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Jesus? Nie gehört!

Glaubens-FAQ / Lesezeit: ~ 10 min

Autor/-in: Joachim Bär

Jesus? Nie gehört!

Jesus sagt: Niemand kommt zu Gott, denn durch mich. Doch viele Menschen hatten nie die Chance, von ihm zu hören. Steht es schlecht um die Gerechtigkeit Gottes?


Über 6 Milliarden Menschen leben auf der Erde. Viele davon haben noch nie eine Kirche von innen gesehen, geschweige denn etwas von Jesus gehört. Logischerweise können sie nicht die Botschaft von Jesus annehmen.

Diese Tatsache wird umso problematischer, wenn man Johannes 14,6 hinzunimmt. Hier sagt Jesus, dass niemand zu Gott kommen kann – es sei denn durch ihn. Die logische Konsequenz scheint, dass alle Menschen, die noch nichts von Jesus gehört haben, niemals zu Gott kommen können und somit verloren gehen.

Das wäre aber eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit! Viele Menschen können ja nichts dafür. Sie hatten keine Chance. Waren sie einfach zur falschen Zeit am falschen Ort? Aber wie soll das zu einem Gott passen, der angeblich gerecht und voller Liebe ist? Gingen all diese Menschen verloren, wäre es mit der Gerechtigkeit und Liebe Gottes nicht weit her.
 

Erste Antworten

Die Frage bewegt schon einige Zeit die Gemüter. Mehrere Antworten haben sich ergeben:

  • Die einen überlassen das gesamte Thema der Souveränität Gottes. Gott kann demnach selbst entscheiden, wen er retten will und wen nicht. Wer könnte ihn beschuldigen, wenn er Menschen verloren gehen lässt? Da er gerecht ist, wird er schon das Richtige tun.
  • Andere gehen davon aus, dass Gott letztlich doch alle retten wird (Allversöhnung). Denn wie könnte ein Gott, der Liebe ist, Menschen verloren gehen lassen?
  • Wieder andere denken, dass es mehrere Wege zu Gott gibt. Andere Religionen sollen also ebenso einen Weg zu Gott beschreiben.

Die Antworten haben alle etwas für sich und sind intellektuell sogar teilweise befriedigend. Trotzdem passt keine der Lösungen 100%ig zur Gesamtaussage der Bibel. Wir kommen nicht umhin, genauer in der Bibel nachzusehen.
 

Der biblische Bezugsrahmen

Bei der Frage sind mehrere biblische Bezüge zu beachten: Vor Gott ist jeder Mensch ein Sünder, wie man es auch dreht und wendet (Römer 3,23). Auch hier könnte man meinen, das sei ungerecht – denn was soll die Schuld von Babys z.B. sein? Aber der Mensch ist nicht nur Sünder, weil er Sünde tut, sondern auch, weil er Sünder IST. Seit dem Sündenfall ist die menschliche Natur grundsätzlich verdorben. Kein Mensch ist davon verschont. Die Trennung, die seit 1. Mose 3 zwischen Gott und Mensch besteht, ist grundsätzlich und betrifft jeden Menschen.

Die logische Folge dieser Trennung ist der Tod, die endgültige Trennung von Gott (Römer 6,23). Diese hat auch Folgen, die über den irdischen Tod hinausreichen. Jesus wurde gesandt, um diese logische Folge aufzubrechen. Er nahm die Schuld aller Menschen auf sich und machte die Gemeinschaft mit Gott wieder möglich. Jeder, der ihm vertraut und sich an ihn hängt, kann gerettet werden (Johannes 3,16).

Wie schon erwähnt: Die Bibel spricht davon, dass es keinen Weg an Jesus vorbei gibt. Niemand kann gerettet werden, außer durch Jesus (Johannes 14,6Apostelgeschichte 4,12). Darüber hinaus macht die Bibel einerseits klar, dass nicht alle Menschen gerettet werden (z.B. 2. Thessalonicher 1,9). Andererseits will Gott aber, dass alle Menschen gerettet werden (1. Timotheus 2,4). Er wird als ein Gott beschrieben, der nicht schnell zornig wird (Psalm 145,8f.). Sein ganzes Wesen wird als Liebe beschrieben (1. Johannes 4,8). Seine Gnade ist nicht auf eine kurze Zeit beschränkt und auch nicht nur auf einige wenige Leute. Gott ist außerordentlich gnädig und barmherzig (Matthäus 9,13).

