/ Bibel heute
Leben in der Gemeinschaft mit Christus (2)
Der Bibeltext Philipper 2,12-18 – ausgelegt von Wolf-Dieter Keßler.
Also, meine Lieben, – wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit – schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel,[...]
Stillstand ist Rückschritt. Das ist nicht nur in der Wirtschaft so. Das ist auch im Christsein so.
Der Apostel Paulus ist immer darauf bedacht, seine Gemeinden weiterzuführen. Denn Selbstgenügsamkeit, Vor-sich-hin-dümpeln im Glauben und Religiosität hilft nur einem: dem Feind. Es besteht aber die ganz tiefe Hoffnung, dass am Ende, wenn Christus wiederkommt, alle dabei sind. Im Brief an eine seiner Gemeinden findet sich eins der wohl grundlegendsten geistlichen Prinzipien, die der Apostel Paulus seinen Gemeinden mitgibt.
Um welche Aussage geht es? „Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.“
Diese Aussage möchte ich mit Ihnen näher anschauen.
Schaffet, dass ihr selig werdet … Hier geht es nicht um „Schaffe, schaffe, Häusle bauen“, sondern – ja, um unsere Seligkeit. Dieses Wort gebraucht heute keiner mehr. Ich übersetze es hier mit „Gott gefallen und sein Ziel mit uns erreichen“.
Konkret geht es dem Apostel im Zusammenhang seines Briefes darum, dass er die christliche Gemeinde in Philippi mahnt. Vieles läuft bei ihnen schon gut. Doch was ihnen noch fehlt, sie sollen eine Einheit werden, eine Gemeinschaft, die das Wesen des Christus in dieser Welt widerspiegelt. Das ist das Wesentliche. Darum: Schaffet, seht zu, macht, kümmert Euch! Paulus weiß das so richtig auf die Spitze zu treiben: Schaffet… mit Furcht und Zittern – sprich: in aller Ehrfurcht vor dem heiligen Gott. Ruht euch nicht aus. Bleibt dran. Das ist ein wichtiger geistlicher Rat.
Doch leider kann er zu einem ganz falschen Denken führen. Für die meisten Menschen – auch für viele Christen – bedeutet Christsein Ethik, ein Sollen, ein Müssen, ein Tun. Damit reihen sie ihr Christsein ein in all die anderen Ansätze und Methoden weltlicher oder religiöser Couleur zur Selbstoptimierung oder Verhaltensänderung. Doch das Christsein ist ganz anders. Die biblische Lehre hat als einziger all der Ansätze in Religion und Welt ein anderes Menschenbild. Und das ist der entscheidende Unterschied. Die Bibel weiß, dass der Mensch gar nicht schafft, was er schaffen soll.
Wenn Jesus einer Ehebrecherin sagt: „Sündige hinfort nicht mehr“, dann ist klar: von sich aus wird sie gar nicht schaffen. Der normale Mensch kann nicht plötzlich auf einem anderen Gleis fahren. Und er will es auch gar nicht. Warum sollte er sich ändern? Sünde – im Beispiel der Ehebrecherin der inneren Sehnsucht nach Liebe und Geliebtsein mit wechselnden Partnern nachgeben – macht nicht selten Spaß. Die Bibel weiß das: der normale Mensch kann und will sich nicht ändern, selbst wenn man ihm sagt, aus welchem Grund. Das gilt sogar für Christen. Es gibt immer wieder Baustellen, die Gott uns zeigt. Und manchmal ist es noch so schwer, ihn auch an die vermeintlich letzte Baustelle dran zu lassen.
Deswegen gibt es hier im Text diesen Nachsatz: „Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.“ Du sollst schaffen, ja. Aber Gott ist‘s, der es macht. Natürlich ist das ein Widerspruch. Aber er ist stimmig, denn Gott sagt: Erkenne, dass du es nicht kannst, vielleicht oft auch nicht willst. Erkenne, dass du also Rettung brauchst, und komm zu mir!
