betroffen geäußert. Nach dem Bekanntwerden der Texte am Samstag distanzierte er sich und zeigte sich schockiert. Der Ratsvorsitzende wörtlich: «Ich hoffe auf eine schnelle Klärung innerhalb der Landeskirche, zu der Carsten Rentzing sicher selbst beitragen wird.“ Auch aus der Politik gibt es Reaktionen: der sächsische CDU-Bundestagsabgeorndete Alexander Krauß sprach zunächst am Freitag von einem „Kesseltreiben gegen den Landesbischof“, doch nachdem Rentzings Tätigkeit in der rechtsnationalistischen Zeitung öffentlich wurde, twitterte sein Parteifreund Marco Wanderwitz, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium und Chef der CDU-Landesgruppe Sachsen: „Nach alledem: gut so, dass er weg ist.“ Die konservative Sächsische Bekenntnisinitiative geht barmherziger mit ihrem Bischof um, auf ihrer Webseite schreibt sie: „Wir sind eine Kirche, die aus der Vergebung lebt!“ Unter dem Hashtag Rentzing explodieren in den sozialen Medien natürlich auch die Kommentarspalten.
ERF: Wie schätzt du die Lage ein?
Regina König: Die Situation stürzt die Kirche in Sachsen in eine tiefe Krise. Der Graben zwischen dem links-liberalen und konservativen Flügel könnte tiefer werden. Ich persönlich habe den Landesbischof natürlich als Berichterstatterin während seiner Amtszeit immer wieder gesprochen und halte es für völlig authentisch, dass er sich distanziert hat von den damals geäußerten Haltungen und dass er sich heute dafür schämt - was die Faktenlage natürlich nicht besser macht. Er hätte seiner Kirche meines Erachtens einen besseren Dienst erwiesen, wenn er alles früher offen auf den Tisch gelegt hätte.
ERF: Aber ist es nicht auch unbarmherzig, einen Menschen für Dinge an den Pranger zu stellen, die er vor 30 Jahren als junger Mann vertreten hat?
Regina König: Leider hat Carsten Rentzing von sich aus gar nichts öffentlich gemacht, sondern immer nur reagiert auf Medienberichte. Hätte er von sich aus spätestens in seiner Rücktrittserklärung selbst auf die rechtsnationalistischen Schriften aus seiner Studentenzeit hingewiesen, wäre das stimmiger gewesen. So wäre sein Ruf und der seiner Kirche weniger beschädigt. Grundsätzlich gilt aber auch: wer rechtsnationalistische Schriften veröffentlicht hat – egal wann, besitzt in unserer Gesellschaft heute nicht mehr die Autorität, die ein Repräsentant der Kirche ausstrahlen sollte.
ERF: Wie geht es jetzt weiter?
Regina König: Am 21. Oktober wird die Kirchenleitung darüber beraten. Carsten Rentzing selbst ist jetzt im Urlaub und steht zu Stellungnahmen nicht zur Verfügung. Die Kirchenleitung teilt mit, er sei momentan dazu nicht in der Lage. Er bleibt im Amt, bis er von seinen Pflichten entbunden wird. Dann muss u. U. eine Sondersynode einberufen werden, die dann einen neuen Bischof wählt.
Zur Person:
Carsten Rentzing steht seit August 2015 als Bischof an der Spitze der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Die Kirche hat 689.858 Gemeindeglieder in 716 Gemeinden. Der Theologe war vorher Pfarrer in Markneukirchen (Vogtland) und davor in Annaberg-Buchholz (Erzgebirge).
Geboren wurde Rentzing 1967 in Berlin-Spandau und wuchs im Westen der geteilten Stadt auf. Ab 1987 studierte er zunächst Rechtswissenschaften und Philosophie an der Freien Universität Berlin, ab 1989 Theologie und Philosophie in Berlin, Frankfurt am Main und Oberursel. Sein Erstes Theologisches Examen erhielt er 1996. 1999 wurde er ordiniert. Rentzing ist verheiratet und Vater von vier Kindern.
Ihr Kommentar
Kommentare (2)
Eine Mitgliedschaft bei linksextremistischen Vereinen, selbst wenn sie unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen würden, wären mit Sicherheit kein Problem, siehe "Pfarrer " Lothar König. Bei dem spielten nicht einmal Straftaten eine Rolle.
Hier soll einer beiseite geräumt werden und dafür ist jedes Mittel recht. Wer das nicht glaubt, lese die Erklärung der "Kirchenleitung" vom 13.10.2019. Mit Christlichsein hat das nichts zu tun. … mehrFehler von vor 30 Jahren, als Rentzing noch nicht einmal Christ war, hätten innerhalb der Kirche/Kirchenleitung geklärt werden können. Aber darum geht es auch nicht.