Gott ist gerecht (1. Mose 18,25Jesaja 30,18). Es gibt also keinen Zweifel daran, dass er beim „Jüngsten Gericht“ fair urteilen wird. Genauso klar ist aber auch, dass er Schuld nicht einfach übersehen kann – sonst wäre er nicht mehr gerecht.

In der ewigen Gemeinschaft mit Gott werden einmal Angehörige aller Völker, Nationen und Stämme dabei sein (Offenbarung 7,9Offenbarung 5,9) – und das nicht zu knapp. Denn Johannes sieht eine unzählbar große Anzahl dieser Menschen aus allen Regionen der Erde! Auch Matthäus 24,31 bestätigt das.

All diese Bezüge müssen wir im Hinterkopf haben, wenn wir über die Frage weiter nachdenken.
 

Wie Gott sich offenbart hat

Die Frage berührt eine Sache besonders: die Offenbarung Gottes. Denn letztlich stellt sich die Frage, warum sich Gott nur einem bestimmten Volk zu einer bestimmten Zeit und durch bestimmte Personen offenbart hat. Warum hat er sich nicht allen Menschen zu erkennen gegeben, so dass alle die gleiche Chance haben, gerettet zu werden?
 

In der Schöpfung

Paulus geht auf diese Frage ein und führt aus, dass sich Gottes Offenbarung nicht auf Jesus Christus engführen lässt. Letztlich hat jeder Mensch die Möglichkeit, Gott in gewissem Maß zu erkennen: „Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit der Schöpfung der Welt ersehen aus seinen Werken, wenn man sie wahrnimmt, so dass sie keine Entschuldigung haben.“ (Römer 1,19-20)

Für Paulus ist klar: Niemand kann sagen, er hätte nichts gewusst. Das Universum und die Schöpfung der Erde sprechen so deutlich für einen Schöpfer. Diese natürliche Offenbarung ist jedem Menschen zugänglich. Natürlich ist sie sehr begrenzt. Ein schöner Sonnenuntergang erklärt niemandem, wie er zu Gott kommen kann. So beeindruckend die Natur auch sein mag – auf einen persönlichen Retter kann man nicht schließen. Trotzdem kann man erahnen, dass es einen Schöpfer hinter dem Ganzen geben muss – eben Gott. Das bestätigen auch Psalm 19,2-7 und Apostelgeschichte 14,17.
 

Das Gewissen

Dazu kommt das menschliche Gewissen. Auch wenn es nicht unfehlbar ist und beeinflusst werden kann, hat jeder Mensch von Gott einen Sinn für eine moralische Ordnung bekommen. Jeder Mensch kann dementsprechend handeln und sich für gut und böse, für richtig und falsch entscheiden (Römer 2,14-15). Und Paulus betont, dass selbst diejenigen z.T. so handeln wie es Gottes Wille ist, die noch nie etwas von Gottes Anforderungen gehört haben. Natürlich kann jeder Mensch auch trotz natürlicher Offenbarung und Gewissen einen falschen Weg einschlagen, was zum großen Teil an der kulturellen Prägung liegt. Die persönliche Verantwortung wird dadurch aber nicht völlig aufgehoben.
 

Außerhalb des damaligen Israel

Außerdem hat Gott vielen Menschen gezeigt, wie er ist – und das, bevor es die Bibel in ihrer heutigen Form gab. Angehöriger verschiedener Völker waren dabei. Melchisedek hatte z.B. ein großes Wissen von Gott (1. Mose 14). Bileam bekam Offenbarungen von Gott, auch wenn er nicht allen gehorchte (4. Mose 22). Der babylonische König Nebukadnezar war in Kontakt mit Gott (Daniel 4) und Hiob präsentiert uns eine ausgeprägte, tiefgehende Theologie. Abrahams Verwandte wussten von Gott (1. Mose 24) und Abel, Henoch und Noah werden als Helden des Glaubens bezeichnet (Hebräer 11).