Gott liebt uns so sehr, dass er uns Rettung anbietet. Hundert Prozent hat Gott für jeden von uns geleistet. Kein Mensch wäre auch nur ein Prozent auf Gott zugekommen. Kein Mensch hätte das tun können, selbst wenn er es gewollt hätte. Kein Mensch kommt auch nur einen Millimeter aus eigener Kraft Gott näher. Aber die Bibel lehrt uns: Der Gott, der uns geschaffen hat, der hat es getan. Hundert Prozent Gnade. Liebe. Rettung.
Nur weil er uns also über die Maßen beschenkt, können wir tun, was er sich wünscht. Im Bild gesprochen: Nur, weil der Zug fährt, haben wir die Gelegenheit einzusteigen. Wir müssen zwar noch einsteigen. Aber selbst das muss Gott tun.
Das ist der eigentliche Punkt an der Stelle: Es geht nicht um unser religiöses Schaffen. Es geht um etwas, das viel schwieriger ist, das aber allein zum Ziel führt: Wir brauchen Veränderung von außen.
Es gibt dafür ein Bild in der Bibel. Es ist das sogenannte Totenfeld, ein Feld voller Leichen. Eine gruselige Vorstellung. Aber ein wichtiges Bild für die geistlichen Zusammenhänge, über die wir hier reden. Alle unsere religiösen Versuche taugen nichts, um bei Gott anzukommen. Wir Menschen können es einfach nicht aus eigener Kraft oder Willen oder Einsicht. Vor Gott sind wir Menschen wie tot, total angewiesen, dass er unseren Zustand verändert und uns sein Leben schenkt. Er muss es machen. Wir werden zwar aufgerufen – so wie hier: Schaffet …. Das hat auch seinen tieferen Sinn. Und doch: Er muss uns rufen, und er muss uns an die Hand nehmen. Und das macht er so gerne.
Dafür stehen Kreuz und Auferstehung des Jesus Christus. Passion und Ostern sind nicht zum Anschauen, Bewundern, Beklagen da. Sie laden ein, dass wir unser Leben mit Kreuz und Auferstehung des Christus verbinden. Das heißt: Unser Wesen soll mit Christus durch seinen Tod gehen, und unser übernatürlich verändertes Wesen soll mit Christus zu etwas Neuem auferstehen. Das ist die Veränderung unseres Wesens in das Wesen des Jesus Christus. Dann können wir, und dann wollen wir den Willen Gottes kennen und umsetzen. Dann können wir schaffen, dass wir selig werden, Gottes Ziel mit uns erreichen. Wir sollen es auch, werden dazu angehalten. Aber von da an wollen und können wir es auch. Weil er in uns lebt. Und ab jetzt wollen wir nur noch aus der Kraft, aus der Geduld, aus dem Willen des Christus in uns. Er ist unsere Stärke. Er ist unsere Liebe. Er ist unsere Liebe zueinander. Er schafft unsere Einheit.
So bringen wir Christus in die Welt. So werden wir als Gemeinde eine Einheit, die das Wesen des Christus in uns widerspiegelt.
Zuletzt: Gott hat alles für uns getan und tut es weiterhin. So zieht und schiebt und trägt er uns, denn er wünscht sich so sehr eine Beziehung mit uns, dass er in uns leben und uns an sein Ziel bringen darf. Aber er klopft an, er fragt nach, ob er in unser Leben hineinkommen darf. Er zwingt uns zu nichts. Doch ob wir Gott einlassen, ob wir uns in seinem Licht erkennen wollen, ob wir ihm die Erlaubnis geben, uns zu verändern, ob wir seine Mahnung zum „Schaffet, dass ihr mein Ziel erreicht“ umsetzen wollen: das ist unsere Entscheidung und auch Verantwortung. Jeden Tag neu. Gott zwingt uns zu nichts. Wenn wir nicht wollen, bleibt er auch draußen. Aber die Verantwortung trägt jeder für sich.
„Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.“ Das ist ein grundlegendes geistliches Prinzip. Ein Widerspruch, der die Wahrheit über Gott und uns gut wiedergibt. Gott sagt: „Erkenne, wer Du vor Deinem Schöpfer bist. Lass Dich verändern. Dann kann ich Dich verändern.“ Und dann wird sich etwas ändern.
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