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08.06.2010 / Atomwaffensperrvertrag / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Michael Gerster

"Sie sind jeden Tag eine Bedrohung"

Warum reist eine Gruppe Studenten auf eigene Kosten nach New York , um von einer UN-Konferenz zu berichten? Ein Interview mit der Politikstudentin M. Lüders.

Frau Lüders, vom 3.-28. Mai hat in New York die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags stattgefunden. Sie waren vor Ort, um mit einer Gruppe von Studenten von der Konferenz zu berichten. Um was ging es bei dieser Konferenz?

Der Atomwaffensperrvertrag ist der weltweit wichtigste Vertrag, um dem Abrüstungsproblem von Nuklearwaffen zu begegnen und Antwort auf verschiedene Fragen zu finden – zum Beispiel: Wie können wir abrüsten? Wie können wir verhindern, dass Atomwaffen in die Hände von Terroristen gelangen? Der Vertrag ist 1970 in Kraft getreten. Auf den Überprüfungskonferenzen, die alle fünf Jahre stattfinden, wird über konkrete Schritte beraten. Denn der Vertrag legt nichts wirklich Verbindliches fest. In ihm steht nur, dass die fünf Staaten, die vor 1968 bereits im Besitz von Atomwaffen waren, sich verpflichten, diese im Laufe der Zeit abzubauen, wenngleich es dafür keinen konkreten Zeitplan gibt.

Positiv an dem Vertrag ist, dass Staaten, die vor 1968 nicht im Besitz von Atomwaffen waren, diese auch nicht erwerben dürfen. In dem Vertrag ist auch eindeutig geregelt, dass Atomwaffenstaaten ihr technisches Wissen oder auch ihr hoch angereichertes Uran nicht an andere weitergeben dürfen. Dass Problem ist aber, dass sich die Atomwaffenstaaten sehr auf diesem Vertag ausruhen. Er gibt ihnen die Legitimation, Atomwaffen haben zu dürfen. Sie tun aber nicht wirklich etwas, um abzurüsten.

Ein Zeitplan wurde diesmal auch nicht verabschiedet.

In den Entwürfen war das zwar vorgesehen. Darauf hatten die Nichtatomstaatenwaffen sehr bestanden. Aber sie konnten sich nicht durchsetzen, weil bei diesen Überprüfungskonferenzen im Konsens entschieden werden muss.

Was genau haben Sie bei dieser Konferenz gemacht?

Ich habe mit anderen Studenten der TU Dresden, wo ich Internationale Beziehungen studiere, für das Projekt npt-tv.net von der Konferenz berichtet. NPT ist die Abkürzung der englischen Bezeichnung des Atomwaffensperrvertrags Nuclear Non-Proliferation Treaty. Uns geht es darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es Atomwaffen und diesen Vertrag gibt. Es geht um die Frage, wie wir innerhalb dieses Rahmens, der ja schon da ist, weiter fortschreiten können, um eine atomwaffenfreie Welt zu erreichen. Deshalb haben wir eine Webseite gegründet, die Menschen weltweit diese Thematik einfach erklären soll. Wir haben jeden Tag auf der Konferenz Vertreter von Regierungen und Nichtregierungsorganisationen interviewt, um darüber zu informieren, was gerade auf der Konferenz läuft, welche Ideen es gibt, wer blockiert usw. 

Diese  Konferenzen sind sehr wichtig, weil sie nur alle fünf Jahre stattfinden und in den Jahren dazwischen normalerweise nichts passiert, was irgendwie zur Abrüstung führen könnte. Als sich Obama 2009 in seiner berühmten Rede zu einer atomwaffenfreien Welt bekannte, war das ein Riesending. Die Regierung Bush hatte sich nämlich 2005 der atomaren Abrüstung total verwehrt.  

Nun gab es in diesem Jahr ja ein Abschlussdokument. Sind Sie mit dem Ergebnis der Konferenz zufrieden, obwohl es keinen konkreten Zeitplan für die Abrüstung gibt?

Ein positives Ergebnis, das ich sehe, ist, dass offiziell eine Nuklearwaffenkonvention in dem Dokument angesprochen wird. Eine Nuklearwaffenkonvention würde nämlich - ähnlich wie zum Beispiel die Konvention zu Landminen oder zu chemischen Waffen - den Gebrauch von Atomwaffen vollkommen verbieten. Die Atomwaffenstaaten, die P5, versprechen bis 2014 bei der Vorbereitungskonferenz und dann 2015 bei der nächsten Überprüfungskonferenz ihre Fortschritte in den Abrüstungsbemühungen zu dokumentieren. Das ist allerdings kein riesiger Fortschritt, da auf der Überprüfungskonferenz eh dokumentiert werden soll, was so vorangetrieben wurde in den letzten Jahren. Aber es könnte durch die ausdrückliche Erwähnung die P5 doch einem höheren Druck der Öffentlichkeit aussetzten. 

