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/ Wort zum Tag

Eine rhetorische Frage

Wolfgang Buck über Jeremia 14, Vers 22.

Bist du es nicht, HERR, unser Gott, auf den wir hoffen?

Jeremia 14,22

Eine rhetorische Frage steht da im Buch des Propheten Jeremia Kapitel 14: „Bist du es nicht, HERR, unser Gott, auf den wir hoffen?“
Auf den ersten flüchtigen Blick ein tröstliches Wort, ein Bekenntnis, das viele Christen sofort nachsprechen können. Aber wie so oft ist der Zusammenhang entscheidend für das Verständnis eines Bibelwortes:

Es ist die Zeit um 600 v.Chr. In Jerusalem scheint alles in Ordnung zu sein. Die Gesellschaft lebt im Wohlstand, die Tempelgottesdienste sind gut besucht, die Priester tun ihr Bestes, die Opfer werden dargebracht, die Tempelchöre singen gut, die Hofpropheten sagen eine glänzende Zukunft voraus – und die Kasse stimmt auch.

Und doch muss der Prophet Jeremia im Auftrag Gottes intensiv warnen, denn hinter der schönen Fassade ist es gewaltig am bröckeln: Der Glaube ist nur noch äußerlich, und deshalb geht es auch im Alltag der Gesellschaft bergab: Bestechung und Unrecht nehmen zu, die Reichen und Einflussreichen legen das Recht zu ihren Gunsten aus, die Armen werden immer ärmer und rechtloser – Kennzeichen jeder alt gewordenen Gesellschaft. Aber das scheint niemanden zu stören – bis auf Gott. Er droht angesichts des himmelschreienden sozialen Unrechts, sein eigenes Volk hart zu strafen, fast zu vernichten. Und genau das hat Jeremia warnend zu verkündigen – allein gegen alle, der klassische Spielverderber.

Im direkten Umfeld unseres heutigen Wortes finden wir einen dramatischen Dialog zwischen dem Propheten und seinem Gott. Denn der hat eine extreme Dürre ins Land geschickt, sozusagen als Warnschuss. Aber niemand begreift es. Und dann droht Gott in eindrücklicher Weise sogar die Vernichtung des Volkes an – und Jeremia erweist sich als engagierter Prophet: Er steht dazwischen und wird zum verzweifelten Fürsprecher der Leute. Aber Gott ist brutal: „Du sollst nicht für dies Volk um Gnade bitten!“ sagt er ihm.

Doch Jeremia hört nicht auf, und so gehen in Kapitel 14 die Argumente weiter hin und her.
Schließlich besinnt sich Jeremia auf das stärkste Argument, das auch schon Mose einmal verwendete, als Gott das Volk vernichten wollte. Damals ging es um das „goldene Kalb“, und Mose bewirkte ein gnädiges Umdenken bei Gott – die ganze Geschichte kann man in 2Mose 32 nachlesen.

So auch jetzt: „Um deines Namens willen verwirf uns nicht“, schreit Jeremia, „lass den Thron deiner Herrlichkeit nicht verspottet werden; gedenke doch an deinen Bund mit uns und lass ihn nicht aufhören.“
Und dann folgt das Bibelwort für diesen Tag: "Bist du es nicht, HERR, unser Gott, auf den wir hoffen?"

Doch wieder antwortet Gott mit brutaler Härte: „Und wenn auch Mose und Samuel vor mir stünden, so habe ich doch kein Herz für dieses Volk.“
Irgendwann am Ende dieses Dialogs deutet Gott an, dass er wohl einige wenige Leute aus seinem Volk übrig lassen will. Aber mehr kann Jeremia hier nicht erreichen.

Der Prophet ist nicht zu beneiden. Er hat kein Evangelium zu bringen, sondern Gericht anzudrohen. Und er zerbricht zeitweise an diesem Auftrag. Kann Gott wirklich so hart sein?
Ich denke, solche Texte erinnern uns daran, dass der biblische Gott kein harmloser Opa ist, der nur noch lieb sein darf, aber ansonsten nichts mehr zu sagen hat. Und wir sollten diese Texte auch nicht sofort mit irgendeinem tröstlichen Bibelwort platt machen, sondern aushalten. Die 10 Gebote z.B. hat er so gemeint, wie sie da stehen, als gute und geniale Lebensordnung – und es ist ihm nicht egal, ob wir uns daran halten oder nicht.

Bei Jeremia endet die Geschichte wirklich schlimm. Jerusalem wird zerstört; Ende, aus.
Dass es auch anders gehen kann, zeigt uns Jesus:  Umkehr, Rückbesinnung, Neuanfang, Versöhnung, im Großen wie im Kleinen sind möglich.
Aber der Schlüssel dazu liegt in unserer Hand, auch heute!
„Gott zwingt nicht, er lockt“, hat Luther immer wieder gesagt.

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