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© E. Vetter

27.01.2017 / Interview / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Andreas Odrich

Glaube ist immer Freiheit

Ein Interview mit dem Vorsitzenden der DEA Ekkehart Vetter. Teil 1.

Zum Auftakt des neuen Jahres und zum Auftakt seiner Amtszeit als Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA)hat der Theologe und Präses des Mülheimer Verbands Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden, Ekkehart Vetter, ERF Medien besucht. In Calando auf ERF Plus hat Vetter im Interview mit Andreas Odrich zu grundsätzlichen Fragen im Blick auf sein Amtsverständnis und im Blick auf die Evangelische Allianz Auskunft gegeben. Einige der wichtigsten Passagen präsentieren wir in zwei Textbeiträgen. Fragen und Antworten sind der Lesbarkeit halber sinnvoll zusammengefasst.

ERF: Wenn wir rund 100 Jahre zurückblicken, hat es damals mit der sogenannten Berliner Erklärung einen tiefen Graben zwischen der Evangelischen Allianz und den charismatisch, pfingstlich orientierten Gemeinden und Denominationen gegeben. Heute sind Sie als Präses eines Gemeindebundes mit charismatisch-pfingstlicher Tradition Vorsitzender der DEA. Empfinden Sie an dieser Stelle so etwas wie Triumph oder Freude?

Ekkehart Vetter: Nein, das ist nicht Triumpf. Damals sind Fehler auf beiden Seiten gemacht worden. Da müsste man jetzt ins historische Detail gehen, aber es hat dann ja immer wieder auch versöhnende Schritte aufeinander zu gegeben. Auch in jüngerer Zeit. Und dass ich jetzt den Vorsitz der Deutschen Evangelischen Allianz einnehme, ist Ausdruck geistlicher Normalität geworden. Das macht auch das sehr vertrauensvolle Wahlergebnis deutlich. Ich finde das gut so.

Ich glaube auch nicht, dass wir irgendwelche extremen Positionen vertreten, sondern wir sagen, dass der Heilige Geist als dritte Person der Gottheit einen ganz zentralen Stellenwert hat auch in der Theologie. Da geht es manchmal nur um ein paar Formen und Dinge, die man vielleicht klassischer Weise Pfingstlern unterstellt. Da mag es auch Fehler hier und da gegeben haben. Aber im Großen und Ganzen, glaube ich, dass die Betonung der Wirksamkeit und Wirkung des Heiligen Geistes für jeden Christen zentral ist.

Was sagt die Bibel zu Homosexualität?

ERF: Ein Streitpunkt in der jüngsten Vergangenheit innerhalb der Deutschen Evangelischen Allianz war der Umgang mit dem Thema Homosexualität und mit homosexuell empfindenden Menschen in Gemeinden, die sich mit der Allianz verbunden wissen. Wie gehen Sie mit diesem Thema um?

Ekkehart Vetter: Ich leide ein bisschen darunter, dass diese Frage so in den Mittelpunkt gerückt wurde. Es ist eine ethische Frage, von mir aus auch eine wichtige ethische Frage, aber sie ist fast zum Status Confessionis, also zum Bekenntnisstatus geworden. Wie man in dieser Frage denkt, daran entscheidet sich heutzutage wer weiß wie viel. Von daher würde ich eigentlich gerne zur Deeskalation in dieser Frage beitragen und sagen: Es gibt so viele wichtige Themen und wir sollten uns nicht zentral immer wieder um diese eine Frage drehen.

Aber gut, ich will sie natürlich trotzdem beantworten. Auf der einen Seite gibt es die Schöpfungsordnung, die durch die Schöpfungsgeschichte klar ist und die Jesus ja ganz ausdrücklich unterstreicht. Also dass ein Mann und eine Frau in Treue ihr Leben miteinander leben und miteinander Sex haben sollen, und dass das sehr gut ist. Ich würde an dieser Stelle nie einer homosexuellen Trauung das Wort reden können, sondern da gehören Mann und Frau zueinander. Auf der anderen Seite ist es so: Die Liebe Gottes gilt jedem Menschen. Das gilt nicht nur für homosexuelle Menschen, sondern auch für Menschen, die ganz andere Lebensauffassungen als ich in anderen Fragen haben. Das Erste, was ich tun soll: Ich soll sie im Auftrag Gottes lieb haben und wertschätzen, obwohl sie anders denken, obwohl sie anders handeln. Und ich glaube, da ist auch ganz viel schief gelaufen in unserer Geschichte in der Begegnung mit homosexuellen Menschen.

Das Zweite ist: Die Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin in Johannes 8 macht deutlich, dass er zwar das Handeln dieser Frau nicht billigt und ihr sehr deutlich zum guten Schluss sagt: Geh hin und sündige hinfort nicht mehr. Aber zunächst sagt er vorher den Frommen: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Also Es geht nicht um Verurteilung von Menschen, sondern es geht auch darum, in den Spiegel zu schauen und zu sehen, dass ich selbst auch nicht fehlerlos bin und an dieser Stelle ebenso wenig wie ich selbst verurteilt werden möchte, andere nicht verurteilen darf. Das Dritte ist sicher, dass die biblischen Texte an dieser Stelle eindeutig sind und an keiner Stelle, weder im Alten noch im Neuen Testament, Homosexualität in irgendeiner Form positiv beschreiben, sondern eben als nicht dem Willen Gottes entsprechend thematisieren.

