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© Andreas Lehmann - ERF Direktor Jürgen Werth mit CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe

28.05.2010 / Interview mit CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Jürgen Werth

„Aufgehoben in der Gnade Gottes“

Wie positioniert sich die CDU in Krisenzeiten? Was gibt Politikern Hoffnung? Ein Interview mit Hermann Gröhe, Generalsekretär der CDU

Herr Gröhe, zur aktuellen Lage in der CDU nach dem Rücktritt von Roland Koch. Manche bedauern, dass mit ihm nach Friedrich Merz und anderen nun eine weitere klare Stimme in der CDU fehlt. Wie ist es denn mit der klaren Positionierung, der konservativen Positionierung der CDU?

Der Rückzug von Roland Koch ist nicht nur für die CDU in Hessen sondern auch für die CDU Deutschlands in der Tat ein schwerer Verlust. Sein analytischer Verstand und seine Leidenschaft für die Sache haben ihn zum Sprecher von ganz vielen in unseren Reihen gemacht und seine Wirksamkeit auch in der Bundespolitik begründet. Das ist eine Lücke. Das ist aber auch ein Freiraum, in den neue Talente hineinspringen werden. Und ich bin zuversichtlich: Wir sind eine lebendige Volkspartei, wir haben Menschen, die auch beherzt an neue Aufgaben gehen. Ich denke an Stefan Mappus in Stuttgart und andere mehr. Die CDU braucht klare Stimme, klare Kante, Leidenschaft. Übrigens nicht nur, wenn es um konservative Themen geht – konservative, wertkonservative Positionen gehören in die Union. Aber wir brauchen auch leidenschaftliche Anhänger der Christlich Sozialen bei uns. Denn wir sind eine Volkspartei.

Die Wirtschaftspolitik bereitet vielen Kopfzerbrechen. Ihnen sicherlich auch. Manche wünschen sich die D-Mark zurück. Gibt es ein Vermittlungsproblem? Können Sie etwas tun, um die Ängste in der Bevölkerung ein bisschen zu dämpfen?

Ängste um die Stabilität des Geldes sind in Deutschland - man möchte fast sagen - etwas genetisch Verankertes. Nach den Erfahrungen der schrecklichen Inflation ist das auch offensichtlich etwas Weitergegebenes, was uns mehr prägt als andere Länder. Und wir nehmen das sehr ernst.

Gleichzeitig merke ich, dass wir häufig dir Vorteile von Dingen nicht zu schätzen wissen, die uns selbstverständlich geworden sind. In meiner Heimat im Rhein-Kreis Neuss lebt die Wirtschaft zu 50 Prozent vom Export. Und dieser Export findet zuallermeist in den Euroraum statt. Wir sind gewaltige Nutznießer der europäischen Währungsunion und wie das so ist: Ist der Schlagbaum auf der Autobahn nicht mehr da, merkt man gar nicht mehr wie toll es ist, dass wir ein zusammenwachsendes Europa sind. Das müssen wir wieder neu erläutern.

Um es klar zu sagen: Die Bankenkrise hätte Deutschland viel schlechter abwehren können, wenn wir noch die D-Mark alleine gehabt hätten. Was wir aber machen müssen, ist die deutsche Neigung zur Stabilität, die wir leider in den letzten Jahren auch nicht immer ausreichend hochgehalten haben, nicht nur selbst durch einen entschiedenen Sparkurs glaubwürdig zu untermauern, sondern auch in Europa. Dafür setzen sich Angela Merkel und Wolfgang Schäuble ein. Damit wir in Europa zu einer wirklichen Stabilitätstruktur kommen und uns nicht eine Verschuldung in immer größeren Ausmaß nach unten zieht.

Inwieweit verändert das Internet die Politik? Bei Twitter schrieb neulich mal jemand: „Ihr werdet euch noch wünschen, wir wären politikverdrossen.“ Sie selbst haben über 2.000 Freunde bei Facebook.

