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24.02.2012 / Buchrezension / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Joachim Bär

Die Palästinenser

Geht es um Palästina, kochen Emotionen zu beiden Seiten rasch hoch. Auch bei Christen. Da tut der nüchterne Blick dieses Buches gut.

Gerade in den letzten Monaten haben die Palästinenser auf der internationalen Bühne von sich reden gemacht. Palästinenserpräsident Abbas beantragt am 23. September 2011 vor der UNO die Vollmitgliedschaft Palästinas.  Einen guten Monat später nimmt die UNESCO Palästina, diesen Staat, den es noch gar nicht gibt, mit überwältigender Mehrheit als Mitgliedstaat auf. Außenminister Westerwelle wertet am 1. Februar 2012 den diplomatischen Status der Palästinenser auf, auch wenn Deutschland die palästinensischen Autonomiegebiete nicht als eigenständigen Staat anerkennt.

Die Gesichter eines Volkes
Welche Menschen stecken hinter diesem Land, das noch keines ist und dessen Volk de facto erst mit Jassir Arafat als ethische Größe auftritt? Johannes Gerloff liefert mit seinem Buch „ Die Palästinenser – Volk im Brennpunkt der Gesichte“ einige interessante Antworten. Der Journalist entwirft sein Bild aber nicht am Reißbrett, sondern erzählt von Menschen, die er selbst getroffen und Geschichten, die er selbst erlebt hat. Schließlich arbeitet er seit einigen Jahren im Heiligen Land.

Gerloff nimmt den Leser mit zu Kämpfern der Al-Aqsa-Brigaden, die vehement bestreiten, dass Mahmud Abbas die Kontrolle über sie verloren hätte. Zum Bürgermeister von Hebron, der die angeblich 4.000-jährige Geschichte der Palästinenser beschwört – dessen Vorfahren wohl aber Flüchtlinge aus Deutschland waren. Zu einem Scheich, der unumwunden zugibt, dass eine humanitäre Lösung der Flüchtlingsfrage nicht den vorrangigen Zwecken der Palästinenser dienen würde. Und zu palästinensischen Christen, die den Juden den Tod an den Hals wünschen.

Vielschichtig und hochintelligent
Es entsteht eine Sammlung von Eindrücken und Artikeln rund um dieses Volk, dessen Identität seit Jahrzehnten vom Konflikt mit Israel überschattet und bestimmt wird. Eine Sammlung, die einen unaufgeregten Blick auf die Palästinenser wirft, egal ob sie leiden oder Leid verursachen. Gerloff zeigt dem Leser ein vielschichtiges, hochintelligentes Volk – nicht zuletzt, weil es die meisten Akademiker pro Kopf im Nahen Osten hat.

Die Palästinenser - Volk im Brennpunkt der Geschichte
Johannes Gerloff
SCM Hänssler
384 S.
ISBN
978-3-7751-5337-9
19,95€

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(SCM Hänssler)

Etwas lose wirkt diese Sammlung manchmal, hier und da kann man den Zusammenhang zum jeweiligen Kapitel nur erahnen. Mal arbeitet sich Gerloff an einer von Christen initiierten, thematisch missglückten Konferenz ab. Mal gleichen die Unterkapitel eher Tagebucheinträgen. Etwas mehr Einordnung der unzähligen Fakten, Gespräche und Hintergründe hätte dem Buch gut getan. Nicht alles spricht für sich. Gerade für den, der sich noch wenig mit dem Nahen Osten beschäftigt hat.

Die Lösung für den Nahost-Konflikt
Lesenswert bleibt das Buch ohne Frage. Denn nicht zuletzt bekommt man auch ein Gefühl, wie komplex der Nahost-Konflikt ist – und dass einfache Lösungen unbrauchbar sind. Übrigens auch biblisch gesehen, wie das letzte Kapitel des Buches belegt. Das Fazit des Autors: „Die Vision des Schöpfers ist ein Miteinander von Israel und seinen nichtjüdischen Nachbarn im Heiligen Land und sein Wort verheißt eine gemeinsame Zukunft. Voraussetzung dafür ist, dass alle – Juden wie Nichtjuden – die Ordnungen des lebendigen Gottes in Theorie und Praxis achten.“

Eine wünschenswerte Lösung, sowohl für Juden als auch für die Palästinenser. Aber auch der Schöpfer wird diese nicht ohne die Herzen der beteiligten Menschen durchsetzen.


Leseprobe
 

 Joachim Bär

Joachim Bär

  |  Unit Leader erf.de / Antenne

Koordiniert die übergreifenden Themen der redaktionellen Angebote des ERF. Er ist Theologe und Redakteur, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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