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27.07.2011 / Online-Spiele / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Markus Dörr

Der Teufel - Teil III?

Macht, Stärke, Faszination: Diablo III wird das Online-Rollenspiel 2011 - auch beim Suchtpotential. Ein Interview mit Dipl.-Päd. Eberhard Freitag.

Diablo III – so heißt das neue Online-Rollenspiel der bekannten amerikanischen Spieleschmiede Blizzard, das wahrscheinlich noch im Jahr 2011 auf den Markt kommt. Blizzard hat auch „World of Warcraft“ entwickelt – das mit Abstand erfolgreichste und beliebteste Multiplayer-Online-Rollenspiel. Diablo III wird mit neuer Grafik verzaubern, aber auch mit alt-bewährten Spielmechanismen fesseln. Darin liegen Suchtgefahren – gerade für die neue Generation der Jugendlichen.

ERF Online hat darüber mit Eberhard Freitag gesprochen. Der Diplom-Pädagoge hat jahrelange Erfahrung in der Beratung von Computerspielsüchtigen und ihren Angehörigen. Außerdem ist er Ansprechpartner für „return“ – der Fachstelle für exzessiven Medienkonsum des Neuen Landes e.V. in Hannover.

ERF Online: Herr Freitag, was ist Diablo III für ein Spiel?

Eberhard Freitag: Es wird ein Online-Rollenspiel sein. Dabei kann man sich verschiedene Charaktere bauen, wobei man aus unterschiedlichen Charakterklassen auswählen kann. Die Machart wird anderen Online-Rollenspielen ähneln, bei denen man seinen Charakter aufbaut, „skillt“ - also steigert - und dessen Stärke durch verschiedene Gegenstände verbessert.

ERF Online: Wer wird dieses Spiel wahrscheinlich spielen?

Eberhard Freitag: Vermutlich die Spieler, die das früher schon in anderen Versionen gespielt haben. Das klassische Klientel werden auch wieder die Jungs sein: Jugendliche im Alter von 14 - 20 Jahren und aufwärts.

ERF Online: Ist das ein spezifisch männliches Thema?

Eberhard Freitag: Die Menschen, die bezüglich Computerspielproblemen zu uns in die Beratungsstelle kommen, sind zu 99% Jungs oder Männer. Die Attraktionen von Computerspielen mit großer Auflage sprechen primär Männer an.

Reizvoll dabei ist das Thema Macht, das sind die Themen Kontrolle, Herrschaft und eine Mission zu haben. Das heißt, ich werde in diesem Spiel gesendet, ich kriege eine Aufgabe. Jemand traut mir etwas zu und ich bekomme hinterher eine klare Belohnung. Ich bekomme Anerkennung und bin in hohem Maße selbstwirksam.

Ich habe dann den Flow - die Balance zwischen der Herausforderung und meinem eigenen Können. Es gibt ein richtig gutes Gefühl. Ich bin hochkonzentriert und gleichzeitig auch entspannt und merke, dass ich es gut geregelt kriege. Ein Spiel, was ein Flow-Erlebnis ermöglicht, ist ein gutes Spiel.

"Einzigartige Charaktere, die vor Macht strotzen". Bild : Blizzard Entertainment

ERF Online: Sie haben eben schon die Faszination der Macht angesprochen, die Online-Rollenspiele ermöglichen. Auch die Macher von Diablo III preisen das Spiel dementsprechend an. Es erlaube dem Spieler noch mehr „einzigartige Charaktere zu erschaffen, die vor Macht nur so strotzen.“ Ist Macht der Hauptpunkt, der die Spieler anspricht?

Eberhard Freitag: Ich würde nicht sagen, dass das der Hauptpunkt ist. Es ist auch ein Punkt. So ein Spiel spricht verschiedene Bedürfnisse an. Bei dem einen ist das der Wunsch nach Zugehörigkeit. Er ist dann in einer festen Gruppe, mit der er gemeinsam auf die Jagd geht und Schlachten schlägt. Bei anderen ist es der Antrieb, dass sie mit ihrem eigenen Charakter gesehen und bewundert werden wollen.

ERF Online: Wann ist Computerspielen Sucht? Wann ist es nur exzessives Spielen?

Eberhard Freitag: Wir haben klar definierte Suchtkriterien. Eines ist der Kontrollverlust: Ich will weniger spielen. Ich merke, dass mir das Spielen nicht gut tut, aber ich schaffe es nicht, aufzuhören. Denn ich werde immer wieder magisch angezogen.

Ein weiteres Kriterium sind negative Konsequenzen, die ich in meinem Leben erlebe und billigend in Kauf nehme. Sprich: Ich werde in der Schule immer schlechter oder gehe gar nicht mehr hin. Ich vergeige meine Ausbildung oder mein Studium zugunsten dem wachsenden Erfolg im Spiel.

