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02.01.2008 / / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: NN

Wenn der Akku leer ist

An Umzügen ist die moderne Technik hilfreich, Vieles gut und schnell zu erledigen. Wie der Akkuschrauber: Knopf drücken und drin (oder draußen) ist die Schraube – wenn der Akku aufgeladen ist. Einmal war mein Herz wie ein leerer Akkuschrauber.

Das schöne an Umzügen ist das neu Anfangen. Man kommt in renovierte Wohnungen, kann die Ecken freiräumen und die Gardinen waschen. Dadurch reduziert sich der Hausrat auf ein praktisches und nützliches Minimum. Die moderne Technik ermöglicht dabei mit vielen Hilfen, dass die Gelenke geschont werden. Ein Highlight ist der Akkuschrauber: Einfach den Knopf drücken und – bssst – die Schraube sitzt. Kein Kabelsalat, keine Steckdosensuche. Man darf nur nicht vergessen, den Akku aufzuladen.

Einmal war mein Herz wie ein leerer Akku. Drei Jahre hatte es gedauert, dann hatten die Kollegin und der Bereichsleiter jener traditionellen Jugendhilfeeinrichtung im Raum Tübingen es geschafft, uns rauszuekeln. Mobbing heißt das heute und ist nichts anderes als seelischer und sozialer Mord. Wenn man selber nicht gut genug ist, muss man den andern eben schlecht machen.

Das System ist einfach und wirksam. Es beginnt subtil und geht immer nur so weit dass man es nicht greifen oder etwas beweisen kann. Andeutungen, vielsagende Blicke, heimliche Aufzeichnungen die an Vorgesetzte weitergeleitet werden, aber die der Betroffene selber nicht lesen kann – ein bunter Strauß an Gemeinheiten.

„Ungeheuerlich“ ist der Begriff, der mir zu den Beschuldigungen einfiel und nur annährend beschreibt, was in dieser Zeit abging. Unter Androhung der Kündigung unterschrieben wir schließlich einen Auflösungsvertrag. Ich durfte ab sofort keinen Kontakt mehr zu den Kindern haben. Mir wurde unterstellt, Gewalt an Kindern verübt zu haben. Eine andere Kollegin berichtete uns sogar lachend, sie habe ein Kind schließlich „richtig durchgewalkt“. Und die blieb.

Mit gut 40 Jahren waren wir also beide ohne Arbeit und Wohnung. Was sollten wir zuerst suchen? Wir durchkämmten die Schwäbische Alb, vom Bodensee bis hoch nach Gießen. Aussichtslos. Schließlich gibt es Telefone und so schaffte der Bereichsleiter es auch, eine hoffnungsvolle Möglichkeit im hessischen Waldeck mit einer einzigen Bemerkung platzen zu lassen.

Wie betäubt lief ich in der Wohnung umher. Packte den Hausrat ein ohne zu wissen wo ich ihn wieder auspacken würde, überlegte schon, nach Dresden zu fahren und dort beim Hochwasseraufräumen zu helfen. Trug ein Teil vom Wohnzimmer ins Büro. Und trug es wieder zurück. Wachte morgens um Vier schweißgebadet auf. Stundenlang rotierten die wildesten Gedanken in mir. Ich verbrachte eine Nacht in der Notaufnahme der Kardiologie Tübingen, bekam mehr Herzmittel verschrieben.

Ich war an einem Punkt angekommen, den ich in all den Jahren Christsein nicht gekannt hatte:

Ich konnte nicht mehr klar denken und nicht mehr beten.
„Herr ich kann nicht mehr“, war das einzige, was ich zustande kriegte. Ich warf mich Jesus zu Füßen und blieb liegen.

Als ich wieder fühlen konnte, stieg Wut in mir hoch und kochte aus allen Poren. Wir hätten nicht unterschreiben dürfen, es hätten vorher zwei schriftlicher Abmahnungen bedurft. Wir wussten es damals nicht. Hatten dem „netten“ Chef vertraut. Ich überlegte, meine Beziehungen zu RTL oder zur örtlichen Presse spielen zu lassen. Oder einen Artikel mit der Headline „Er nannte sie Monster“ in die BILD-Zeitung zu setzen. Monster, so hatte mich der Bereichsleiter genannt. Ich ließ es bleiben, ich wollte ja nicht die ganze Einrichtung ruinieren. Gott schrieb mir: „Die Rache ist mein, ich will vergelten.“ Ich war gespannt wie Er diese Zusage verwirklichen würde.

Aber jetzt fuhren wir die Krallen aus! Auf Anraten unserer Freunde und auf Empfehlung unseres Hausarztes gingen wir mit einem guten Anwalt doch noch vor Gericht. Dort sah ich ihn wieder. Sein Anwalt behauptete mit erhobener Nase, ich sei schließlich nicht bedroht worden. Da bin ich fast über den Tisch gesprungen „WAAAS? Das Gegenteil stimmt!!!“ Ja, das musste der Chef dann zugeben und der Richter merkte, dass der Rest wohl ebenso gelogen war. Wir bekamen eine Abfindung mit der wir allerdings kaum unsern Umzug finanzieren konnten.

Das alles ist jetzt viele Jahre her. Gott schenkte uns eine vorläufige Bleibe kaum 200m von der Wohngruppe entfernt. Dorthin kamen die Kinder noch manchmal heimlich. Mit einem heißen Kakao in der Hand trat ich an den folgenden Winter-Morgenden auf die Terrasse und sog die klare Luft und das friedliche Vogelgezwitscher in mich auf. Diese Stille war der Anfang meiner Gesundung. Langsam füllte sich mein Akku wieder. Wir sortierten unser Leben neu.

Aber auch Jesus hat nicht alle Kranken geheilt. Noch immer habe ich ein gestörtes Verhältnis zu Kindern. Traue mich kaum, mit ihnen zu sprechen, geschweige denn, sie anzurühren. Immer noch dröhnen mir diese falschen Beschuldigungen im Ohr.

Ich habe mal eine Vase gesehen, die aus Scherben zusammengesetzt war. So komme ich mir heute vor.

Vor Gott sind 1000 Jahre wie ein Tag. Ich werde wohl noch viel Zeit brauchen.


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