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© Matthew Yohe [CC-BY-SA-3.0-de]

15.05.2012 / Buchrezension / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Peter Strauch

Der sensible Egozentriker

Die Biografie "Steve Jobs" zeichnet den Apple-Gründer als vielschichtige Person.

Über 700 Seiten umfasst diese autorisierte Biografie des Apple-Gründers Steve Jobs. Wie soll man mit wenigen Sätzen beschreiben, was sie so lesenswert macht? Tatsache ist, man muss kein Computerfreak sein, um vom Lesen dieses Buches zu profitieren.

Steve Jobs war ein Adoptivkind
Steve Jobs wuchs bei Adoptiveltern im berühmten Silicon-Valley auf, jener Gegend an der San Francisco Bay, in der sich seit den 60er Jahren viele führende Hardware - und Softwarefirmen (Hewlett & Packard, IBM, Intel, Adobe, Google u.v.a.) angesiedelt haben. Sein Vater, Paul Jobs,  arbeitete als Geldeintreiber bei einem Finanzunternehmen, seine Mutter Clara war Buchhalterin.

Schon früh sagten die beiden ihrem Jungen, dass er ein Adoptivkind sei. Als ein Nachbarmädchen meinte: „Soll das heißen, deine richtigen Eltern haben dich nicht gewollt?“, traf es Steve wie ein Blitz. Paul und Clara Jobs fingen den weinenden Jungen auf und erklärten ihm: „Wir haben speziell dich ausgesucht!“ Dabei betonten sie jedes Wort. Steve war damals 6 oder 7 Jahre alt.

Eindrücke aus der Kindheit
Schon früh machte Paul Jobs seinen Sohn mit der Elektronik von Autos bekannt (in seiner Freizeit reparierte er sie). An jedem Wochenende fuhr er mit ihm zum Schrottplatz, um nach einer Lichtmaschine, einem Vergaser oder sonstigen Teilen zu suchen. Steve war zwar nicht gerade begeistert, unter verdreckten Autos zu liegen, aber er liebte das Zusammensein mit seinem Vater. Später sagte er über ihn: „Er war kein gebildeter Mann, er las nicht viel, war aber geschickt in vielen Dingen.“

Irgendwann merkte er, dass er seinem Vater intellektuell überlegen war: „Als ich das erkannte, empfand ich tiefe Scham wegen meiner Gedanken.“ Vermutlich war Steve in der Schule unterfordert. Er kämpfte gegen die Langeweile, indem er Streiche spielte. Einer Lehrerin gelang es, ihn herauszufordern. Für Jobs wurde sie „eine der Heiligen in meinem Leben“.

Abkehr vom Christentum
Steves Eltern waren nicht sehr religiös, legten aber Wert auf eine religiöse Erziehung ihres Sohnes. Sonntags nahmen sie ihn häufig mit zur Kirche. Aber als er 13 Jahre alt war, machte er von sich aus damit Schluss.

Auf dem Cover der Zeitschrift LIFE hatte er verhungernde Kinder aus Biafra gesehen. Steve nahm das Exemplar mit zur Sonntagschule und fragte den Pastor: „Wenn ich den Finger hebe, wird Gott dann bereits vorher wissen, dass ich es tue und welcher Finger es ist?“ Als der Pastor sagte: „Ja, Gott ist allwissend,“ zog Steve die Zeitschrift hervor, zeigte auf das Foto und fragte: „Weiß Gott auch im Voraus, was mit diesen Kindern geschehen wird?“ Darauf der Pastor: „Steve, ich weiß, du verstehst das nicht, aber ja, Gott weiß darüber Bescheid.“ Daraufhin verkündete Jobs, dass er keine Lust habe, einen solchen Gott anzubeten. Nie wieder setzte er einen Fuß in die Kirche. Stattdessen wandte er sich später dem Zen-Buddhismus zu.