All das bedeutet, dass Gott sich auf verschiedenste Weisen offenbart hat. Menschen wissen von ihm und von der möglichen Beziehung zu ihm – auch vor Jesus. Diese Beobachtungen zeigen, dass Gottes Offenbarung nicht so eng ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Und man kann zumindest vermuten, dass das auch heute so ist.

Gott hat sich also fortschreitend geoffenbart. Die klarste und endgültige Offenbarung geschah jedoch in Jesus Christus. Dennoch zeigt der Blick in die gesamte Bibel, dass die Möglichkeiten Gottes nicht auf diese klarste Offenbarung beschränkt zu sein scheinen.
 

In der Zeit vor Jesus

Die Zeit vor Jesus ist besonders interessant für die Frage. Denn erstens gab es damals viele Menschen, die logischerweise nichts von Jesus wissen konnten. Zweitens konnten aber selbst diejenigen, die mit Gott in Kontakt waren, noch nichts von Jesus wissen. Und wenn Gott wirklich liebend und gerecht ist, stellt sich die Frage: Was war sein Plan mit all diesen Menschen? Waren sie ihm egal?

Sicher nicht. Das macht einerseits die Geschichte von Jona deutlich. Im Auftrag Gottes soll er die Stadt Ninive vor der Strafe Gottes warnen. Diese Menschen waren Gott nicht egal, wie folgender Vers deutlich macht: „Und ich, ich sollte nicht betrübt sein wegen der großen Stadt Ninive, in der mehr als 120.000 Menschen sind, die nicht unterscheiden können zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken, und eine Menge Vieh?“ (Jona 4,11)

Hier wird Gottes Gnade und sein Mitfühlen besonders deutlich. Ihm ist es nicht egal, wenn Menschen in die Irre gehen. Es bricht ihm das Herz, wenn er das ganze Elend sieht. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Andererseits bezeugt die Bibel auch, dass Menschen aus der Zeit des Alten Testamentes vor Gott bestehen konnten. Dass sie einmal in der Ewigkeit bei Gott sein werden, steht außer Frage (z.B. in Matthäus 8,11). Abrahams Schoß ist ein Synonym für das Paradies (Lukas 16,23). Und in Hebräer 11 werden, wie schon erwähnt, einige Leute als Helden des Glaubens präsentiert. Diese Menschen wurden gerettet, ohne zuvor von Jesus gehört zu haben. Sie wurden gerettet, weil sie an einen Gott geglaubt haben, der rettet. Und diejenigen heute, die noch nichts von Jesus gehört haben, befinden sich in einer ähnlichen Lage. Ist es für sie nicht auch möglich, in der Art und Weise Gott zu begegnen wie den Helden des Glaubens im Alten Testament?
 

Schon damals: Durch Jesus

Letztlich ist selbst die Rettung der alttestamentlichen Gläubigen auf Jesus zu beziehen. Das macht z.B. Hebräer 11,13 deutlich:„Voll Glauben sind diese alle gestorben, ohne das Verheißene erlangt zu haben; nur von fern haben sie es geschaut und gegrüßt und haben bekannt, dass sie Fremde und Gäste auf Erden sind.“

Obwohl diese Menschen vor Jesus lebten, hofften sie auf den kommenden Messias. Zum Beispiel Mose: „Er hielt die Schmach des Messias für einen größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens; denn er dachte an den künftigen Lohn.“ (Hebräer 11,26) Daher hatten auch alttestamentliche Gläubige einen Glauben an den Messias, also Jesus. Das beinhaltet nicht das Wissen um alle Details seines Lebens und Wirkens. Wohl aber die Hoffnung und das Vertrauen auf Gottes Zusage, diesen Retter zu senden (s.a. Johannes 5,39). Es wird deutlich: Johannes 14,6 widerspricht nicht den Aussagen im Alten Testament.

