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/ Bibel heute

Die Ankunft in Jerusalem

Der Bibeltext Apostelgeschichte 21,15-26 – ausgelegt von Brigitte Seifert.

Und nach diesen Tagen machten wir uns fertig und zogen hinauf nach Jerusalem. Es kamen aber mit uns auch einige Jünger aus Cäsarea und führten uns zu einem alten Jünger mit Namen Mnason aus Zypern, bei dem wir zu Gast sein sollten. Als wir nun nach Jerusalem kamen, nahmen uns die Brüder und Schwestern gerne auf.[...]

Apostelgeschichte 21,15–26

Es gibt sie auch in unserem Leben: treue Menschen, die uns ein Stück unseres Weges begleiten, Brüder und Schwestern, die uns beistehen. Und es gibt die anderen: die schlecht reden über uns, die uns das Leben schwer machen. Jesus ist dabei. Er begegnet uns bei den einen wie bei den anderen. Und baut seine Gemeinde.

Schauen wir zunächst auf die treuen Mitmenschen! Ein beeindruckendes Netzwerk haben die frühen Christengemeinden aufgebaut – ohne Whatsapp-Gruppe, ohne E-Mail-Verteiler. Einige Gemeindemitglieder begleiten Paulus und sein Team auf dem Weg von Cäsarea nach Jerusalem. Das sind mehr als 100 Kilometer. Zu Fuß! Sie haben sich bereits um eine Unterkunft gekümmert. Mnason aus Zypern wird Gastgeber sein. In Jerusalem schließlich „nahmen uns die Brüder und Schwestern gerne auf“, lesen wir. Welch ein Geschenk! Gerne aufgenommen werden! Ehemals fremde Menschen werden zu Brüdern und Schwestern. So entsteht Gemeinde. So wächst Zuversicht. Segen breitet sich aus in gegenseitigem Nehmen und Geben.

Gemeinschaft erleben

Wie haben Sie das in Ihrem Leben erfahren? Durch wen sind Sie gesegnet worden?

Ich denke an eine geistig behinderte Mitarbeiterin der Fachschule, an der ich studierte. Eines Tages ging es mir nicht gut. Sie sah es. Als einzige. Mit einer Bestimmtheit, die keinen Widerspruch duldete, sprach sie eine Mitstudentin an: „Du, geh mal zu der Brigitte, die ist traurig.“ Gesehen werden – das richtet auf! Oder ein Kirchenältester in meiner ersten Pfarrstelle. Sein Arbeitsalltag als Landwirt war anstrengend. Trotzdem war er stets zur Stelle, wenn Kohlen in den Keller zu schippen waren oder wenn etwas repariert werden musste. Er wies mich hin auf Menschen, die sich über einen Besuch von mir freuen würden. Und ganz nebenbei sprach er mir Mut zu. Etwa, als ich mich voller Selbstzweifel fragte, ob ich den Konfirmandinnen und Konfirmanden etwas für ihr Leben mitgeben könne. „Wir können ja nur säen,“ sagte er schlicht. Das entlastete, ja, tröstete mich. Auch ein älteres Ehepaar kommt mir in den Sinn. Während einer Langzeitfortbildung durfte ich an jedem Kurs-Wochenende bei ihnen übernachten. Sie gaben mir weit mehr als Bett und Frühstück. Es waren Begegnungen, die wohltun, Heimat in der Fremde, „Gemeinschaft der Heiligen“, wie es im Glaubensbekenntnis heißt.

Durch diese und viele, viele andere Menschen habe ich unschätzbar Kostbares empfangen. Unmöglich, sie zu zählen. Ich hoffe, auch sie sind durch mich gesegnet worden. Tiefe Dankbarkeit erfüllt mich, wenn ich sie mir vor Augen stelle. Jesus erweist uns seine Liebe oft durch andere Menschen. Das ist hier leicht zu erkennen.

Gefährdete Gemeinschaft

Doch da sind auch die anderen: Menschen, die uns enttäuschen, verletzen, die uns das Leben schwer machen. Die Gründe sind sehr verschieden. In Jerusalem gibt es Probleme mit Glaubenden, die eigentlich Gutes wollen. Sie nehmen die Tora, Gottes Weisungen, sehr ernst. Gott ehren wollen sie und alles richtig machen. Was sie von Paulus gehört haben, macht ihnen Angst. Es bedroht ihren Glauben, den einzig richtigen, wie sie meinen. Noch bevor sie Paulus kennenlernen, haben sie sich ein Urteil über ihn gebildet. Gerüchte und Halbwahrheiten, vermischt mit Lügen, wurden ihnen berichtet. Sie sind sicher: Paulus ist gefährlich. Vielleicht können sie ihr Urteil noch revidieren und gewonnen werden, hoffen die Verantwortlichen. Paulus folgt ihrem Rat. Er zeigt, dass er den Glauben der Väter und das Gesetz des Mose achtet. Die Feindseligkeit gegen ihn kann er damit nicht aus dem Weg räumen, wie sich später zeigen wird. Trotzdem: Er geht ihnen entgegen. Er wirbt um sie, baut ihnen eine Brücke zum besseren Verstehen. Auch wenn das am Ende nicht gelingt, auf diese Weise gibt er dem Geist Jesu Raum: Er bleibt zugewandt, obwohl ihm die anderen nicht wohlgesonnen sind. Er zeigt seine Wertschätzung für die alten Glaubenstraditionen, obwohl Jesus ihn bereits in eine neue Weite geführt hat. Er lässt sich nicht verbittern, obwohl die harten Urteile seiner Kritiker ihm Unrecht tun. So bleibt er in der Liebe Jesu trotz der Anfeindungen. Allerdings, so wird es immer wieder berichtet: Wenn Menschen dauerhaft hart und verschlossen bleiben, lässt Jesus sie und wendet sich denen zu, die offen sind. Es kommt die Zeit, da hört das Werben um die Gegner auf, nicht aber die Liebe zu ihnen.