Gründung von Apple
Während des zweiten Jahres an der Highschool verdiente sich Steve Geld in einem Elektronikgeschäft. Dabei entwickelte er sein Wissen über elektronische Teile. Hinzu kam ein Elektronikkurs, geleitet von John McCollum, einem ehemaligen Seelotsen. Während dieser Zeit schloss Steve Freundschaft mit Stephen Wozniak (Woz), der fast 5 Jahre älter war. Die beiden ergänzten sich großartig. Wozniak war der in sich gekehrte, manchmal geradezu schüchtern wirkende Elektroniktüftler, Jobs dagegen die leidenschaftliche, vorwärtsdrängende Persönlichkeit.

1976 beschlossen sie eine Firma zu gründen. Um das erforderliche Startkapital zu haben, verkaufte Woz seinen geliebten Taschenrechner und Steve seinen VW-Bus. Auf den Firmennamen „Apple Computer“ kam Steve auf dem Weg von einer Apfelplantage („Ich praktizierte mal wieder eine meiner Obstdiäten“).

Ein dritter Partner, Ron Wayne, bekam im letzten Augenblick kalte Füße und sprang wieder ab. Wäre er geblieben und hätte sich mit den für ihn vorgesehen 10 Prozent beteiligt, wäre sein Anteil bis 2010 auf eine Summe von etwa 2, 6 Milliarden Dollar angewachsen. Bereits 1982 hatte das Unternehmen 600 Millionen Dollar Jahresumsatz. Steve Jobs war gerade mal 27 Jahre alt.

Jobs eigenwilliger Führungsstil
Aber weit mehr als von wirtschaftlichen und finanziellen Erfolgen ist in dem Buch von Menschen die Rede, vor allem eben von dem außerordentlich eigenwilligen und manchmal nur schwer zu ertragenden Menschen Steve Jobs. Ein  nichts ahnendes Opfer konnte er mit einem einzigen, perfekt gezielten Satz lähmen. Walter Isaacson schreibt: „Der Erfolg (von Apple) ging auf Kosten vieler verletzter Gefühle, die zu einer hohen Quote an Burn-out-Fällen im Team führten.“

Aber Jobs Führungsstil hatte auch eine positive Seite. Er schaffte es, den Apple-Angestellten die Leidenschaft für die Erschaffung bahnbrechender Produkte zu vermitteln. Manchmal waren sie von ihm wie hypnotisiert. „Er starrte einen an, ohne zu blinzeln“ (siehe Titelfoto des Buches), erzählt eine Mitarbeiterin. „Er hätte mir auch ein Glas mit einem lilafarbenen Erfrischungsgetränk servieren können. Ich hätte es getrunken.“ Jobs eigenwilliger und verletzender Führungsstil war einer der Gründe, die ihn 1985 zwangen, Apple zu verlassen.

Spektakuläres Comeback
Doch 1997 war er wieder an Bord, und für Apple begann eine neue, einzigartige Erfolgsgeschichte: 1998 wurde der iMac eingeführt, 2001 der erste iPod, 2007 das iPhone und 2010 das iPad. Heute gilt Apple als das wertvollste Unternehmen weltweit.

Die Präsentation der neuen Geräte war jedes Mal ein von Steve Jobs sorgfältig inszeniertes Medienereignis. Nein, ums Geld sei es ihm nie gegangen, erklärte er. Vielmehr habe er sich als Künstler verstanden. Jedes bei Apple kreierte Gerät sollte Schönheit und Eleganz ausstrahlen.

Während in den meisten Unternehmen die Entwickler die elektronischen Bauteile liefern, die dann von den Designern lediglich noch „umhüllt“ werden müssen, ruhte für Steve Jobs im Design die eigentliche Seele des Produkts. Dabei sollte das Ergebnis so einfach ( nicht billig!) wie möglich sein. Steve Jobs war überzeugt: „Einfachheit ist die höchste Form der Raffinesse.“ Das führte allerdings oft zu Spannungen im Apple-Führungsteam, weil sich die Produkte drastisch verteuerten.

