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Des Elifas erste Rede (1)

Friedhelm Ackva über Hiob 4,1–21.

Vorschaubild: Hiob 4

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Hiob 4

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Einer muss das Eis brechen

Einer muss den Anfang machen. Sieben Tage und sieben Nächte saßen die drei Freunde bei dem geschundenen und vom Schicksal, nein: vom „Satan“ so geschlagenen Hiob und sagten kein Wort. Was für eine Leistung! Das bekommt keiner von uns geschulten oder selbsternannten SeelsorgerInnen oder TrauerbegleiterInnen hin: Eine Woche lang mit dem so leidgeprüften Menschen zu schweigen …

Wie schnell sind wir alle bei der Hand mit Trostworten: „Ich kann dich gut verstehen“,  „Ich habe Ähnliches erlebt“,  „Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand!“, … Gut gemeinte Aufmunterungen. Man muss ja was sagen. Fürs Schweigen werden Pfarrer ja nicht bezahlt, oder?

Ein katholischer Bischof in Südamerika, der auf seinem Sterbebett lag und der viele Schmerzen hatte, hat im Beisein einiger Priester weinend Abbitte getan für all seinen billigen Trost, den er im Laufe seines Seelsorgerlebens anderen gespendet hat. Denn er hatte nicht geahnt, wie dreckig es einem Gegenüber gehen kann. Jetzt spürte er selbst etwas von dem tiefen Elend, das Menschen ereilen kann und wo kein Trostwort so richtig ankommen mag. Da hilft vielleicht nur das solidarische Schweigen und Seufzen.

Worte zurückhalten, wer kann´s?

Aber nach sieben Tagen und Nächten des Schweigens wagt es doch endlich einer, den Anfang zu machen. Elifas von Teman sagt: „Hiob, du hast’s vielleicht nicht gern, wenn man versucht mit dir zu reden; aber Worte zurückhalten, wer kann´s?“ (V.2) So entschuldigt Elifas vorsichtig sein Jetzt-doch-endlich-reden-Wollen. Und dieser Satz wirft noch einmal einen anderen Blick auf Hiob und die drei schweigenden Freunde. Sie wussten wohl aus Erfahrung, dass der Hiob ein kluger Diskutierer ist. Dass er wohl der weiseste unter ihnen ist. Der früher immer das letzte Wort haben wollte.

So wie der Theologe Karl Barth, von dem erzählt wird, dass ihm ein anderer Professor mal vorhielt: „Du willst immer recht haben, Karl!“ Barth entgegnete darauf lachend: „Nein. Ich habe halt immer recht!“ [Eberhard Busch: Meine Zeit mit Karl Barth. Tgb. 1965-1968. GÖ 2011, S. 17]

Einem solchen Typen kann man schlecht beikommen. Was soll man ihm sagen? Wird er in seiner großen Not vielleicht zynisch oder aggressiv, so wie Hiob es gegenüber seiner eigenen Ehefrau war: „Du redest, wie die törichten Weiber reden …!“ (2,10a).

Elifas hat Mut – wie ein Elefant. Und argumentiert dann unvermittelt, fast schon wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen: Er haut dem rechtschaffenen Hiob den sogenannten „Tun-Ergehens-Zusammenhang“ um die Ohren. Will sagen: Dein Zustand, dein Ergehen muss etwas mit deinem Tun zu tun haben. Du bist irgendwie doch selbst daran schuld, dass es dir so übel ergeht. Von nichts kommt nichts. Das liegt im Prinzip der Gerechtigkeit. „Bedenke doch: Wo ist ein Unschuldiger umgekommen? Oder wo wurden die Gerechten je vertilgt (V.7a)?“