Ich bin noch in der Experimentierphase. Meine beiden ältesten Jungs, 17 und 15, sind meine Facebook-Coaches gewesen und haben mir das beigebracht. Und inzwischen macht's mir Spaß, wenn ich im Auto von einem Termin zum andern fahre, schnell zu posten: “War grade beim Evangeliumsrundfunk, jetzt fahr ich weiter...” Das schafft Transparenz. Ich lese auch in Berlin mit Spaß, was meine Kinder gerade eintragen, was sie gemacht haben .Aber ob das Internet auf Dauer wirkliche Kommunikation zwischen Menschen über politische Inhalte stabil gewährleisten kann, wird sich erst zeigen. In Skandinavien beispielsweise, sehen wir mit Interesse, dass dort Wahlkampf in den sozialen Netzwerken ganz, ganz groß geschrieben wird. Alle demokratischen Parteien in Deutschland sind in diesen Netzwerken unterwegs, aber wir sind noch so ein bisschen in der Experimentierphase.

Ich hoffe, dass junge Leute, die leider viel zu wenig morgens zur Zeitung greifen - und wenn, vielleicht nur die Sportseite gucken - auch übers Internet für Politik ansprechbar sind. Am Ende bleibt aber: Vertrauen zu politsch Handelnden entsteht in persönlichen Gesprächen. Das bleibt Gott sei Dank unersetzlich.

Politisches Handeln ist in diesen Wochen und Monaten vor allen Dingen Krisenmanagement. Ich weiß nicht, ob Sie geahnt haben, was auf sie zukommt, als Sie das Amt des Generalsekretärs angenommen haben. Was gibt Ihnen eigentlich persönlich Mut und Hoffnung, ihren Job zu machen? Haben Sie immer Lust darauf, wenn Sie morgens aufstehen?

Zumeinst find ich das eine spannende Aufgabe. Aber es gibt auch die Tage - offengestanden auch manchmal wegen Übermüdung und körperlicher Anstrengung - das ist schon morgens das Stoßgebet: „Lass mich den Tag durchhalten!“. Aber in der Tat ist es auch wirklich der Glaube, der mir nicht nur die Motivation, nicht nur die ehtischen Maßstäbe für politisches Handeln schenkt, sondern auch eine gewisse frohgemute Gelassenheit, dass wir in unseren Anstrengungen - auch da wo sie sehr unvollkommen sind - aufgehoben sind in der Gnade Gottes.

Ich möchte es mal anders sagen: Wahrscheinlich scheitern wir Christen immer wieder an unseren Maßstäben - auch im politischen Handeln. Wenn ich nicht Christ wäre, würde ich an meinen Maßstäben wahrscheinlich auch immer wieder scheitern, wüsste aber nicht, zu wem ich gehen kann. Ich finde das eine wunderbare Sache, dass uns der Glaube auch dann trägt, wenn wir selber merken, wir kommen an unsere Grenzen.

Sie sind seit Jahrzehnten in der evangelischen Kirche engagiert – sowohl zu Hause als auch viele Jahre lang im Rat der EKD. Sie gehören nach wie vor zur Synode der EKD. Gibt es etwas, was Kirche von Politik lernen kann und umgekehrt, was Politik von Kirche lernen kann?

Wir haben unterschiedliche Aufträge. Ich bin dagegen, das zu vermischen, aber wir sollen denselben Menschen dienen. Und wir können voneinander lernen – in unterschiedlicher Weise - wie wir Menschen, die nicht schon in den Institutionen, in den Kirchen und Parteien angekommen sind, ansprechen.

Und als Christliche Demokratische Union sind wir letztlich ein Stück weit abhängig von einem geistigen Klima, auch in diesem Land, das wir nicht selber produzieren können. Sondern wir leben von Wertvorstellungen, die dann besonders kraftvoll in dieser Gesellschaft wirken können, wenn es auch gelebten, christlichen Glauben gibt. Insofern sage ich - ein bisschen aus Eigennutz - aber vor allen Dingen natürlich um der Menschen willen: Wir brauchen aktive, missionarisch ausstrahlende Kirchen in diesem Land.

Herr Gröhe, danke für das Gespräch und Gottes Segen.

Ihr Kommentar

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Kommentare (2)

Ludger Schmidt /

Es stellt sich die Frage, ob es überhaupt "christliche Politik" geben kann. Gibt es "christliche Architektur", "christliche Kunst", "christliche Parteien"?
Es geht darum, dass Christen sich politisch mehr

Markus /

Noch ein CDU Politiker - der behauptet hier wird verantwortlich gehandelt.
Angela Merkel als Physikerin hat bis jetzt auch noch nicht aus Eigenverantwortung ein Atommüllendlager in Ihrem Garten mehr

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