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Ein Glaube ohne Werke

Glaubens-FAQ / Lesezeit: ~ 13 min

Autor/-in: Kim Rosta

Ein Glaube ohne Werke

Müssen dem Glauben Taten folgen? Die Bibel scheint sich da zu widersprechen. Im Kern geht es dabei um die Frage: Was rettet mich wirklich?


Darf ich als Christ sonntags Handball spielen? Sind Tattoos und Piercings Sünde? Kann ich guten Gewissens in die Disko gehen? Viele Christen stellen sich diese oder ähnliche Fragen mindestens einmal im Leben. Allein die Frage „Darf ich…?“ vermittelt jedoch unterschwellig eine Botschaft: Wer Christ ist, muss sich an Regeln halten. Auch meine Mitmenschen, meine Familie, Gemeinde oder Arbeitskollegen scheinen wie selbstverständlich bestimmte Verhaltensweisen von mir zu erwarten. Stellt sich die Frage: Was sollte ich als „guter Christ“ eigentlich tun und wie viel?

Der Apostel Paulus scheint diese Frage schnell beantwortet zu haben. Seiner Ansicht nach ist Christ, wer an Jesus Christus glaubt. Mehrmals betont er: Keine noch so gute Tat rettet mich, als Christ muss ich nichts von mir aus tun – nur glauben. Ist es also egal, wie ich als Christ lebe? Jakobus scheint dem vehement zu widersprechen. Er hält einen Glauben ohne Werke – ohne Regeln, ohne praktische Taten – für tot. Also doch tun und machen, ackern und anstrengen, um errettet zu sein? Um die Verwirrung perfekt zu machen, bringen beide Abraham als Beispiel an. Kein Wunder, dass schon Luther seinerzeit daran verzweifelte, Paulus und Jakobus übereinzubringen. Wer hat nun Recht? Widerspricht sich die Bibel hier? Was bedeutet Christsein eigentlich und was hat es mit den guten Taten auf sich? Zeit, sich die Sache genauer anzusehen.
 

Paulus widerspricht den Irrlehrern

Die entscheidenden Aussagen von Paulus lesen wir dazu in Römer 3,21 - 4,1-25. Die zwei Hauptaspekte kommen in den Versen 23-24 und Vers 28 gut zur Geltung:

Denn alle haben gesündigt, und in ihrem Leben kommt Gottes Herrlichkeit nicht mehr zum Ausdruck, und dass sie für gerecht erklärt werden, beruht auf seiner Gnade. Es ist sein freies Geschenk aufgrund der Erlösung durch Jesus Christus.“ (Römer 3,23-24) „Denn wir gehen davon aus, dass man aufgrund des Glaubens für gerecht erklärt wird und nicht, weil man bestimmte Gesetzesvorschriften einhält (Römer 3,28).

 

Paulus macht klar: Jeder Mensch braucht die Vergebung seiner Sünden, da niemand schuldlos ist. Diese Vergebung bekomme ich aber nicht dadurch, dass ich das mosaische Gesetz einhalte, sondern nur deswegen, weil Jesus am Kreuz gestorben ist. Wenn ich das glaube und für mich an Anspruch nehme, gehöre ich zu Gottes großer Familie. Allein aus Gnade werde ich errettet und nicht, weil ich irgendetwas dafür getan hätte.

Paulus schreibt diese Worte an Judenchristen, also an Menschen, für die das Halten des Gesetzes ihr tägliches Brot war. Sie kannten es von klein auf und standen, seit sie die Botschaft von Jesus kannten, in einer ständigen Spannung zwischen Judentum und Christentum. Besonders durch die vielen Irrlehrer, die predigten, dass der Mensch sowohl den Glauben an Jesus als auch das Gesetz braucht, um in den Himmel zu kommen.1 Diesen Irrlehrern widerspricht Paulus vehement. Er will deutlich machen: Gottes Gesetz ist nicht aufgelöst – es macht ja nach wie vor Sinn – aber es rettet nicht!

Bester Beweis dafür ist Abraham. Er wurde als gerecht von Gott angesehen, weil er glaubte, nicht weil er bestimmte Regeln einhielt (Römer 4,3). Schon bevor Jesus da war, wurde der Mensch also durch Glauben und damit allein durch Gottes Gnade errettet. Das klingt doch gut. Aber heißt das nicht auch, dass ich nach meiner Bekehrung eigentlich tun und lassen kann, was ich will? Ich bin schließlich errettet, oder? 
 

