
18.12.2015 / CD-Rezension / Lesezeit: ~ 4 min
Autor/-in: Sigrid Offermann„Wenn ich eine Wolke wäre“
Melanie Heizmann singt Gedichte von Mascha Kaléko für Kinder.
Es hat den Anschein, als sei diese CD irgendwie vom Himmel gefallen. Vergangene Woche war sie einfach da – ohne große Promotion, ohne einen namhaften Verlag, ohne Presserummel. Vermutlich hat diese Produktion das auch gar nicht nötig, denn die Qualität wird für sich sprechen. Auch diesbezüglich scheint sie irgendwie vom Himmel gefallen. Die Musik, die Texte, das Booklet sind ein poetisches Gesamtkunstwerk.
Die Sängerin Melanie Heizmann hat mit diesem Projekt einen lange gehegten Traum verwirklicht. Sie wollte etwas schaffen zu Ehren der deutschen Lyrikerin Mascha Kaléko und zu Ehren ihrer 2009 verstorbenen Mutter, der Sängerin und Komponistin Hella Heizmann. Was diese beiden Frauen verbindet, war schon da, als Melanie Heizmann zu träumen anfing.
Denn bereits Ende der 80er Jahre hatte die Liedermacherin Hella Heizmann einige Kindergedichte von Mascha Kaléko vertont. Drei davon veröffentlichte sie in dem 1990 erschienen Erfolgs-Album „Echt elefantastisch“ mit ihrem Kinderchor „Die Rasselbande“.
Gedichte über Liebe, Abschied, Freude und Sehnsucht
Die jüdische Autorin Mascha Kaléko (1907- 1975) zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts. Ende der 1920er-Jahre findet die junge Sekretärin Mascha Anschluss an die intellektuellen und avantgardistischen Künstler-Kreise des Romanischen Cafés in Berlin.
Mascha Kaleko schreibt Verse, die jeder versteht, weil sie von Dingen handeln, die alle erleben: von Liebe, Abschied und Einsamkeit, von Freude, Sehnsucht und Traurigkeit. Mit dieser „Gebrauchslyrik“ im besten Sinne ist sie im Berlin der 20er und 30er Jahre berühmt geworden und auch heute - über 100 Jahre nach ihrer Geburt ¿ wächst ihre Fangemeinde weiter.
Mascha Kaléko hatte jüdische Wurzeln und so emigrierten 1938 Mascha und ihr Mann in die USA, als sie dem Druck der Nazis nicht länger Stand halten konnten. In den 50er Jahren schrieb Kaléko zwei Gedichtzyklen, die sie ihrem Sohn und den „verspielten Kindern sämtlicher Jahrgänge“ widmete. Mascha Kalékos charakteristische und eigentümliche Mischung aus Melancholie und Witz machen ihre Lyrik in gewissem Sinne unwiderstehlich und vor allem zeitlos.
Hella Heizmann vertonte Kalékos Kindergedichte
Das war es wohl, was die Liedermacherin Hella Heizmann fasziniert hat, als sie einigen dieser Gedichte vor über 20 Jahren ein musikalisches Kleid schneiderte. Diese Lieder haben auch ihre Tochter Melanie Heizmann begleitet und heute singt sie selbst den „Sternanzünder“ am Bett ihrer eigenen Tochter als Schlaflied.
So ist diese CD nicht nur eine Liedersammlung, sondern auch eine Art Vermächtnis: ein Geschenk von einer Generation an die nächste. Das erklärt, warum Melanie Heizmann so viel Liebe und Engagement in dieses Album gesteckt und auch selbst als Produzentin fungiert hat. Es war ihr eine Herzensangelegenheit und das hört man jedem einzelnen Lied an.

Musik für Kinder auf höchstem Niveau
Zarte Balladen wie der Titelsong „Wenn ich eine Wolke wäre“ oder der stimmungsvolle „Mann im Mond“ wechseln sich ab mit witzigen, temporeichen Nummern wie „Es regnet“ oder „Der Bücherwurm“. Bei manchen Liedern fängt man unwillkürlich an zu swingen, bei anderen beginnt man zu seufzen. Die Künstlerin selbst bezeichnet ihr Album als „eine melodiöse Mischung aus Jazz und Klassik mit Pop-Elementen“.
Allen Songs gemeinsam ist, dass sie auf höchstem Niveau arrangiert und eingespielt wurden. Melanie Heizmann hat sich aus ihrem Musiker-Bekanntenkreis die Besten für dieses Projekt herausgepickt und die Instrumentalisten im Reigen der Lieder optimal platziert. Beim „Lied zum Einschlafen“ ein sanftes Flügelhorn; beim „König und der Nachtigall“ eine perlende Querflöte. Cello und Ukulele, Mundharmonika und Saxophon, Klarinette und Kontrabass – die Vielfalt der Instrumente ist beeindruckend. Melanie Heizmanns einfühlsame und dennoch klare Stimme, die sehr an die ihrer Mutter in jungen Jahren erinnert, gibt allen Titeln ihr eigenes Gepräge.
Fazit
Obwohl die 12 Lieder auf dieser CD allesamt vertonte Kindergedichte sind, klingt das Album durch und durch erwachsen – im Sinne von: hochwertig produziert. Heizmann hat komplett auf den ganzen synthetischen Schnickschnack verzichtet, der so oft bei Kinder-Produktionen zum Einsatz kommt und dann auch entsprechend billig klingt. Ihre Devise: Für Kinder ist das Beste gerade gut genug! Der schöne Nebeneffekt: Auch als Erwachsener kann man diese CD wieder und wieder hören, ohne ihrer im geringsten überdrüssig zu werden.
Zum Urteil „Gesamtkunstwerk“ gehören auch Cover und Booklet, das auf stabilem, hochwertigen Papier in gedeckten Farben gedruckt ist und mehr an einen kleinen Kunst-Bildband als an einen CD-Einleger erinnert. Fotos und graphische Elemente verschmelzen zu einer Einheit, die durch das angesagte Vintage-Design den Zeitgeschmack trifft.
Die CD „Wenn ich eine Wolke wäre“ ist durch und durch empfehlenswert. Nicht nur für Freunde von Mascha Kaléko, Hella oder Melanie Heizmann, für die diese Scheibe ohnehin ein „Must have“ ist! Sondern auch für alle Freunde von Poesie und abwechslungsreich produzierter Musik. Und natürlich für alle Eltern, die ihren Kindern mal etwas anderes bieten wollen als „Kinder-Schlager“, die mit drei Akkorden auskommen.
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