Dann gibt es noch die Interessenabsorption. Alle Energie wird nur noch auf das Weiterkommen im Spiel konzentriert. Außerdem sind noch Vernachlässigungen zu nennen, zum Beispiel körperliche. Dazu kommt Isolation. Also: Ich vereinsame im realen Leben.

ERF Online: Aber die Grenzen sind fließend?

Eberhard Freitag: Ja, wie bei jeder Sucht. Der süchtig werdende Spieler merkt es gar nicht, er entwickelt ein schleichendes Suchtverhalten. Das wird bei solchen Spielen auch dadurch gefördert, dass ganz bewusst Glücksspielsuchtelemente eingebaut werden. Wann zum Beispiel ich einen bestimmten Gegenstand bekomme, ist immer auch eine zufällige Geschichte.

Es gibt nämlich nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit, etwa dafür dass die Axt, die ich will, aus dem Monster herausfällt. Das ist die so genannte intermittierende Verstärkung - wie beim Glücksspielsüchtigen: Der schmeißt die Euros rein und hofft jedes Mal, dass er jetzt endlich einmal was gewinnen muss und nicht wieder verliert.

Bild : Blizzard Entertainment

Düsternis, Gewalt und Zerstörung beherrschen die Diablo-III-Welt.

ERF Online: Wie schätzen Sie das Suchtpotential von Spielen wie Diablo III ein?

Eberhard Freitag: Die meisten Menschen, die ein Suchtproblem mit Computerspielen haben, haben es mit onlinegestützten Spielen. Online spielen ist ein Risikofaktor, denn das Spiel hat kein natürliches Ende. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Dazu kommen die angesprochenen Glücksspielelemente und die Möglichkeit, mir ein Alter ego zu erstellen: Ich baue mir einen Charakter, ich lagere meine Persönlichkeit ein Stück weit ins Internet aus.

Auch die Vernetzung ist ein wichtiger Punkt. In dem Moment, wo man vernetzt spielen muss, weil man bestimmte Aufgaben alleine nicht schafft, besteht immer die Gefahr, dass Menschen ihre Termine um das Spiel herumbauen. Das Treffen mit den anderen Spielern wird dann wichtiger als der Fußballverein oder andere reale Aktivitäten.

Da wird Diablo III nicht weniger gefährlich und nicht gefährlicher sein als andere Online-Rollenspiele.

ERF Online: Diablo III wird in Deutschland wahrscheinlich in einer Version mit reduzierter Gewaltdarstellung auf den Markt kommen, um eine USK-Einstufung ab 16 Jahren zu erreichen. Aus Ihrer Erfahrung heraus – würden Sie den Kauf dieses Spieles für Jugendliche empfehlen?

Eberhard Freitag: Nein, definitiv nicht. Die Frage ist immer, welche Botschaft ein solches Spiel hat, was ich für Werte und Inhalte inhaliere. Als Christ ist das für mich eine zentrale Frage.

Wenn man sich ein Paar Screenshots von Diablo III anguckt, sieht man die Düsternis, das Finstere. Man sieht, wie man mit Kräften hantieren muss. Ethische Vorstellungen und Werte sind in solchen Spielen auch nicht wirklich bedeutsam.

Manchmal kann man pseudomoralische Entscheidungen treffen. Ich muss zum Beispiel irgendeinen unschuldigen Bauern töten, um dann mit den Kräften, die daraus entstehen, größere Schlachten gegen das Böse zu erreichen. Gut und Böse ist letztlich etwas, was auch verwirrt wird. Damit haben diese Spiele keine positive Prägekraft für Jugendliche.

Jede Wirklichkeit wirkt - auch die vorgestellte, virtuelle Wirklichkeit hat eine Wirkung. Je stärker ich zu so einem virtuellen System gehöre, umso mehr werde ich die Werte, Normen und Ziele in meine eigenen Überzeugungen einbauen.

Natürlich ist diese Wirkung auch graduell. Jemand, der nur eine halbe Stunde am Tag spielt, wird nicht so beeinflusst, wie jemand, der fünf Stunden pro Tag zockt – und das über Wochen und Monate.

ERF Online: Wann müssen Eltern denn alarmiert sein?