Jakobus: Glaube hat Auswirkungen

Auf den ersten Blick scheint Jakobus 2,14-26 genau das Gegenteil zu predigen: Ein Glaube ohne Werke ist tot (Vers 17). Wenn ich keine guten Taten vorweisen kann, bin ich auch nicht wirklich gläubig (Verse 18f). Bester Beweis für Jakobus ist dafür ebenfalls Abraham. Denn er war bereit, seinen Sohn Isaak zu opfern. Durch diese Tat wurde er von Gott als gerecht erklärt (Vers 21). Predigt Jakobus also das Gleiche wie die Irrlehrer, gegen die Paulus angeht? Findet auch er, dass ich glauben und das Gesetz halten muss, um errettet zu werden? Wohl kaum. Wie also kann ich Jakobus richtig verstehen?

Jakobus richtet seinen Brief an eine Gruppe von Menschen, die gar nichts von den Problemen wusste, die Paulus zu seinem Brief motivierten. Die Gemeinschaft, an die Jakobus schreibt, hatte ein anderes Problem: Ihre Worte entsprachen nicht dem, was sie lebten. Sprich: Der Glaube bestand aus einem Lippenbekenntnis, das im Leben keine Auswirkungen zeigte. Das hatte wiederum zu Konflikten untereinander geführt, auf die Jakobus mit seinem Brief reagiert.2 Jakobus richtet sich an diese Menschen, um ihnen zu sagen: Etwas lediglich für-wahr-halten, macht keinen Nachfolger Jesu aus.

Und es ist genauso unlogisch, wie einem Hungernden sein Mitleid zu bekunden, und ihn gleichzeitig im Regen stehen zu lassen:

Angenommen, ein Bruder oder eine Schwester haben nicht genügend anzuziehen, und es fehlt ihnen an dem, was sie täglich zum Essen brauchen. Wenn nun jemand von euch zu ihnen sagt: »Ich wünsche euch alles Gute! Hoffentlich bekommt ihr warme Kleider und könnt euch satt essen!«, aber ihr gebt ihnen nicht, was sie zum Leben brauchen – was nützt ihnen das? Genauso ist es mit dem Glauben: Wenn er keine Taten vorzuweisen hat, ist er tot; er ist tot, weil er ohne Auswirkungen bleibt (Jakobus 2,15-17).

 

Für Jakobus ist Glaube also viel mehr als bloße Worte. Denn lediglich glauben, dass Gott existiert, tun auch die Dämonen (Jakobus 2,19). Glaube ist vielmehr eine Beziehung zu Gott, die mein ganzes Wesen verändert und folglich auch Auswirkungen hat, die für andere sichtbar sind.

Sieht man genau hin, widersprechen sich Paulus und Jakobus also nicht. Sie schauen nur von zwei unterschiedlichen Perspektiven auf ein Ereignis: die Errettung eines Menschen. Paulus spricht aus einer Perspektive, in der die Errettung noch in der Zukunft liegt. Er sagt: Wer in der Zukunft errettet werden will, der muss an Jesus glauben. Das Gesetz zu halten rettet nicht. Jakobus setzt die Errettung voraus. Er sieht von der Errettung aus in die Zukunft und möchte klarmachen: Wer glaubt und errettet ist, kann nicht mehr derselbe sein. Er ist mit Jesus gestorben und auferstanden und nun ein neuer Mensch (Römer 6,8-11).

Diese Komplettveränderung muss sich auch nach außen zeigen. Wenn ich aber auf Dauer gar keine Veränderung in meinem Denken und Handeln feststelle, sollte ich mich hinterfragen, ob meine Entscheidung für ein Leben mit Gott echt war oder ob ich vielleicht das falsche Verständnis davon habe, was Nachfolge eigentlich bedeutet. 
 

Warum Werke nicht gleich Werke sind

Paulus und Jakobus sprechen also von zwei unterschiedlichen Dingen. Das, was den Leser verwirrt, ist dabei vor allem die Wortwahl. Während Paulus unter Werken Gesetzeswerke versteht, versteht Jakobus unter dem Begriff Werke die Taten, die aus dem Glauben heraus folgen. Glaubenswerke und Gesetzeswerke sind jedoch zwei Paar Schuh. Die Glaubenswerke von Jakobus finden wir bei Paulus als „Frucht des Geistes“.3 Diese Früchte sind zuerst einmal keine gute Taten, vielmehr Charaktereigenschaften, aus denen gute Taten folgen, wie z. B.: Liebe, Freundlichkeit, Güte, Treue und Sanftmut (Galater 5,22-25).

