/ Wort zum Tag
Grenzen überwinden
Klaus Jürgen Diehl über Epheser 2,14.
Christus ist unser Friede.
Es ist offensichtlich, dass unsere Gesellschaft in immer unterschiedlichere Interessengruppen auseinanderfällt und das uns miteinander Verbindende immer mehr in den Hintergrund tritt. Manche sehen in der Unterschiedlichkeit den Ausdruck einer erfreulichen Vielfalt. In Wirklichkeit aber führen die betonten Unterschiede und Gegensätze dazu, uns immer häufiger voneinander abzugrenzen und übereinander herzuziehen. Es ist schon erschreckend, mit welchem Spott und welcher Häme in den sozialen Netzwerken Andersdenkende bedacht werden. Manchen Zeitgenossen scheint es geradezu Vergnügen zu bereiten, Dreck auf die zu werfen, die anders ticken oder leben als sie selbst.
Was ist bloß mit unserer Gesellschaft los, dass wir so übereinander herfallen? Dass wir jeden Anstand und Respekt vermissen lassen, wenn wir es mit Menschen zu tun haben, die nicht in unser Denk- und Lebensmuster passen? Warum sehen wir in dem Fremden zuerst die Bedrohung – und nicht eine Bereicherung?
Sicher gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Antworten darauf. Aber ein wesentlicher Grund scheint mir darin zu liegen, dass wir in dem Andern – so fremd und abstoßend sein Verhalten zunächst erscheinen mag – nicht mehr zuerst das geliebte Geschöpf Gottes sehen, für den Jesus wie für uns alle am Kreuz gestorben ist. Ja, auch ich habe meine Schwierigkeiten, wenn ich an die Corona-Pandemie bestreitenden Querdenker oder an Verschwörungsanhänger mit ihren abstrusen Verdächtigungen denke. Aber weil sie wie ich von Gott geschaffen und geliebt sind, habe ich kein Recht, ihre Fremd- und Andersartigkeit zum Anlass zu nehmen, ihnen Respekt und Wertschätzung vorzuenthalten.
Ja, ich möchte noch einen Schritt weiter gehen. Im Epheserbrief schreibt der Apostel Paulus passend zum heutigen Karfreitag: „Christus ist unser Friede!“
Es ist interessant, in welchem Zusammenhang dieser Satz steht. Ausgangspunkt ist die traditionelle, stark religiös bedingte Gegnerschaft von Juden und Heiden. Als von Gott auserwähltes Volk sahen Juden verächtlich auf die heidnischen Nachbarvölker herab und waren bemüht, sich in jeder Hinsicht von ihnen abzugrenzen. Doch dann sorgt Jesus mit seinem Sterben und dem Auftrag zur weltweiten Mission dafür, dass die bisher trennenden Grenzen überwunden werden.
Der zu Pfingsten ausgegossene Heilige Geist bewirkt, dass Menschen aus unterschiedlichen Völkern und Rassen sowie verschiedener Herkunft und Bildung im Glauben an Jesus zueinanderfinden und beglückende Einheit erleben. Damit sind nicht automatisch alle Konflikte aus der Welt geschaffen. Zwischen Juden- und Heidenchristen blieben damals gravierende Unterschiede bestehen, die wir bis heute in der Vielfalt unterschiedlicher Konfessionen und Kirchen erleben – und manchmal auch seufzend erleiden. Ich denke daran, dass zwischen Katholiken und Protestanten immer noch kein gemeinsames Abendmahl möglich ist.
Aber entscheidend ist, dass wir in Jesus, seiner Botschaft, seinem Leiden, Sterben und Auferstehen die gemeinsame Mitte finden, die uns in versöhnter Verschiedenheit beieinander hält.
Dass Christus unser Friede ist, bedeutet nun aber nicht, dass uns der Friede wie eine reife Frucht in den Schoß fällt. Immer wieder lesen wir im Neuen Testament, dass wir uns um den Frieden bemühen, ja, ihm nachjagen sollen. Das gilt ganz besonders auch in unserer Zeit, die – wie ich eingangs erwähnte - von so viel Friedlosigkeit und Hass bestimmt ist. Da sind wir als Christen besonders herausgefordert, den abschätzigen und gemeinen Reden über andere entgegenzutreten und uns entschlossen für einen respektvollen Umgang miteinander einzusetzen.
Ihr Kommentar
Kommentare (2)
Lieber Pfarrer Diehl, danke für Ihre Worte: ja, Christus ist unser Friede. Christus steht auch über der Entwicklung in unserem Land im letzten Jahr - das tröstet mich. Seit einem Jahr Abstand halten, … mehrkein Chorgesang, eingeschränkte Besucherzahlen, in vielen Kirchen kein Gemeindegesang, nur eingeschränkt Jugendarbeit etc. - ob das nach Gottes Willen ist? Ist das nicht ein „fauler Friede“ der Bequemlichkeit? Die Not der Eltern, die mit HomeSchooling überfordert sind oder der Menschen, die starke wirtschaftliche Schwierigkeiten haben: die Not trifft viele Menschen auch außerhalb der Gemeinde. Das alles wegen Corona. Ich leugne Corona nicht, aber ist das verhältnismäßig??? Bei einer Pandemie sind 10%- ( oder mehr) aller Menschen gestorben. In unserem Dorf und unserem Umfeld ist das nicht der Fall! Aber die unverhältnismäßigen Einschränkungen hinterlassen bei allen großen Schaden. Deshalb wollen wir umso treuer an unserem Glauben festhalten, aber auch in unserem Umfeld prüfen, was Gott „wohlgefällig“ ist und dafür einstehen. Bleiben Sie gesegnet
Guten Morgen Herr Diehl. Ich finde es traurig, dass Sie mit Ihrer persönlichen Meinung zu Querdenken Ihrer eigenen Kurzandacht widersprechen.