Navigation überspringen

/ Wort zum Tag

Aufblühen im Alter

Jürgen Barth über Psalm 92,14-15

Die gepflanzt sind im Hause des HERRN, werden in den Vorhöfen unsres Gottes grünen. Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein.

Psalm 92,14–15

Viele Menschen möchten gerne alt werden, aber kaum einer möchte alt sein. Mit dem Alter verbinden viele die Vorstellung von Schwäche, eingeschränkten Lebensmöglichkeiten und vergangener Schönheit. Das passt nicht zu den Idealen unserer Zeit – Kraft, Fitness, Schönheit, Gesundheit, Lebensentfaltung. Wer alt ist, der hat – nach Meinung vieler – das „eigentliche“ Leben schon längst hinter sich.

Bedeutet „alt sein“: keine Aufgaben mehr zu haben und nicht mehr gebraucht zu werden? Wertlos und einsam sein? Oder nur noch: Warten auf das Ende?

Das Bibelwort für heute spricht ganz anders vom Alter: „Die gepflanzt sind im Hause des HERRN, werden in den Vorhöfen unseres Gottes grünen. Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein.“

Was für ein Bild! Ein blühender, fruchtbarer Baum, voller Saft und Frische. Ist das nur Wunschdenken und die Wirklichkeit sieht ganz anders aus? Mir fallen Bilder von anderen Bäumen ein. Bäume, die nicht mehr nach oben wachsen, sondern auf dem Boden liegen und die entwurzelt sind. Oder Bäume, deren Stämme und Äste nur noch skelettartig nach oben ragen. Bäume, die kein Grün – und vor allem – keine Früchte mehr tragen. Was macht den Unterschied? – Ein Baum, der entwurzelt ist, stirbt ab. Nur da, wo der Baum einen guten Wurzelgrund hat, kann er sich entwickeln, blühen und auch Früchte tragen.

Der Psalm 92 ist eine Anfrage: Wo bin ich verwurzelt? Wo bin ich eingepflanzt? Oder bin ich wie ein entwurzelter Baum?

Hier begegnet uns noch ein anderes Bild. Das Bild von einem Haus mit Vorhöfen. Dabei geht es nicht um irgendein Wohnhaus, eine Villa oder ein Ferienhaus. Mit dem „Hause des Herrn“ ist der Tempel in Jerusalem gemeint. Für fromme Juden der Ort der besonderen Gottesnähe. Der Ort, an dem man Gottesdienste gefeiert und Gott angebetet hat. Der Ort, an dem man seine Verbundenheit mit Gott auch durch Opfer zeigte. Ein Ort, an dem Menschen in ihrem Glauben gestärkt wurden. Um es mit den beiden Bildern des Bibelwortes zu sagen: da wohnten sie, da waren sie zuhause, da waren sie verwurzelt. Das gab ihnen Halt für ihr Leben.             

Der Tempel in Jerusalem wurde zerstört. Wo ist für uns heute der Ort, an dem wir eingepflanzt sind? Wo wir zuhause sind und wohnen? Wo sind wir verwurzelt?

Für mich persönlich ist es der Glaube an Jesus Christus und die christliche Gemeinde. Das gibt meinem Leben Halt. Das prägt mich. Das stärkt und ermutigt mich. Das erfüllt mich mit Hoffnung und Zuversicht. Und wie ist das mit den Früchten? Im Psalm 92 geht es nicht um Äpfel oder Birnen. Da geht es nicht darum, was wir am Ende unseres Lebens an beruflichem, wirtschaftlichem Erfolg vorweisen können, was wir alles geleistet haben. Da geht es nicht so sehr darum, was wir haben, sondern was wir sind. Ich erinnere mich gerne an alte Menschen, denen ich begegnet bin und an denen ich etwas von der „Frucht“ der Dankbarkeit, der Zufriedenheit und Gelassenheit erlebt habe. Obwohl auch ihr Leben nicht immer schön  verlaufen ist und sie manches Leidvolle erfahren haben. Sie erlebten es, was der Liederdichter Jochen Klepper mit den Worten ausdrückt:

„Ja, ich will euch tragen bis zum Alter hin. Und ihr sollt einst sagen, dass ich gnädig bin.“

Wer die Liebe und Gnade Gottes in seinem Leben erfährt, der wird davon geprägt. Der muss sich im Alter nicht nutzlos und wertlos vorkommen. Mancher, der im Alter erlebt: meine körperlichen Kräfte nehmen ab und ich kann mich in der Gemeinde nicht mehr so wie früher einsetzen, aber ich habe Zeit. Und die will ich nutzen, um für Andere zu beten.

Eine große und wichtige Aufgabe, die nicht vergebens ist.  

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.