Welche Rolle hat eigentlich der Iran auf der Konferenz gespielt?

Die Iranischen Dipolmaten sind auf der Konfernz alles andere als geächtet, sondern gefragte Gesprächspartner gewesen. Sie vertreten die Positionen der sogenannten NAM maßgeblich. Die NAM [Non Aligned Movement, Anm. d. Redaktion] ist ein Zusammenschluss von 118 blockfreien Staaten. Diese Bewegung der blockfreien Staaten gründete sich zu Zeiten des Kalten Kriegs. Heute sind die NAM auf den Nichtverbreitungskonferenzen immer der Gegenpol zu den P5, den Atomwaffenstaaten. Sie vertreten vehement die Ansicht, dass stärkere Fortschritte in der vollständigen Abrüstung vorgenommen werden, plädieren auf ihr Recht der friedlichen Nutzung von Kernenergie. Das ist auch Irans Position: Der Vertrag sichert ihnen die friedliche Nutzung von Kernenergie zu. Sie haben auch die Additional Protocols unterschrieben, mit denen ihre Reaktoren bis zum Rausschmiss der IAEA [der Internationalen Atomenergiebehörde, Anm. d. Red.] kontrolliert wurden. Für viele blockfreie Staaten ist Iran ein Held, weil er ihre Position trägt und durchsetzt. Das fragwürdige iranische Atomprogramm wurde vor allem von den USA mehrmals scharf kritisiert, unter anderem auf der Abschlussrede bei der Annahme des Abschlussdokumentes.

Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?

Ich bin der Meinung, Atomwaffen sind vollkommen sinnlos. Sobald jemand

"So lange es sie aber gibt, sind sie jeden Tag eine Bedrohung."

anfangen würde, sie zu benutzen, wäre die ganze Welt zerstört. Sie sind eigentlich nur da, um irgendeine Abschreckung zu haben. So lange es sie aber gibt, sind sie jeden Tag eine Bedrohung. Jeden Tag könnte durch ein blödes technisches oder menschliches Versagen auch aus Versehen eine hochgehen. Diese Waffen lagern im Keller vor sich hin, ohne dass den meisten Menschen die Bedrohung bewusst ist, die von diesen Waffen ausgeht, selbst wenn es gar nicht zum Krieg käme. Ich möchte, dass man nicht vergisst, dass es diese Waffen gibt, dass es auch in Deutschland von der Nato stationierte Atomwaffen gibt, die dort nicht hingehören.

Welche Rolle spielt der christliche Glaube bei Ihrem Einsatz für das Thema Nukleare Abrüstung?

Ich glaube, dass der einzige Weg, Atomwaffen zu beseitigen, viel mit Vertrauen zu tun hat. Ich glaube, dass Gott nicht wollen kann, dass wir uns bis an die Zähne bewaffnet gegenüber stehen. Ich sehe im christlichen Glauben einen Weg, da eine Lösung zu finden, damit wir den ersten Schritt gehen können und einander nicht so vollkommen ängstlich gegenüber stehen müssen.  

Frau Lüders, vielen Dank für das Gespräch.

Ihr Kommentar

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Kommentare (5)

Gottfried Pendl /

Jene Menschen die das Dynamit und das Antom erfunden und entwickelt haben,die sagten danach,das wenn sie gewußt hätten was die Menschen damit anstellen und zum töten das verwenden,hätten sie ihr mehr

Gottfried Pendl /

Beim Thema Atombombe denke ich immer an die Bibelstelle Offenbarung 11:18 (Schlußteil) ...und GOTT wird jene vernichten die die Erde vernichten!!! So GERECHT ist GOTT,denn er lässt sich nicht seine mehr

Junia /

toller Bericht, cool, dass sich hier Studenten (wieder?) dafür einsetzen und sich engagieren. Finde ich klasse. Selber in den 80ziger Jahre auf einer Demo dachte ich, dass heute die Studenten weniger mehr

Joachim Knoll /

Christ sein heißt immer politisch sein, weil wir halt in einer Gesellschaft leben (wollen und sollen). Augen schließen wird die potentiellen Todeswaffen nicht verschwinden lassen. Sollen im mehr

Micha /

I´m sorry!
Klingt alles wirklich nett, ist allerdings in der Real-Politik nicht durchsetzbar.
Zur Abschreckung ist heute die atomare Abschreckung sogar zwingend notwending!
Für müssen uns von mehr

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