Der Lauf der Welt

So fragt Elifas den Hiob. Und uns. Und wir könnten entgegnen: ‚Elifas, natürlich passiert das immer wieder, am laufenden Meter. Schau doch in die Welt! Wie oft sind unschuldige Kinder Opfer von Gewalt! Werden unschuldige Zivilisten im Krieg vernichtet. Frauen misshandelt und getötet, nur weil sie sich nicht genug wehren konnten. Die Streiter für Gerechtigkeit sind oft die Ersten, die von einem Unrechtsregime ausgeschaltet werden. – Und dann stimmt auch nicht dein Umkehrsatz: „Die da Frevel pflügten und Unheil säten, ernteten es auch ein (V.8).“ Nein, oft kommen doch die Mafiosi der Geschichte davon und manches Verbrechen wird nie aufgedeckt, jedenfalls nicht auf der Erde und von menschlichen Gerichten. Ach, der allzu einfache Tun-Ergehens-Zusammenhang trägt nicht in der Realität!‘

Hiob schweigt. Vorerst. Im Laufe des Hiob-Buches, soviel sei verraten, werden diese ach so klugen Reden des Elifas und der anderen relativiert. Die Hiob-Geschichte steht gerade deswegen in der Bibel, um unsere menschlichen und gut gemeinten Ratschläge und Trostworte ihrer manchmal zerstörerischen Macht zu entkleiden. Manchmal sind unsere Worte doch hohl. Hätten wir doch besser weiter geschwiegen! 

Aber es muss ja doch auch etwas geredet werden. Auch in schlimmen Situationen, auch bei tragischen Todesfällen oder Katastrophen, dann, wenn es einem eigentlich die Sprache verschlagen hat. Wir sind oft in der Zwickmühle, die besagter Karl Barth im Blick auf das Reden von Gott so formuliert hat: „Wir können eigentlich nicht von Gott reden – aber wir müssen es doch immer wieder tun.“ 

Schweigende Anbetung

Gerade im Hiobbuch wird uns Gott als der „ganz andere“ und unverfügbare Schöpfer vor Augen geführt, den wir nur schweigend anbeten sollten. Und doch will gerade dieser Gott, dass wir auch von ihm reden. Und wir tun es in Predigt, Unterricht und Seelsorge. Auch auf die Gefahr hin, dass wir uns dabei auch mal vertun und ins Stammeln kommen. Und schuldig werden gegenüber den Verletzten.

„Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott oder ein Mann rein sein vor dem, der ihn gemacht hat?“, fragt Elifas gegen Ende unseres 4. Kapitels (V.17). Herausgelöst aus dem Kontext seiner seelsorglichen Rede versöhnt mich dieser Satz des Elifas etwas mit ihm. Er stellt sich selbst als hilflos und bedürftig dar. Ich bin auch nur solch ein Mensch, der nicht alles richtig macht. Und wenn es nach dem Tun-Ergehens-Zusammenhang ginge, dann hätte doch auch ich ein ähnliches Schicksal verdient wie Hiob.

Diese ehrliche Haltung erinnert mich an den Römerbrief des Paulus (3,23f.): „Wir sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den wir bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.“

Die Strafe liegt auf Ihm

Also: Letztlich durchbricht eben Jesus Christus den immer wieder bei Menschen durchscheinenden Tun-Ergehens-Zusammenhang: Die Guten haben es gut im Leben und die Bösen werden bestraft. Nein: „Die Strafe liegt auf Ihm – auf Christus am Kreuz – und durch seine Wunden sind wir geheilt (Jes 53,5)!“

Letztlich wird so auch ein Hiob geheilt, der von solch einem Erlöser nur etwas ahnte (19,25a). Aber ich will nichts vorwegnehmen. Bleiben Sie dran an den täglichen Auslegungen zu diesem spannenden Buch der Bibel und der großartigen Weltliteratur! Es hat etwas mit unserem Leben zu tun.

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Kommentare (1)

Gerhard S. /

Wie ist es möglich, dass der Schreiber des Hiobbuches über die Gespräche zwischen Hiob und seinen Freunden berichten konnte. Gibt es dafür eine Erklärung?