Krebserkrankung
2003 wurde bei Steve Krebs diagnostiziert. Nachdem er sich monatelang einer OP verweigert hatte, wurde der Tumor im Juli 2004 entfernt. Doch die Krankheit ließ ihn nicht mehr los. Nach einer Lebertransplantation im Jahre 2009 starb er am 5. Oktober 2011 im Alter von 56 Jahren.

Vielschichtige Persönlichkeit
Es ist unmöglich, mit wenigen Sätzen hier wiederzugeben, was Jobs Leben prägte. Einen wesentlichen Anteil daran hatte  zweifellos seine Frau. Über 20 Jahre war er mit Laurene Powell verheiratet. Sie war es auch, die vor 3 Jahren dem Autor Walter Isaacson den Hinweis gab: „Wenn Sie je ein Buch über Steve schreiben wollen, dann tun sie es jetzt.“
Weder sie noch Steve haben versucht, auf den Inhalt Einfluss zu nehmen. Nicht nur Freunde, auch Kritiker kommen in dem Buch zu Wort. Das Ergebnis ist ein feingliedriges Mosaik über einen einerseits extrem egozentrischen, andererseits aber auch sehr sensiblen Menschen.

Jonathan Ive, der als Chefdesigner ein enger Vertrauter von Steve war, sagt: „Seine Empfindsamkeit ist es, die sein asoziales Verhalten, seine Grobheit, so unbegreiflich macht.“ Jobs selbst begründete seine verletzende Art mit Ehrlichkeit. Er war überzeugt, dass die Freundlichkeit vieler Menschen nur gespielt und damit unehrlich ist.

Jobs Lebensphilosophie
Steves Lebensphilosophie zeigt sich am ehesten in seiner berühmten Eröffnungsansprache für das akademische Jahr (YouTube Video), die er im Juni 2005 auf Einladung der Stanford University gehalten hat. Dort spricht er u.a. über seine Krebserkrankung und die Prognose der Ärzte (2003), in wenigen Monaten sterben zu müssen: „Niemand will sterben. Nicht mal Menschen, die glauben, in den Himmel zu kommen, wollen sterben...Und dennoch ist der Tod das Schicksal, das wir alle teilen…“

Eindringlich schärft er den  Studenteninnen und Studenten ein: „Eure Zeit ist begrenzt. Vergeudet sie nicht, um das Leben anderer zu leben. Lasst nicht den Krach anderer Meinungen eure eigene innere Stimme zum Verstummen bringen… Habt den Mut, dem eigenen Herzen und der Intuition zu folgen. Alles andere ist zweitrangig.“

Der ewig Suchende
Den wahren Schöpfer seines Lebens hat Steve vermutlich nie kennengelernt. Die Begegnungen mit Christen haben bei ihm wohl eher ein von christlichen Dogmen und frommer Selbstdarstellung beherrschtes Bild geprägt. Dabei hat Steve die Existenz Gottes nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil, als er 1981 den klassischen Cellisten Yo-Yo-Ma spielen hörte, war er den Tränen nahe und sagte zu ihm: „Ihr Spiel ist das beste Argument für die Existenz Gottes, das ich kenne. Etwas so Schönes kann der Mensch allein nicht hervorbringen.“

Zeitlebens befand er sich auf der Suche nach innerer Erleuchtung und Klarheit. Mit 15 rauchte er regelmäßig Marihuana, mit 17 besuchte er den regionalen Hare-Krishna-Tempel, mit 19 reiste er nach Indien und kehrte nach 9 Monaten in die USA zurück, um schließlich neu von der „Verrücktheit der westlichen Welt“ geschockt zu sein. Für ihn gehörten wohl auch die Christen dazu.

 

Titel: Steve Jobs
Autor: Walter Isaacson
Gebundene Ausgabe: 704 Seiten
Verlag: C. Bertelsmann Verlag (27. Oktober 2011)
Preis: 24,99 EUR
Hier erhältlich

(Bild: C. Bertelsmann)

     

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