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© Alexandru Zdrobau / unsplash.com

26.02.2016 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Den Hunger der Seele stillen

Wie Sie die Bedürfnisse Ihrer Seele erkennen. 9 Tipps von John Ortberg.

Was braucht unsere Seele? Und was meint der Begriff Seele überhaupt? In seinem Buch „Hüter meiner Seele“ beantwortet der amerikanische Schriftsteller John Ortberg diese Fragen nicht nur allgemein, sondern ganz konkret. Er nennt neun wesentliche Punkte, die unserer Seele gut tun. Diese Punkte beziehen sich auf die Kernbereiche, mit denen unsere Seele zu tun hat: Mit uns selbst, mit Gott und unseren Mitmenschen. Ortbergs Anregungen machen Mut, bewusster mit der eigenen Seele umzugehen.

Dabei nennt Ortberg einige Punkte wie Dankbarkeit, Ruhe und Zufriedenheit, deren positiver Einfluss jedem bewusst ist. Doch was meint er damit, dass die Seele Segen und Zukunft braucht? Und wie kann man dankbarer und zufriedener werden? Diesen Fragen möchte ich anhand Ortbergs Buch in diesem Artikel nachgehen.

Was macht meine Identität aus?

Eine der ersten und unverständlichsten Aussagen in John Ortbergs Buch ist, dass die Seele einen Hüter braucht. Denn man neigt beim ersten Lesen des Begriffes dazu, diesen Begriff falsch zu verstehen und anzunehmen, dass Gott dieser Hüter sein soll. Doch Ortberg meint mit seiner Aussage, dass jeder Mensch der Hüter seiner eigenen Seele ist. Das heißt: Ich habe die Verantwortung dafür, ob es meiner Seele gut geht oder nicht. Diese Verantwortung kann ich weder an Gott noch an andere Menschen abgeben.

Ich habe die Verantwortung dafür, ob es meiner Seele gut geht oder nicht. Diese Verantwortung kann ich weder an Gott noch an andere Menschen abgeben. – John Ortberg

Lesen Sie auch die Buchrezension zu Hüter meiner Seele. (Foto: Gerth Medien)
Lesen Sie auch die Buchrezension zu „Hüter meiner Seele“. (Foto: Gerth Medien)

Doch Eigenverantwortlichkeit allein hilft uns nicht weiter, wenn wir wollen, dass unsere Seele heil wird. Wir brauchen als Menschen etwas, das unserer Seele eine „Mitte“ und damit Halt gibt. Etwas, das definiert, wer und wie wir sind. Dieser Halt möchte Gott für uns sein. Diese Notwendigkeit beschreibt Ortberg so: „Wenn meine Seele nicht bei Gott ihre Mitte findet, mache ich meine Identität an meiner Leistung fest, an meinem Aussehen, meinen akademischen Titeln oder ‚wichtigen Freunden‘. Wenn ich das aber alles verliere, verliere ich meine Identität.“

Das heißt: Egal ob ich mit oder ohne Gott lebe, an irgendetwas mache ich meine Identität fest. Wenn es nicht Gott ist, ist es etwas anderes mit weniger Bestand. Daher gibt es gute Gründe dafür, mir von Gott zusagen zu lassen, wer ich bin und was mich als Mensch ausmacht.

Gott im Alltag begegnen

Aber die Sorge für die eigene Seele und der Halt in Gott wären vergeblich, hätten wir keine Zukunft. Als Menschen sehnen wir uns danach, dass unser Leben auf der Erde sinnvoll und von Bedeutung ist. Und das, obwohl wir wissen, dass wir irgendwann sterben müssen. Wir tun uns schwer damit, uns mit unserer Vergänglichkeit abzufinden. Für Ortberg ist dies ein Hinweis darauf, dass wir eine grundsätzliche Sehnsucht nach der Ewigkeit haben, die Gott in unser Herz gelegt hat. Und er ist es auch, der uns Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod macht. Diese Perspektive benötigt unsere Seele, um dem Leben und seinen Herausforderungen angemessen zu begegnen.

Weil Gott unsere Mitte sein will und uns eine Perspektive für unsere Zukunft geben möchte, ist es entscheidend, die Gemeinschaft mit ihm zu suchen. Er hält Antworten auf die zwei wichtigsten Fragen unseres Lebens bereit: „Wer bin ich?“ und „Wohin gehe ich?“ Es wäre daher sehr unklug, ihn aus unserer Lebensgestaltung auszuschließen.