Jakobus und Paulus sind sich also einig: Ein echter Glaube hat Auswirkungen. Und so lässt sich auch die unterschiedliche Deutung des Beispiels von Abraham erklären. Abraham wird von Gott als gerecht angesehen, weil er glaubte. Das möchte Paulus betonen. Jakobus fokussiert das, was aus diesem Glauben folgt: Abraham war bereit, seinen Sohn für Gott zu opfern. Diese Bereitschaft rettete ihn nicht, aber sie war der Beweis dafür, dass sein Glaube echt war, mehr als bloße Worte.

Das bestätigt auch der Schreiber des Hebräerbriefs, indem er sagt:

Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme (Hebräer 11,8).

 

Die Erlösung geht also immer dem veränderten Leben voraus. Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten, sagt auch Jesus in Johannes 14,15. Auch hier finden wir die gleiche Reihenfolge. Erst das Vertrauen und die Liebe zu Jesus, dann folgen daraus Taten. Diese Werke, die aus der Beziehung zu Gott resultieren, sind nichts, was ich aus mir heraus tue. Es sind die Werke, zu denen Gott mich durch den Heiligen Geist befähigt (Hebräer 13,20-21). Doch wie stelle ich das praktisch an, Glaubenswerke zu tun ohne gesetzlich zu werden? Und: Setzt mich das nicht erneut unter Druck, Gutes tun zu müssen, um anderen und mir selbst zu bestätigen, dass ich errettet bin?
 

Paul und Marleen: Wie man von beiden Seiten vom Pferd fallen kann

Marleen besucht eine christliche Gemeinde seit sie denken kann und entscheidet sich als Jugendliche selbst, diesen Glauben für sich in Anspruch zu nehmen. Sie mag ihre Gemeinde und arbeitet gerne im Musikteam und einem Hauskreis mit. Dennoch fühlt sie sich unterschwellig ständig unter Druck gesetzt. Viel zu viel Zeit verbringt sie ihrer Meinung nach mit unwichtigen Dingen. Sogar wenn sie montags zwei Stunden in den Sportverein geht, klopft ihr Gewissen an: Hätte sie die Zeit besser für Gott einsetzen sollen?

Paul kennt diese Gewissensbisse gar nicht. Er hat sich vor einigen Jahren auf einer Evangelisation bekehrt, erkannt, dass ein Leben mit Jesus der einzig richtige Weg ist, seine Sünden bekannt und ein Übergabegebet gesprochen. Die Freude war groß. Doch schaut man heute in Pauls Leben, sieht es genauso aus wie vor seiner Bekehrung. Zwar ist er regelmäßig in der Gemeinde anwesend und findet die Predigten auch gut, doch ist er noch genauso jähzornig wie früher, raucht und trinkt zu viel. Seiner Meinung nach sehen die meisten Christen alles etwas zu eng und sollten mehr Gottes Gnade predigen als irgendwelche Verhaltensregeln.

Paul hat richtig erkannt, dass er allein aus Gnade errettet ist, doch nimmt er diese Gnade als Totschlagargument, um seinen Lebensstil zu rechtfertigen. Marleen hingegen hat ständig ein schlechtes Gewissen, weil sie glaubt, nicht genug für Gott zu tun. Beide fallen vom Pferd, nur eben von unterschiedlichen Seiten. Doch wie finde ich das richtige Maß? Woher weiß ich, was Gott von mir möchte?
 

Verhaltensänderung versus Wesensänderung

Zuerst einmal ist es wichtig, sich bewusst zu machen, was Christsein nicht ist: Christsein bedeutet nicht, mein Verhalten den Erwartungen anderer anzupassen. Genauso heißt es aber auch nicht, zu bleiben wie ich bin. Gottes Ziel mit mir ist es, mein Wesen zu verändern und mich dadurch immer mehr zu der Person zu machen, die er sich ursprünglich mit mir gedacht hatte. Das ist eine Veränderung, die ich mir nicht äußerlich selbst aneigne, sondern die der Heilige Geist in meinem Inneren bewirkt (Philipper 2,13. 4,132. Korinther 3,5Johannes 14,15-17).

Paulus bezeichnet diese Wandlung als Ausziehen des „alten Menschen“. Wenn ich mich entscheide, Jesus nachzufolgen, heißt das schließlich nicht, dass ich plötzlich wie ausgewechselt bin. Ein Prozess beginnt, bei dem der alte Mensch aus- und der neue angezogen wird (Epheser 4,17-32Kolosser 3,1-17).

