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© ScM R. Brockhaus

18.02.2015 / Rezension / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Claas Kaeseler

Gott im Fadenkreuz

Lennox beweist in „Gott im Fadenkreuz“: Glaube und Intelligenz schließen einander doch nicht aus.

Im Oktober 2008 fuhren einige ungewöhnlich bedruckte Londoner Busse durch die Straßen der englischen Hauptstadt. In großen Lettern war folgende Nachricht auf ihnen zu lesen: „There’s probably no god. Now stop worrying and enjoy your life.” (Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Also hören sie auf, sich Sorgen zu machen und genießen Sie Ihr Leben.) Unterstützt wurde diese Werbekampagne unter anderem von Richard Dawkins – dem bekanntesten Verfechter des sogenannten Neuen Atheismus.

Schon in seinem Buch „Der Gotteswahn“ aus dem Jahr 2006 hat Dawkins sich überaus vehement für die Abschaffung des Glaubens eingesetzt. Weitere Wissenschaftler haben sich um den Gelehrten geschart und zum Angriff auf den Glauben geblasen. Unter ihnen befinden sich der weltbekannte Physiker Stephen Hawking, Journalist und Literakturkritiker Christopher Hitchens und der französische Philosoph Michel Onfray. Sie alle haben in Büchern, Diskussionsrunden oder Essays versucht, den Glauben rational ad absurdum zu führen. Der Mathematik-Professor John Lennox hat in diversen Diskussionsrunden mit einigen dieser Atheisten diskutiert und sich ihren Vorwürfen gestellt.

Logische Widersprüche aufgedeckt

Neben den Diskussionsrunden hat er auch einige Bücher geschrieben, die sich mit den Argumenten der Neuen Atheisten auseinandersetzen – so zum Beispiel „Gott im Fadenkreuz – Warum der Neue Atheismus nicht trifft“ In neun Kapiteln widmet er sich neun Fragen beziehungsweise Vorwürfen, die die Neuen Atheisten dem Glauben gegenüber machen: „Widersprechen sich Glaube und Wissenschaft?“ „Ist Gott ein Despot?“ „Gibt es Wunder?“ Oder „warum lässt Gott das Leid zu“? Dabei verfolgt Lennox mehrere Strategien.

Einerseits geht er direkt auf die Argumente und Vorwürfe ein und zeigt begriffliche Ungenauigkeiten und fehlende Logik beziehungsweise sprachliche Widersprüche in den Argumentationsketten auf. Ein Beispiel: Einige der Neuen Atheisten behaupten, Wissenschaft und Glaube seien unvereinbar. Dabei ist laut Lennox die Wissenschaft selbst eine Glaubensposition, die ohne Glaube gar nicht auskommt und zwar, weil sie auf der Annahme beruht, das Universum sei rational erklärbar – eine blitzsaubere Glaubensposition.

Andererseits zeigt John Lennox auf, dass es die neuen Atheisten in ihrem ideologischen Kampf gegen den Glauben an Differenzierung und Objektivität mangeln lassen. Eines ihrer Argumente lautet beispielsweise, dass Religion die schlimmsten Monstrositäten wie Kriege, Gewalttaten und Ungerechtigkeiten ausgelöst habe. Dabei vernachlässigen sie viele Fakten - wie die Ergebnisse der Forschungen Arnold Angenendts: Laut Daten des Kirchenhistorikers haben zwischen 1540 und Mitte des 18. Jahrhunderts die spanische Inquisition und die römische Inquisition insgesamt rund 900 Menschen hingerichtet. Ohne diese Verbrechen relativieren zu wollen, stehen diese Zahlen im krassen Gegensatz zu den circa 2 Millionen Todesopfern des atheistischen Regimes der Khmer Rouge in Kambodscha.

Neue Atheisten argumentieren auf ideologischer, nicht rationaler Basis

Dass atheistische Regime wie die DDR, Sowjetunion, Nordkorea und China weit mehr Menschen getötet haben, ignorieren die Neuen Atheisten laut Lennox geflissentlich. Zudem fokussieren sie ihren Blick nur auf die negativen Auswirkungen des christlichen Glaubens, während sie die guten „Errungenschaften“ völlig außer Acht lassen. Aus diesem Grund nennt Lennox sie auch Anti-Theisten. In ihrem Eifer für die eigene Weltanschauung gleichen sie manchem religiösen Menschen, der blind glaubt.

