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© Gouvernement français, via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 fr

08.05.2017 / Aktuelles Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Michael Klein

Frankreichwahl: Absage an den Nationalismus

Emmanuel Macron ist Frankreichs neuer Präsident.

Emmanuel Macron ist Frankreichs neuer Präsident. Bei den gestrigen Stichwahlen in unserem Nachbarland setzte sich der unabhängige Kandidat mit 66 Prozent gegen seine Mitbewerberin Marine Le Pen vom „front national“ durch. Michael Klein von der Aktuell Redaktion hat für uns einen Blick auf das Wahlergebnis geworfen.

 

ERF: Das Wahlergebnis ist ja in mehrerer Hinsicht bemerkenswert, warum?

Michael Klein: 66 Prozent sind das beste Ergebnis, mit dem je ein französischer Präsident nach dem Krieg gewählt wurde. Die Wähler in unserem Nachbarland haben sich mit einer Zweidrittelmehrheit mehr als eindeutig zu einer offenen, demokratischen Gesellschaft bekannt - und vor allem zu einem vereinten Europa ohne geschlossene Schlagbäume etwa zwischen Deutschland und Frankrreich; für mich als Saarländer unvorstellbar.

ERF: In letzter Sekunde wurden am Samstagabend gehackte Mails aus dem Umfeld Macrons ins Netz gestellt, die angebliche Verfehlungen "aufdecken" sollten. Hatte das Auswirkungen auf den Wahlausgang?

Michael Klein: Das hatte sicher nicht die erwünschte Wirkung. Schnell waren diese „leaks“ entlarvt als plumpe Mischung aus belanglosen, aber wahren Fakten und erlogenem Zeug. Davon haben sich die meisten Franzosen offenbar nicht beeindrucken lassen und den Zweck dieses Manövers sofort erkannt. Soviel Medienkompetenz wünsche ich den deutschen Wählern im kommenden Herbst, denn auch vor unserer Bundestagswahl wird vermutlich jede Menge Informationsmüll aus Facebook, Twitter und anderen so genannten „sozialen Medien“ über uns ausgekippt.

Deutschland und Frankreich - die besten Freunde

ERF: Du hast die Wahl ja intensiv beobachtet. Was hat Dich am meisten beeindruckt?

Michael Klein: Kurz vor Schließung der Wahllokale interviewte ein französischer Reporter auf dem TV Kanal France 2 in einem Wahllokal in Lothringen einen 95jährigen Mann. Der ältere Herr hatte sich von einem Helfer dorthin bringen lassen, um seine Stimme abzugeben. Zur Begründung sagte er, dass er in deutscher Gefangenschaft gewesen sei. Deutschland und Frankreich müssten ewig Freunde bleiben. Deshalb habe er für Macron gestimmt. Er sei Christ und Jesus habe die Nächstenliebe gepredigt. Nach einem Gottesdienst habe ihn ein junger Deutscher einmal umarmt und ihn um Verzeihung gebeten, als er von der Gefangenschaft erzählt habe. Mich hat diese Schilderung sehr bewegt, vor allem weil die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich auch zu meinen prägenden Kindheitserinnerungen gehört. Und ich denke, dass viele Christen auf beiden Seiten der ehemaligen Grenze dafür gebetet haben, dass Frankreich eine offene Demokratie bleibt.

Kernproblem Jugendarbeitslosigkeit

ERF: Welche dringlichen Probleme hat Frankreich?

Michael Klein: Die Wähler haben richtig erkannt, dass Frankreichs Kernproblem nicht die Währung oder die innere Sicherheit ist. Der Appell des „front national“ an die „gloire“ der „grande nation“ ist daher relativ wirkungslos geblieben. Frankreichs zentrales Problem ist nämlich die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Sie liegt in den Randregionen des Landes und in den Ballungsräumen Paris und Marseille bei bis zu 40 Prozent – mit allen sozialen Konsequenzen wie Ghettobildung, Drogen- und Alkoholkonsum, Gewaltbereitschaft und insgesamt hoher Jugendkriminalität. Priorität muss also eine Politik haben, die Arbeitsplätze, Bildung und Perspektiven für junge Menschen schafft. Das trauen die Wähler eher dem Wirtschaftsfachmann Macron zu – und er hat jetzt fünf Jahre Zeit, das umzusetzen. Dazu braucht er eine Parlamentsmehrheit. Das Parlament wird in wenigen Wochen neu gewählt. Wenn die Wähler ihrem Präsidenten einen entsprechenden Rückhalt in der Nationalversammlung geben, kann Macrons Konzept gelingen. Scheitert es, wäre das Wasser auf die Mühlen der Nationalisten.

ERF: Macron ist mit 39 Jahren der jüngste Präsident, den das Land je hatte.

Michael Klein: Seine Wahl ist vielleicht auch ein Zeichen, dass die Wähler einem jüngeren Politiker und Seiteneinsteiger eher zutrauen, die Zukunftsprobleme dieses Landes zu lösen, als einem Vertreter aus der gewohnten Altherrenriege und der bisherigen Machtelite.

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Ihr Kommentar

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Kommentare (4)

Hesekiel /

Jesus war antipoltiisch und stand quer zum Establishment. Das lassen Ihre Artikel deutlich vermissen, im Gegenteil: Michael Klein betreibt Hofberichterstattung. Jesus würde heute vermutlich als homophober, reaktionärer Rechtspopulist angegriffen werden.

Die Redaktion /

Natürlich braucht es bei ERF Medien auch politische Kommentare. Warum sollten gerade Christen sich der politischen Debatte entziehen? Christen dürfen und müssen Standpunkte vertreten - gerade auch, mehr

Monika M. /

braucht es in ERF jetzt auch politische Kommentare?
Macron wird viele Moscheen bauen lassen.Bravo

Hesekiel /

Hier wäre etwas mehr sachliche Distanz wünschenswert. Macron ist ein Apparatschik, ein Beton-Sozialist. Er steht für Bankenunion, Schuldenvergemeinschaftung und unbegrenzte Transferunion, i.e. mehr mehr

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