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/ Bibel heute

Die Herrlichkeit des Wortes Gottes (9)

Der Bibeltext Psalm 119,65-72 – ausgelegt von Holger Bauer.

Du tust Gutes deinem Knecht, HERR, nach deinem Wort. Lehre mich heilsame Einsicht und Erkenntnis; denn ich glaube deinen Geboten. Ehe ich gedemütigt wurde, irrte ich; nun aber halte ich dein Wort.[...]

Psalm 119,65–72

„Du tust Gutes …“, „Du bist gütig …“, „Es ist gut für mich …“ … In besonderer Weise begegnet uns in diesen acht Versen des längsten Psalms der Bibel die Überzeugung, dass Gott gut ist und sein Handeln uns gegenüber von Güte geprägt ist. Der 119. Psalm besteht aus 22 Strophen mit jeweils 8 Versen, die alle jeweils mit dem nächsten Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnen.

Wir haben soeben die neunte Strophe gehört, darin beginnen alle Zeilen mit dem hebräischen Buchstaben Thet. Er bildet auch der Anfangsbuchstabe des hebräischen Wortes „tov“ für „gut“. Gott und sein Handeln ist „tov“. Wir kennen dieses Wort vielleicht aus der Formulierung, dass etwas „töfte“ ist, nämlich „gut“. Der jüdische Glückwunsch „mazel tov“ wünscht ein „gutes“ Ergehen.

Gott handelt gut, gütig und freundlich, davon ist der Psalmschreiber überzeugt. Dies zeigt sich besonders daran, dass Gott seine Weisung, seine Thora, schenkt, also sein Wort, seine Weisungen, seine Gebote; Luther übersetzt auch: „sein Gesetz“. Wenn der gesamte 119. Psalm dieses Wort Gottes rühmt, dann wird damit nicht etwas neben Gott gerühmt, sondern Gott selbst. Gottes Güte wird dadurch greifbar, verstehbar und nahbar, dass er sich äußert und sich mitteilt. Auf diesem Hintergrund erscheint die neutestamentliche Nachricht noch wunderbarer, dass in Jesus Christus, dem Wort Gottes, die Selbstmitteilung Gottes in Person uns Menschen ganz nahekommt.

So lesen wir im Evangelium nach Johannes, Kapitel 1, Vers 14: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“

Das Wesen der Selbstmitteilung Gottes ist Güte und Freundlichkeit: „Du bist gütig und freundlich …“, so lesen wir in Psalm 119 Vers 68.

Wie irritierend wirken dann aber Aussagen wie Vers 67: „Ehe ich gedemütigt wurde, irrte ich; nun aber halte ich dein Wort.“ oder Vers 71: „Es ist gut für mich, dass du mich gedemütigt hast, damit ich deine Gebote lerne.“

Unter Demütigung verstehen wir in der Regel eine Verletzung der eigenen Würde. Jemand missachtet uns und stellt uns bloß. Die biblische Wirklichkeit hinter diesem Begriff drückt etwas anderes aus, denn Gott ist und bleibt gut, er demütigt nicht im negativen Sinne. Eine Demütigung im Kontext der Güte Gottes besteht aus einer Niederlage gepaart mit einer Erkenntnis, es handelt sich um eine schmerzliche, aber lehrreiche Erfahrung. Vielleicht könnte man auch sagen: Demütigung aus der Hand Gottes ist Zumutung. Gott mutet Dinge zu, die wir uns nicht ausgesucht hätten, die aber Gelegenheiten bieten, ihn und sein Wort besser tiefer kennen zu lernen.

Ein Beispiel für eine zugegeben harmlose Demütigung aus meinem beruflichen Alltag: Ich unterrichte junge Erwachsene im Fach Evangelische Religion. Eine junge Frau hielt vor einigen Jahren ein Referat mithilfe von auffällig kunstvoll gestalteten Präsentationsfolien, bei denen aber das Wort „Gott“ statt des Buchstabens „o“ immer ein Apostroph aufwies und damit unlesbar wurde. Ich habe der jungen Dame unterstellt, dass sie das Referat bestimmt aus irgendeiner Quelle kopiert hat: So erklärte ich mir die überaus gelungene grafische Gestaltung und den seltsam anmutenden vermeintlichen Kopierfehler beim Wort „Gott“. Ich habe sie zur Rede gestellt und erfahren: Sie war ausgebildete Mediendesignerin: daher die hohe Ästhetik ihrer Präsentation. Und sie war jüdischen Glaubens. Aus Achtung vor dem heiligen Namen Gottes hatte sie das Wort „Gott“ sogar im Deutschen bewusst unlesbar bzw. unaussprechbar gemacht. So halten es nicht alle, aber einige Mitglieder der jüdischen Gemeinden. Dass die junge Frau nicht früher von ihrem jüdischen Glauben sprach, lag an schlimmen Erfahrungen, die sie an ihren vorherigen Schulen machen musste, wenn ihr Jüdisch-sein bekannt wurde.

Ich war stark beschämt über meinen Mangel an Kenntnissen sowie mein tiefes Misstrauen, und musste an das Wort denken aus dem ersten Buch Samuel, Kapitel 16, Vers 7: „Nicht sieht der HERR auf das, worauf ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.“ Als Mensch lasse ich mich so oft von Äußerlichkeiten täuschen, vertraue meinen oberflächlichen Urteilen. Gott aber sieht tiefer, kennt uns dort, wo wir uns selbst kaum kennen. Er blickt uns in die Mitte unserer Persönlichkeit. Die Bibel nennt diesen Ort „Herz“.

Meine beschämende Niederlage und die Erkenntnis darüber haben mich heilsam aufmerksam gemacht auf die Wahrheit des Wortes Gottes aus dem ersten Samuelbuch. Ich werde diese Stelle nicht mehr lesen können, ohne an mein peinliches Fehlurteil zu denken – und anders herum.

Dem Verfasser von Psalm 119 ist übler mitgespielt worden. Was haben die schmerzhaften Erlebnisse und die Lügen, die er über sich ertragen musste, zur Folge?  Er glaubt nun neu Gottes Geboten, sprich, er vertraut Gott selbst; er will nun Gottes Wort halten, er hat Freude an ihm und will noch mehr lernen.

Die Strophe endet mit dem Ausruf: „Das Gesetz deines Mundes ist mir lieber als viel tausend Stück Gold und Silber.“ Wer tiefe Erfahrungen mit dem Wort Gottes gemacht hat, dem wird klar, wie unvergleichlich kostbar dieses Wort ist. Wie sähe unser Leben ohne dieses Wort aus? Ohne dieses lebendige Wort, das uns vor allen anderen Wahrheiten Jesus Christus als treuen Herrn und Heiland vor Augen malt?

Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf hat dies so formuliert: „Herr, dein Wort, die edle Gabe, diesen Schatz erhalte mir; denn ich zieh es aller Habe und dem größten Reichtum für. Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhn? Mir ist’s nicht um tausend Welten, aber um dein Wort zu tun.“

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