Besonders spannend ist die Debatte um Moral. Christen leiten die Moral aus ihren Glaubensüberzeugungen und dem Wesen Gottes ab. Wenn diese Quellen aber wegfallen – und das tun sie für die Neuen Atheisten – bleiben als mögliche Quellen nur noch die Natur selbst oder die Gesellschaft. Das Argument, dass man aus der Evolution eine Moral ableiten könne, weiß Lennox geschickt auszuhebeln. Denn die Annahme, dass die Evolution gut sei und über den Fortschritt zum Guten führe, ist für den Mathematiker nicht zulässig. Die Evolution könne keinen Altruismus hervorbringen. Denn Mitgefühl und Sorge um die Schwachen und Kranken sind nichts, was das Überleben der Spezies verbessert.

Auch die Behauptung, dass das menschliche Verhalten lediglich ein Resultat der Gene ist, überzeugt den emeritierten Professor nicht. Wäre dem so, dürfte man keinen Menschen jemals für eine Straftat belangen. Kein Mensch dürfe für sein schlechtes Verhalten bestraft oder für sein gutes Verhalten belohnt werden – weil es lediglich eine Folge der Gene sei. Wohin eine solche Vorstellung führen würde, kann man sich leicht ausmalen. Indem er die Argumente der Neuen Atheisten widerlegt, macht er zugleich deutlich, dass die Existenz absoluter Werte nach einem Gott verlangt.

Ironie und Wortspiele statt naturwissenschaftlicher Fakten

Lennox schreibt leicht verständlich und unterhaltsam. Wer vom Mathematiker erwartet, dass er ausschließlich auf naturwissenschaftlicher Ebene argumentiert, wird positiv überrascht. Auf teils sehr humorvolle Weise deckt er die logischen Widersprüche und die ideologische Verbissenheit der Neuen Atheisten auf. Anders als so mancher Gottesgegner dekliniert er deren Argumente konsequent durch, um dann pointiert aufzuzeigen, dass den „schlauen“ Wissenschaftler die Konsequenzen ihrer eigenen Gedanken gar nicht klar  - oder sogar egal sind. Dabei lässt er seiner Freude an Ironie und Wortspielerei teils freien Lauf. Mitunter muss man sich anstrengen, um die logischen Gedankengänge nachzuvollziehen. Eine gewisse Grundbildung und logisches Denken setzt der Autor somit voraus.

Den Abschluss des Buches bildet ein kurzer heilsgeschichtlicher Abriss, in dem Lennox die Bedeutung von Sünde und Vergebung thematisiert. Er führt zahllose Belege für die Glaubwürdigkeit der Bibel auf und untermauert dadurch auch die Aussagen über das Kommen, Sterben und die Auferstehung Jesu.

Fazit

Lennox` Schreibstil ist trotz der teils philosophischen Gedankengänge durchgängig verständlich und nachvollziehbar. Mit Genuss zerpflückt er die teils hanebüchenen Positionen und argumentativen Widersprüche der Neuen Atheisten. Das Buch liefert nicht nur viele gute Rückfragen für Diskussionen, sondern auch gute Argumente gegen einige der Positionen, die unter anderem von den Neuen Atheisten vertreten werden. Die letzten beiden Kapitel sind ein zusätzliches apologetisches Bonbon, das in vielen Gesprächen mit am Glauben interessierten Menschen hilfreich sein dürfte.

 Claas Kaeseler

Claas Kaeseler

  |  Formatleiter ERF Jess Talkwerk / Online Marketing Manager

Ist in Wesel geboren und hat im ERF sowohl im Marketing, als auch in der Redaktion gearbeitet. Hat nach dem TV-Volontariat als Fernsehredakteur und Redaktionsleiter Online gearbeitet und danach die Webseite und das Online-Marketing des ERF verantwortet. Anfang 2023 erfolgte die Rückkehr in die Redaktion, wo er für das Format ERF Jess Talkwerk zuständig ist. Seit 2016 verheiratet und stolzer Vater des tollsten Sohns der Welt. 

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