Weil Gott unsere Mitte sein will und uns eine Perspektive für unsere Zukunft geben möchte, ist es entscheidend, die Gemeinschaft mit ihm zu suchen. – John Ortberg

Doch auch Christen verstehen die Gemeinschaft mit Gott oft falsch. Ortberg schreibt dazu: „Beim Leben mit Gott geht es nicht darum, dass wir noch mehr religiösen Aktivitäten nachgehen, noch mehr Stille Zeit machen und noch mehr Anstrengungen unternehmen, gut zu sein. Es geht um inneren Frieden, darum, dass die Seele mit ihrem Schöpfer im Reinen ist, der das ganze Universum in Gang hält.“ Das heißt: Gemeinschaft mit Gott muss praktisch werden. Gott möchte, dass wir nicht nur in der Stillen Zeit Gemeinschaft mit ihm suchen, sondern auch in unserem Alltag: Bei der Arbeit, in unserer Freizeit, sogar beim Warten an der Supermarktkasse. Dort gilt es, mir der Gegenwart Gottes bewusst zu werden, nicht nur im Gottesdienst. Diese regelmäßige Verbindung mit Gott als meinem Schöpfer tut der Seele gut und hilft mir auch besser zu erkennen, welche Verhaltensweise meiner Seele gut tun und welche nicht.

Du bist nicht, was du leistest!

Anschließend an diese grundsätzlichen Punkte nennt Ortberg mehrere Punkte, die generell als gut für unsere Seele gelten: Ruhe, Freiheit, Segen, Zufriedenheit und Dankbarkeit. Doch er findet dabei neue Ansätze. Beim Begriff der Ruhe etwa geht es ihm nicht um Tatenlosigkeit, sondern um Angenommensein. Dass unsere Seele Ruhe brauche, heiße gerade nicht, dass wir uns in ein Leben ohne Aufgaben und Herausforderungen zurückziehen sollten. Vielmehr ist innere Ruhe entscheidend.

Doch die erlangen wir nur, wenn wir verstehen, dass wir von Gott bedingungslos angenommen sind. Ortberg macht deutlich: „Für Jesus gehen Identität und Angenommensein Leistung und Dienst voraus. Die Freude, die Gott über uns empfindet, kann uns niemand nehmen. Annahme kann man sich nicht verdienen.“ Um also wirklich zur Ruhe zu kommen, ist es nötig, die Gnade, die Gott uns gewährt, bis ins Tiefste zu verstehen. Ganz gleich, was ich an Leistung bringe, ich bin bei Gott angenommen. Das steht fest. Und alles, was ich tue, baut darauf auf.

Das heißt im Umkehrschluss auch, dass ich mir und meinem Leben nicht selbst Sinn und Bedeutung zusprechen muss. Meine Identität entspringt nicht aus meiner Leistung — auch nicht aus meiner Leistung für Gott —, sondern wird mir von ihm geschenkt. Wenn ich das verstehe, muss ich nicht hetzen, sondern kann mit dem zufrieden sein, was ich mit meiner Kraft und meinen Möglichkeiten erreiche. Wenn das aber nicht verstehe, wird meine Seele nie zur Ruhe kommen.

Freiheit durch Gottes Gebote

Auch den Begriff der Freiheit füllt Ortberg neu. Er unterscheidet zwischen innerer und äußerer Freiheit. Als äußere Freiheit bezeichnet Ortberg das, was man generell unter Freiheit versteht, nämlich dass wir die Möglichkeit haben, etwas zu tun oder zu lassen. Doch entscheidend für unsere Seele ist nicht die äußere Freiheit, sondern die innere Freiheit. Innere Freiheit bedeutet, dass ich mein Verhalten nicht von meinen eigenen Wünschen bestimmen lasse, sondern tue, was in meinen und Gottes Augen richtig ist, selbst wenn ich dadurch scheinbar Nachteile in Kauf nehme.

Um uns dabei zu helfen, gibt es die biblischen Gebote. Gottes Gesetze sollen uns nämlich nicht in unserer Freiheit einschränken, sondern uns vor viel größerer innerer Unfreiheit bewahren. Ortberg erklärt dies so: „Gott hat uns das Gesetz nicht gegeben, um uns eine Liste mit Regeln aufzuzwingen, sondern um unsere Seele zu befreien, damit wir ein erfülltes und gesegnetes Leben führen.“ Das zu verstehen und danach zu leben, ist ein entscheidender Schritt, um unsere Seele gesund zu erhalten.

Auch zum Segen hat Ortberg Neues zu sagen. Segen ist für ihn mehr als „ein plattes frommes Klischee“, das wir einander zusprechen, wenn uns nichts anderes einfällt. Im Akt des Segnens wird meine Grundhaltung einem anderen Menschen gegenüber deutlich. Denn: „Segnen bedeutet, Gutes in das Leben eines anderen Menschen hineinzusprechen.“ Deshalb hängen in der Bibel Segnen und Verfluchen zusammen. Beide Handlungen spiegeln meine Haltung einem anderen Menschen gegenüber wider. Beim Segnen wende ich mich meinem Gegenüber wertschätzend zu Wenn ich ihn verfluche, tue ich genau das Gegenteil. Wenn ich also Segen weitergebe und erfahre, tut das meiner Seele gut.

