/ Bibel heute
Die Verschleppung des Prozesses
Der Bibeltext Apostelgeschichte 24,22-27 – ausgelegt von Christoph Till.
Felix aber zog die Sache hin, denn er wusste recht gut um diesen Weg und sprach: Wenn der Oberst Lysias herabkommt, so will ich eure Sache entscheiden. Er befahl aber dem Hauptmann, Paulus gefangen zu halten, doch in leichtem Gewahrsam, und niemandem von den Seinen zu wehren, ihm zu dienen. Nach einigen Tagen aber kam Felix mit seiner Frau Drusilla, die eine Jüdin war, und ließ Paulus kommen und hörte ihn über den Glauben an Christus Jesus.[...]
Unbequem - so lässt sich das Empfinden der Juden und auch einiger Judenchristen gegenüber Paulus beschreiben. Deswegen hatten sie ihn vor Gericht gebracht. Den Prozess führte Felix, ein römischer Statthalter, der zwischen 52 und 60 n. Chr. in der Provinz Judäa tätig war. Der heutige Bibelabschnitt fasst einen längeren Zeitabschnitt zusammen. Felix, der in seiner Funktion als Statthalter auch als Richter fungierte, zögerte die Verhandlung heraus. Zum einen wollte er mehr über diesen „neuen Weg“ erfahren, zu dem Paulus gehörte. Zum zweiten berichtet uns der Bibeltext, erhoffte Felix sich von Paulus eventuell auch Schmier- oder Lösegeld, damit dieser freigelassen wird. Gleichzeitig erleichterte er die Haftbedingungen des Paulus.
Ich beobachte in dem Text eine Mischung aus Interesse und Egoismus. Auf der einen Seite war da ein religiöses Interesse von Felix, das sicherlich auch mit seiner jüdischen Frau Drusilla begründet werden kann. Auf der anderen Seite war da natürlich das Eigeninteresse des Geldes. Wo auch immer das konkrete Interesse lag, er hörte Paulus zu. Und so konnte dieser Felix von Jesus Christus erzählen. Solange die Themen erträglich waren, gelang dies auch über längere Zeit. Doch bei bestimmten Themen wurde das, was Paulus sagte, offenbar unbequem. Die Themen Enthaltsamkeit, Gerechtigkeit und Gericht stießen Felix negativ auf. Statt weiter zuzuhören und eventuell auch die eigene Lebensausrichtung zu ändern, schickte er Paulus fort. Er wolle später weiter hören, wenn er Zeit habe. Dieser Aussage kam er, so berichtet die Apostelgeschichte zusammenfassend, durchaus nach. Doch die für ihn unangenehmen Themen mied er.
Die Tendenz, unangenehme Themen im Glauben zu meiden, ist nicht ungewöhnlich. Auch heute gibt es bei bestimmten Themen eine große Abwehrhaltung. Mindestens eines der Themen finde ich in unserem heutigen Text wieder: das Gericht. Aber auch die Enthaltsamkeit, sowie das Thema Gerechtigkeit wirken auf manche unangenehm.
Für Felix war es sicherlich der Sachverhalt, dass es über ihm noch eine größere Autorität gibt, die das Sagen hat, die ihm zu schaffen machte. Wie sollte das gehen? Er war doch der Statthalter, der im Namen der römischen Regierung richten und das gesellschaftliche Leben regeln sollte. Und jetzt sollte er sich auf einmal für sein Verhalten verantworten und musste sich ins Leben hineinsprechen lassen? Da vermied er es lieber, sich das alles anzuhören.
Leben bedeutet Verantwortung. Das gilt für jeden Menschen - egal, ob er Christ ist oder nicht. Diese Verantwortung betrifft meinen Umgang mit mir selbst, aber auch mit anderen Menschen. Und die Bibel ist hier deutlich: Diese Verantwortung habe ich nicht nur vor mir selbst, sondern auch vor Gott. Dabei gilt: Auch wenn ich es nicht hören will, diese Verantwortung besteht. Ich kann mich entscheiden, wie Felix diesen Themen aus dem Weg zu gehen, doch wird mich die Verantwortung vor Gott spätestens dann einholen, wenn es um das Gericht Gottes geht.
Dankbar bin ich, dass Paulus in diesem Zusammenhang auch das Thema „Gerechtigkeit“ ansprach. Wenn Paulus dabei so redete wie er es in seinen Briefen schrieb, wird er damit Felix auch den Ausweg aus dem Dilemma der Verurteilung im Gericht mit genannt haben. Ja, als Mensch bin ich verantwortlich für mein Tun. Wenn es rein danach ging, müsste jeder Mensch das Gericht Gottes mit dem entsprechenden Urteil über sich ergehen lassen. Doch Paulus spricht auch die Gerechtigkeit an, nach der jeder Mensch die Chance hat, sich die Gerechtigkeit Gottes zurechnen zu lassen. Das bedeutet aber auch, eine höhere Autorität anzuerkennen. Es setzt voraus, Jesus das eigene Leben zu übergeben und damit einen neuen Weg im eigenen Leben zu gehen. Für eine Person, die in Regierungsverantwortung steht und damit in sich selbst eine Autorität sieht vielleicht ein Schritt, der sehr viel abverlangt.
Felix war hin- und hergerissen zwischen Interesse, Eigennutz, aber auch Abschreckung. Das, was Paulus ihm sagte, war für ihn unbequem. Und so schob er eine echte Entscheidung für oder gegen Jesus immer weiter vor sich her. Bei einem Regierungswechsel tat er den Juden allerdings noch einen Gefallen und ließ Paulus im Gefängnis. War das ein Hinweis darauf, dass er sich gegen den „neuen Weg“, gegen Jesus Christus, entschieden hatte?
Rund 2000 Jahre später stehen wir Menschen vor ähnlichen Themen, wie sie Paulus mit Felix besprochen hatte. Auch heute sind die Themen Enthaltsamkeit, Gerechtigkeit und Gericht Themen, die unbequem sind. Und doch muss ich mich damit auseinandersetzen. Ich muss mir als Mensch die Fragen stellen: Jesu Gerechtigkeit oder meine Ungerechtigkeit? Freispruch oder Verurteilung im Gericht? Diese Fragen mögen zunächst unbequem sein. Schließlich konfrontieren sie mich mit meinen Unzulänglichkeiten - die Bibel nennt sie Sünde. Sie konfrontieren mich auch damit, dass ich in Gottes Gericht allein nicht bestehen kann. Gleichzeitig zeigen mir diese Fragen aber auch die Perspektive auf, dass es mit Jesus Christus Leben gibt. Mit Christus verliert das Gericht seinen Schrecken. Statt Verurteilung wartet auf mich der Freispruch. Gott sieht mich nicht in meiner Ungerechtigkeit, sondern in der Gerechtigkeit von Jesus Christus. Mag da auch zuerst der Schrecken über meine eigenen Taten und die daraus sich ergebende Perspektive da sein.
Felix hat diese Entscheidung, Jesus als Erlöser anzunehmen, vor sich hergeschoben, um sie am Ende scheinbar nicht zu treffen. Da ich gelernt habe, wer mein Erlöser ist, möchte ich diese Entscheidung für ihn nicht vor mir herschieben. Ich möchte mich ihm jeden Tag neu anvertrauen, mich von ihm leiten lassen und ihn als meine Gerechtigkeit und meinen Anwalt im Gericht begreifen. Und Sie?
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