Diese Veränderung nennt die Bibel auch Heiligung. Sie bedeutet nichts anderes, als dass ich Jesus immer ähnlicher werde. Das kann konkret so aussehen, dass ich meinen Ärger über andere ablege und bereit werde zu vergeben. Dass ich ehrlich bin, auch wenn es mir Nachteile bringt. Oder nicht mehr über andere lästere, sondern für die Menschen bete, die mir unsympathisch sind. Das ist ein lebenslanger Prozess, der nicht ohne Hürden und Enttäuschungen ist. Oberflächlich eine fromme Maske anzuziehen ist schließlich nicht schwer. Doch alte Gewohnheiten und innere Einstellungen abzulegen und echte Liebe für meine Mitmenschen zu entwickeln, ist mit Arbeit verbunden, es kostet Überwindung, Kraft, Einsatz.

Wesensveränderung heißt, dass mein Innerstes zuerst verändert wird. Das sind Dinge, die man erst einmal von außen nicht sieht, die aber später Auswirkungen in meinem Handeln haben. Doch wie kann ich diese Veränderung erfahren und fördern? Das A und O ist meine Beziehung zu Jesus. Um ihm ähnlicher zu werden, muss ich meine Beziehung zu ihm pflegen. Schließlich kann ich nur werden wie er, wenn ich weiß, wie er ist.

Das erfahre ich zum Beispiel durch die Bibel, die mir nicht nur hilft, Gottes Wesen besser kennenzulernen, sondern mir auch klar macht, was Gott mit dem Menschen – mit mir – vorhat. Durch das Gebet kann ich ihn aktiv an meinem Leben teilhaben lassen und ihn bitten, mir die Augen für Dinge zu öffnen, die mich von ihm fernhalten oder mich noch im Griff haben.
 

Frucht bringt nur, wer in Gott bleibt

Wenn meine Beziehung zu Gott stimmt, wachse ich im Glauben und die Veränderung folgt automatisch. Jesus macht das an einem Bild deutlich:

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun (Johannes 15,5).

 

Genauso wie ein Baum Frucht trägt, wenn er gesund ist und alle Nährstoffe zur Verfügung stehen, so bringt auch der Mensch automatisch Frucht, wenn er ganz nah bei Gott ist.

Dennoch heißt das nicht, dass ich Däumchen drehen und warten kann, bis mein Charakter urplötzlich wie verwandelt ist. Das wird nicht geschehen. Ich muss aktiv an meiner Beziehung zu Gott arbeiten und offen für das Handeln des Heiligen Geistes sein, um von ihm verändert zu werden.

Zu diesem Aktivsein fordert Jesus seine Jünger im obigen Vers auf, indem er sagt: Bleibt in mir. Denn:

Wenn jemand nicht in mir bleibt, geht es ihm wie der unfruchtbaren Rebe: Er wird weggeworfen und verdorrt (Johannes 15,6).

 

Jesus nachfolgen bedeutet also, aktiv meine Beziehung zu Gott zu pflegen und zu gestalten. Nicht nur, weil ich damit Jesus ähnlicher werde, sondern auch weil Gott damit vor meinen Mitmenschen sichtbar wird (Johannes 15,8). Meine Einstellungen, meine Taten, meine Art und Weise, wie ich mit Menschen umgehe, all das ist ein Zeugnis für andere. Es macht Gottes Wesen für diejenigen sichtbar, die die Bibel vielleicht nicht mehr lesen, ihn aber durch mein Verhalten kennenlernen können (Matthäus 5,16). Die praktischen Taten, die aus meiner Beziehung zu Gott entstehen, sind die Werke, die wertvoll sind in Gottes Augen und für die er mich einmal belohnen wird (Johannes 3,211. Korinther 3,5-17Kolosser 3,24).

Es sind die Dinge, die ich nicht mit der Motivation tue, von anderen dafür Anerkennung zu bekommen, sondern Gott zu ehren (Matthäus 5,166,5-6).