Bleiben noch die Menschen, die nicht zum Volk Israel gehörten. Noch einmal sei darauf hingewiesen, dass in der Bibel eine ganze Reihe von Menschen erwähnt werden, die von Gott wussten, obwohl sie nicht zu Israel gehörten (s.o.). Wie Gott sich ihnen offenbart hat, ist nicht völlig klar. Dieser Gedanke eröffnet aber die Hoffnung, dass Gott auch heute auf ähnliche Art und Weise handelt.

Außerdem macht Paulus auf dem Areopag in Athen eine wichtige Aussage zu diesem Aspekt: „Gott, der über die Zeiten der Unwissenheit hinweggesehen hat, lässt jetzt den Menschen verkünden, dass überall alle umkehren sollen.“ (Apostelgeschichte 17,30) Die Betonung in diesem Vers liegt natürlich darauf, dass eine neue Zeit angefangen hat. Trotzdem macht die Aussage auch klar, dass Gott gnädig ist. Er sieht sogar gnädig über die Verfehlungen hinweg, die Menschen in ihrer Unwissenheit über die Person Jesus begangen haben. Unwissenheit an sich ist für ihn keine Strafe wert.
 

Und heute?

Wenn Gott Unwissenheit damals nicht bestraft hat, gibt es keinen besonderen Grund für die Annahme, dass er es heute tut. Gott bleibt gnädig und gerecht. Der Römerbrief unterstreicht das: Niemanden wird Gott dafür bestrafen, dass er die Frohe Botschaft von Jesus noch nicht gehört hat. Worauf es ihm bei diesen Menschen ankommt, sind die Taten und die dahinter stehenden Motive: „Er wird jedem vergelten, wie es seine Taten verdienen: denen, die beharrlich Gutes tun und Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit erstreben, gibt er ewiges Leben, denen aber, die selbstsüchtig nicht der Wahrheit, sondern der Ungerechtigkeit gehorchen, widerfährt Zorn und Grimm. Not und Bedrängnis wird jeden Menschen treffen, der das Böse tut, zuerst den Juden, aber ebenso den Griechen; Herrlichkeit, Ehre und Friede werden jedem zuteil, der das Gute tut, zuerst dem Juden, aber ebenso dem Griechen; denn Gott richtet ohne Ansehen der Person.“ (Römer 2,6-11)

Dazu noch Vers 13: „Nicht die sind vor Gott gerecht, die das Gesetz hören, sondern er wird die für gerecht erklären, die das Gesetz tun.“ (Römer 2,13) Das ist eindeutig. Es kommt bei diesen Menschen mehr auf das Tun als auf das Wissen an. Der Grad der Information ist zweitrangig. Jeder ist dafür verantwortlich, wie er sein Leben gelebt hat – nicht dafür, dass ihn die Frohe Botschaft von Jesus noch nicht erreicht hat.
 

Fazit

Ganz auflösen lässt sich die Frage nicht. Denn einerseits kommt niemand an Jesus vorbei. Andererseits hat Gott seine Gnade so deutlich gemacht – auch außerhalb von Israel und vor Jesus. Man muss also die ganze Bibel bei dieser Frage zu Wort kommen lassen.

Wenn Gott Menschen annimmt, dann nur aufgrund dessen, was Jesus getan hat. Dass diese Aussage auch im Hinblick auf die alttestamentlichen Geretteten zutrifft, wurde aufgezeigt. Das gilt auch für Menschen, die noch nichts von Jesus gehört haben, die aber durch ihre Taten dem Willen Gottes entsprechen.

Letztlich weiß nur Gott, wer gerettet werden wird. Dass er gerecht und gnädig handeln wird, steht außer Frage. Er wird niemanden dafür verurteilen, dass er nichts wusste bzw. nicht wissen konnte.

Und wer sich über diese Frage sehr viele Gedanken und Gott sogar Vorwürfe macht, sollte schnell von der theologisch-intellektuellen Ebene herunterkommen und die Ausrichtung der Bibel in dieser Frage ernst nehmen: Die Frohe Botschaft muss weitergesagt werden. Den Rest wird Gott recht machen.


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 Joachim Bär

Joachim Bär

  |  Unit Leader erf.de / Antenne

Koordiniert die übergreifenden Themen der redaktionellen Angebote des ERF. Er ist Theologe und Redakteur, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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