Eberhard Freitag: Wenn Eltern mich fragen, ob sie ihren Kindern dieses Spiel empfehlen sollen, würde ich sagen: Nein, grundsätzlich nicht. Damit ich in so einem Spiel erfolgreich bin, kann ich nicht nur eine halbe Stunde am Tag spielen. Das entwickelt eine Sogkraft, weil ich mehr erreichen will, besser ausgestattet sein möchte und den höchsten Level erspielen will. Das erfordert einen höheren Zeitaufwand und macht die Sache problematisch.

return ist ein Arbeitszweig des Neuen Landes e.V. in Hannover. Das Projekt hat die Beratung von Menschen zum Ziel, die Probleme mit exzessiven Medienkonsum haben. Dazu gehören Online-Sexsucht, Chatsucht und Online-Spielsucht. Neben der therapeutischen Arbeit mit Betroffenen und deren Angehörigen bietet return auch Präventionsprogramme an (u.a. Seminare und Fortbildungen in Gemeinden). Weitere Infos: http://www.return-mediensucht.de/

ERF Online: Ich kann mir vorstellen, dass das im Einzelfall nicht immer einfach ist. Wenn der Sohn zum Beispiel schon über 18 ist und darauf besteht, Diablo III zu spielen, was können die Eltern überhaupt noch machen?

Eberhard Freitag: Man kann nur versuchen zu argumentieren und aufzuzeigen, was es für ihn für Folgen hat. Besonders, was die Folgen für längerfristige Ziele sind. Aber verbieten kann man es irgendwann nicht mehr.

Wenn jemand 18 oder 19 ist, aber immer noch zu Hause wohnt, kann er zwar theoretisch machen, was er will. Trotzdem kann es nicht sein, dass er den ganzen Tag am Rechner sitzt und spielt, sich aber gleichzeitig um nichts kümmert, also nicht einkauft oder anderen Pflichten nachkommt. Für Eltern ist das oft ganz schön herausfordernd, da irgendwann auch einmal konsequent zu werden.

Ein generelles Kernproblem ist, dass Kinder und Jugendliche vielfach ein Maß an Medien zur Verfügung haben, was dem Maß ihrer Verantwortung nicht entspricht. Eltern sind oft verunsichert, weil sie selbst nicht so richtig durchblicken oder technisch nicht so fit sind. Vielfach haben Eltern auch einen Gewinn, dass ihre Kinder zuhause in ihrem Zimmer sitzen und nicht irgendwo in der Stadt Bier trinken oder kiffen.

Möglicherweise lassen es Eltern auch deshalb über Jahre laufen und spüren dann erst, dass da etwas schief geht. Das ist die klassische Situation. Die Eltern kommen dann, wenn die Kinder 14 - 16 Jahre alt sind und wenn sie merken, dass sie jahrelang etwas toleriert haben, was jetzt Konsequenzen hat.

ERF Online: Wie sollen Eltern jetzt mit Diablo III umgehen?

Eberhard Freitag: Wenn Eltern verunsichert sind und Fragen bezüglich dieses Spiels haben, frage ich gerne zurück, was ihre Erziehungsziele sind und ob die mit der Botschaft dieses Spiels zusammen passen. Dazu sollten sich Eltern entsprechend informieren, also sich etwa Videoausschnitte ansehen oder in Internetforen mitlesen.

ERF Online: Vielen Dank für das Gespräch.


Mehr Beiträge und hilfreiche Links zum Thema:

Radio-Interview mit Dr. Theo Wessel, Geschäftsführer des Gesamtverbandes für Suchtkrankenhilfe im diakonischen Werk der evangelischen Kirche Deutschlands

Informationsflyer über das Beratungsangebot von return

Bilder: Blizzard Entertainment, http://us.blizzard.com/diablo3/

Ihr Kommentar

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Kommentare (6)

Martin S. /

Ich selber spiele seit vielen Jahren (10-12?) übermäßig viel PC-Rollenspiele. Seit 2011 bin ich Christ.
Inhaltlich nehme ich inzwischen von vielen Spielen Abstand, weil ich das Gefühl habe, mich mehr

Thomas /

eine wichtige komponente des spiels "diablo 3" ist das battle.net. also die aktualisierte plattform für den online-modus. insofern ist die bezeichnung online-rollenspiel auch richtig, weil man beim zocken viel wertvolle zeit im netz verschwendet.

Frank L. /

Eine "Flucht in andere Welten": Das machen auch Erwachsene. Unabhängig vom Einkommen. Es würde viel Gemeinsamkeit schaffen, wenn wir mal über Gründe dafür sprechen.

Holger /

hallo erf team,
ich habe gerade den artikel zu diablo 3 gelesen.
d3 ist kein online spiel wie wow sondern wird lokal am pc gespielt.
man kann es auch im netz gamen mit freunden... aber man braucht mehr

Markus Dörr /

@beobachter, @holger: Klar: WOW ist ein MMORPG, Diablo III ein Action-Rollenspiel.
Die Diskussion um die Bezeichnung "Online-Rollenspiel" ist aber eine rein akademische. Für die meisten Menschen ist mehr

beobachter /

offensichtlich hat herr freitag keine ahnung von d3.
d3 ist kein online spiel wir wow.
und soweit ich weiss braucht man auch nicht mehr spieler um eine quest zu bestehen.
das game kann allerdings im mehr

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