So jedenfalls der Idealfall. Im Alltag wird mich diese Aufgabe oft vor Herausforderungen stellen: Auf der einen Seite möchte ich, dass meine Menschen meine Wesensveränderung bemerken und meine guten Taten sehen, damit Gott geehrt wird. Auf der anderen Seite soll mein Verhalten nicht aufgesetzt oder geheuchelt sein (Matthäus 6,1). Das ist nicht einfach umzusetzen, besonders wenn ich Verantwortung in einem Bereich meiner Gemeinde übernommen habe. Es kann sein, ich tue meine Aufgabe einmal aus vollstem Herzen für Gott. Ein anderes Mal habe ich keine Lust und mache meinen Job vor allem deswegen, weil ich eben muss und verantwortlich bin. In der Theorie weiß ich, dass meine Aufgabe sinnvoll und richtig ist, aber mein Herz ist nicht dabei.

Solche Phasen gehören zum Leben und ich muss mich deshalb nicht gleich verrückt machen. Aber ich sollte hellhörig werden und meine Motive neu überprüfen, wenn ich merke, dass ich eine Aufgabe dauerhaft ohne Freude und Lust mache.
 

Der Kompass

Es ist traurig und beruhigend zugleich: Ein perfekter Christ existiert nicht. Jeder wird sein Leben lang Laster haben, die er nicht loswird. Ich werde Jesus zwar ähnlicher, aber ich werde nicht wie er. Ich brauche immer wieder Vergebung. Auch verändere ich mich nicht ständig. Es gibt Phasen des Stillstandes oder Phasen, in denen ich nicht merke, dass Gott wirkt, obwohl er mitten in der Arbeit steckt.

Die guten Taten, die Gott durch die Veränderung meines Wesens bewirkt, sind daher eher vergleichbar mit einem Kompass. Wenn ich in den Bergen wandern gehe und ununterbrochen auf den Kompass schaue, werde ich unweigerlich stolpern und fallen. Der Kompass ist sinnvoll zur Orientierung, um ab und zu darauf zu schauen. Doch er sollte mir nicht die Sicht versperren. So ist es auch mit den sichtbaren Werken. Wenn ich in meinem Alltag nur noch damit beschäftigt bin, mein Handeln zu reflektieren, aus Angst, den falschen Weg zu gehen, wird mich das zu Fall bringen und einengen.

Viel sinnvoller ist es, ab und zu inne zu halten und mein Leben zu überdenken. Auf mein Handeln und mein Herz zu schauen, um zu überprüfen, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Ich kann mich beispielsweise fragen: Ist meine Beziehung zu Gott noch lebendig? Welche Charakterzüge machen mein Wesen aus: Stimmen sie mit den „Früchten des Geistes“ (Galater 5,22) überein? Welche Eigenschaften sollte ich lieber über Bord werfen? Gibt es Bereiche meines Lebens, in die Gott mir nicht reinreden darf? Wann habe ich das letzte Mal etwas mit Gott erlebt?

Mein Leben auf diese Weise zu überdenken, ist sinnvoll und notwendig. So kann ich erkennen, ob ich wie Paul meine persönliche Beziehung zu Gott vernachlässige und deshalb keine Veränderung erfahre. Oder ob ich wie Marleen dazu neige, gesetzlich zu werden. Ich darf Gott bitten, mir die Augen dafür zu öffnen und mir zu zeigen, woran ich arbeiten kann.

Mit Gott kann ich jederzeit einen Neustart wagen und deshalb brauche ich mich nicht demotivieren zu lassen. Vielmehr darf ich mich daran freuen, dass ich Teil von Gottes großem Plan bin. Er arbeitet zwar noch an mir, aber ich darf auch jetzt schon an seinem Reich mitarbeiten, so unperfekt wie ich bin (1. Korinther 3,8-9). Die Kraft dafür brauche ich nicht einmal selbst aufbringen. Dieses Wissen setzt mich nicht unter Druck, sondern setzt Energie frei. Thomas Schirrmacher fasst es kurz und prägnant zusammen, indem er sagt: „Gott erwartet von uns nur das, was er uns vorher geschenkt hat.“ 4

1 Heiko Krimmer (2000): Edition C Bibelkommentar zum Römerbrief. Hänssler Verlag, Holzgerlingen,  S. 10f.
Ralph P. Martin & Peter H. Davids (1997): Dictionary of the later New Testament & its developments. Inter Varsity Press, S. 368 3 Fritz Grünzweig (1973): Wuppertaler Studienbibel. Der Brief des Jakobus. R. Brockhaus Verlag, Wuppertal, S. 85
4 Thomas Schirrmacher (2009): Ethik. Das Gesetz der Freiheit. Bd. 4. Reformatorischer Verlag, Hamburg, S. 67

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