Von Anfang an erlebten die Jesu Jünger und Jüngerinnen Widerspruch. Sie wurden verfolgt und misshandelt. Darin fühlten sie sich ihrem Herrn nahe.

Mit schwierigen Menschen und Situationen richtig umgehen

Wir werden nicht verfolgt. Doch Menschen, mit denen wir es schwer haben, bleiben auch uns nicht erspart. So unterschiedlich sie sein mögen, eines ist allen Konflikten gemeinsam: Sie kosten viel Zeit und Energie. Sie können uns um den Schlaf bringen, krank machen, die Freude am Leben ersticken. Es sind Krafträuber. Rauben sie auch den Segen?

Das kommt darauf an. Der Geigenbauer Martin Schleske schreibt in seinem Buch Werk/Zeuge: „Wir haben wenig Einfluss, was uns widerfährt, aber wir haben einen großen Einfluss auf das, was wir erfahren. Denn was bedeutet Erfahrung anderes, als dass wir die    Geschehnisse auf unsere je eigene Art erlebt, gedeutet und verarbeitet haben?“[1] Er ermutigt zu einem „heiligen Trotz“ - wie in Psalm 73: „Aber trotzdem bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand und leitest mich nach deinem Rat.“ (Psalm 73,23f)

Darauf kommt alles an, dass wir bei Jesus bleiben. Gerade im Umgang mit Menschen, die uns Not bereiten, brauchen wir diesen „heiligen Trotz“. Jesus leidet ja mit uns! Er nimmt uns ein Stück mit auf seinem Leidensweg. Weil er uns liebt! Darum teilt er Freude und Leid mit uns. An hart gewordenen Menschenherzen, an Unrecht und Unterstellungen leidet auch er. Unser Leid und die Menschen, die uns Not bereiten, dürfen wir zu ihm bringen und dem himmlischen Vater ans Herz legen. Dabei geschieht etwas Heilsames: Unsere Beziehung zu Jesus wird stärker, inniger, wahrhaftiger. Wenn wir uns von ihm leiten lassen, weist er uns hin auf unsere wunden Punkte.  Wir erkennen, was unser Anteil an dem Konflikt ist. Womöglich deckt Jesus alte Verletzungen auf. Im Licht seiner Wahrheit beginnen sie zu heilen. Wir selbst werden zurechtgebracht. Mit Jesus zusammen tragen die Problem-Menschen dazu bei, dass wir widerstandsfähiger werden. Unser Leben gewinnt an Tiefgang. Wie ein Schiff, das nicht mehr von jeder Welle umgeworfen wird. Oder wie ein Baum, dessen Wurzeln in der Tiefe Halt und Nahrung finden. Trotz aller Last, die Menschen uns aufbürden: Den Segen dürfen sie uns nicht rauben. Im Gegenteil! Wenn wir nur Jesu Hand festhalten mit „heiligem Trotz“ und auf seinen Rat achten. ER lässt sich durch nichts und niemanden daran hindern, uns zu segnen.

Ein altes Gebet nimmt uns hinein in dieses Vertrauen: Wir danken dir, Herr Jesus Christus, dass du uns trägst mit deinem Erbarmen. Wir bitten dich: wandle in Segen, was uns ängstet und beschwert. Wie die Früchte des Feldes gedeihen unter Sonne, Wind und Wolken, lass auch uns reifen für deine Ernte. Wir bitten dich um den hellen Schein deines Angesichts über die Menschen, die wir lieb haben, und über die Menschen, die uns zu tragen geben. Dein sind wir im Licht und im Dunkel der Zeit. Du segnest unsern Ausgang und Eingang in Ewigkeit. Amen.[2]

[1] Martin Schleske: Werk/Zeuge. In Resonanz mit Gott, bene! Verlag München 2022, S. 614.

[2] Vgl. Evangelisches Gesangbuch (Ostverbund), Zwischentext unter Nr. 488, leicht gekürzt und verändert.

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