Segnen bedeutet, Gutes in das Leben eines anderen Menschen hineinzusprechen. – John Ortberg

Dankbarkeit ist uns nicht angeboren

Abschließend wendet sich John Ortberg den Punkten Zufriedenheit und Dankbarkeit zu. Wenn wir undankbar oder unzufrieden sind, ist unsere Seele in Aufruhr. Doch um Zufriedenheit und Dankbarkeit herzustellen, ist es nicht nötig, das zu bekommen, was uns noch zu unserem Glück fehlt. Denn Zufriedenheit und Dankbarkeit sind genauso wie unsere Freiheit weniger von äußeren Umständen abhängig als wir glauben.

Denn gerade wenn wir unseren Wünschen immer nachgeben, wird unsere Unzufriedenheit nur noch größer. Das kommt daher, dass es in der Natur unserer Seele liegt, sich nach etwas zu sehnen. John Ortberg beschreibt dies folgendermaßen: „Ein Paradox der Seele liegt darin, dass sie sich einerseits nicht selbst Zufriedenheit verschaffen kann, aber auch nicht in der Lage ist, ohne Zufriedenheit zu leben.“ Damit wir trotzdem lernen, zufrieden zu sein, müssen wir unsere Seele sozusagen entwöhnen. John Ortberg empfiehlt dazu das Konzept der strategischen Enttäuschung. Wenn man jede Enttäuschung als Chance begreift, um trotz der Enttäuschung Zufriedenheit zu empfinden, hilft das dabei, die eigene Sehnsucht zuerst und vor allem auf Gott auszurichten.

Wenn uns dies gelingt, fällt es auch leichter, dankbar durchs Leben zu gehen. Dankbarkeit ist essentiell für unsere Seele, denn eine dankbare Grundhaltung löst positive Gefühle in uns aus. Doch was, wenn wir uns nicht dankbar fühlen? Das kann daran liegen, dass ich nicht begreife, wem oder für was ich dankbar sein sollte. Denn Dankbarkeit empfinde ich nur, wenn ich etwas unverdient erhalten habe. Das Problem dabei ist laut Ortberg: „Das Gefühl, das uns alles zusteht, ist tief in uns verankert.“ Das bedeutet: Wir müssen Dankbarkeit einüben, sie stellt sich nicht automatisch ein. Um Dankbarkeit zu fühlen, muss ich mir bewusst machen, wem ich dankbar bin und für was.

Als praktische Übung empfiehlt John Ortberg, einer Person, die unser Leben positiv beeinflusst hat, einen Dankesbrief zu schreiben oder sich kurze Dankgebete zu überlegen, die man regelmäßig betet. Denn — so Ortberg: „Sie werden sich nicht immer dankbar fühlen. Doch Sie können sich jeden Tag die Zeit nehmen, an die Wohltaten zu denken, die Sie empfangen haben, und dann den Wohltäter aufzusuchen und ihm dafür zu danken.“ Wenn ich auf diese Weise Dankbarkeit und Zufriedenheit einübe, wird das Positives in meinem Leben bewirken und meine Dankbarkeit und Zufriedenheit weiter vertiefen.

Es zeigt sich: Es gibt viel zu beachten, wenn man seiner Seele etwas Gutes tun will. Womit aber soll man beginnen? Sich innere Ruhe antrainieren oder Dankbarkeit einüben? Mein Tipp wäre: Bleiben Sie gelassen und setzen Sie nach und nach Veränderungen um. Selbst wenn Sie nicht von heute auf morgen jeden Ratschlag in die Tat umsetzen, werden Sie merken, wie hilfreich schon kleine Veränderungen für ihr seelisches Gleichgewicht sind. Dies setzt dann auch wieder neue Energien frei, um weitere Punkte anzugehen, die Sie bisher vielleicht eher vernachlässigt haben.
 

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Sie schätzt an ihrem Job, mit verschiedenen Menschen und Themen in Kontakt zu kommen. Sie ist verheiratet und mag Krimis und englische Serien.

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Kommentare (3)

Gast /

Jemand sagte einmal zu mir die Beziehung zu Gott ist das Wichtigste.

ROSI S. /

ich habe erst im Alter begriffen, meine
Identität finde ich erst, wenn mir Gott
-JESUS- MEIN EIN UND ALLES IST!
d.h. auch, egal, was ich leiste, was ich bin,
ohne IHN wäre ich ein NICHTS!
Dazu gehört, dass ich mein Leben täglich
bei IHM festmache, ich brauche IHN:

C. Scheiba /

Ich kenne das Buch nicht. Kann aber sagen, dass dieser kurz Artikel sehr neugierig auf das Buch machen. Ich liebe an Büchern, wenn sie Gedanken formulieren, die ich nebulös selber schon gedacht hatte mehr

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