ERF: Was heißt das nun für den Umgang mit homosexuell empfindenden Menschen in Gemeinden?

Ekkehart Vetter: Die Differenzierung ist da eindeutig, ob jemand in einer homosexuellen Partnerschaft lebt und das auch offensiv und werbend lebt oder ob er enthaltsam lebt. Es gibt homosexuelle Menschen in unseren Gemeinden, gar keine Frage, und wir heißen sie willkommen und sie sollen gerne da sein. Und wenn sie das tun, was wir ja auch jedem heterosexuell empfindenden Singleempfehlen, nämlich enthaltsam zu leben, ist es überhaupt kein Problem. Menschen sind unter uns und sie dürfen mitarbeiten und sie sind da.

Wie verstehen Sie den Heiligen Geist?

ERF: Welche Gemeinden und welche Christen können und sollten sich heute, 2017, an der Deutschen Evangelischen Allianz beteiligen?
Ekkehart Vetter: Die Allianz sind die, die teilnehmen, die dabei mitmachen, wozu die Allianz einlädt. Und da wird nicht so sehr gefragt: Zu welcher Kircher oder Gemeinde gehörst du? Wer im Gottesdienst das Apostolikum spricht, der hat eine Schnittmenge von 90 Prozent zur Glaubensbasis der Evangelischen Allianz.

ERF: Dennoch haben Christen aus den Landeskirchen und verschiedenen Freikirchen immer noch Vorbehalte gegenüber charismatisch ausgerichteten Gemeinden, die sich an der Allianz beteiligen. Was sagen Sie denen?

Ekkehart Vetter: Im Grunde müsste ich zurückfragen, was eigentlich eine charismatische Strömung ist. Wenn das Singen bestimmter Lieder gemeint ist, dann würde ich sagen, sollten sich alle Beteiligten entspannen und sich freuen, dass es unterschiedliches Liedgut in der Christenheit gibt. Das ist überhaupt kein Problem. Wie ich schon sagte, ist der Heilige Geist für jeden Christen von zentraler Bedeutung. Er erklärt uns Jesus. Er hilft, dass wir beten können. Bei diesen Auseinandersetzungen geht es oft um Formfragen, die weniger basistheologisch sind, sondern einfach an bestimmten Formen festgemacht werden.

Vielleicht ist damit auch gemeint, dass es Christen in diesem Spektrum gibt, die manchmal unsensibel und massiv auftreten. Das mag schon sein. Aber ich glaube nicht, dass das vom Grundsatz her, von der Theologie her, gemeint ist. Sondern hier heißt es doch, dass wir Vater, Sohn und Heiligen Geist haben. Und so sehr wir den Vater anbeten und durch den Sohn erlöst sind, so soll der Heilige Geist in uns wohnen und das soll Auswirkungen haben in Form von Früchten des Geistes, um es mal paulinisch zu sagen. Das sind die Gaben des Geistes, die Gott schenkt, um es ebenfalls paulinisch zu sagen. Und das ist für jeden Christen von Bedeutung. Der muss nicht charismatisch oder evangelikal oder sonstwie sich zuordnen. Da reicht es, einfach zu sagen: Ich bin Christ. Ich glaube an Jesus. Dann habe ich den Heiligen Geist ganz bitter nötig.

Glaube ist immer Freiheit

ERF: In verschiedenen Medienberichten vor allem in der öffentlich-rechtlichen Fernsehberichterstattung wurden in den letzten Jahren Gemeinden aus dem charismatischen Raum gezeigt, die einen gewissen Druck ausüben, etwa im Blick auf Heilung. Wie sehen Sie das und wie gehen Sie damit im Mülheimer Verband um?

Ekkehart Vetter: Glaube ist immer Freiheit und darf nie druckvoll begegnen auch in seinen Herausforderungen und Anforderungen. Wenn es zum Beispiel um das Thema Heilung geht, schauen wir ins Neue Testament und sagen: Eine gesunde biblisch orientierte Praxis des Krankengebets, des Heilungsgebets, sollte in jeder Kirche ihren Platz haben. Jesus hat für Kranke gebetet. Paulus und die Apostel haben für Kranke gebetet. Also es geht nicht darum, das Heilungsgebet zu verurteilen, aber es braucht eine an der Bibel orientierte Praxis. Und die darf nie druckvoll sein. Jesus hat auf sehr unterschiedliche Weise mit Kranken gebetet. Es geht nicht um Schema F, sondern es geht darum, Menschen so zu begegnen, dass ein Krankengebet für sie zugänglich ist. Es muss immer Freiheit da sein und Menschen müssen sich eingeladen wissen und auch sagen dürfen: „Das reicht mir jetzt“. Wo man diese Grenze überschreitet, muss man sich korrigieren.

ERF: Vielen Dank für das Interview.

 Andreas Odrich

Andreas Odrich

  |  Redakteur

Er verantwortet die ERF Plus-Sendereihe „Das Gespräch“. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist begeisterter Opa von drei Enkeln. Der Glaube ist für ihn festes Fundament und weiter Horizont zugleich.

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Kommentare (1)

Robert R. /

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