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Danken und Erinnern

Jürgen Werth über Psalm 105,1

Danket dem HERRN und rufet an seinen Namen; verkündigt sein Tun unter den Völkern!

Psalm 105,1

Paulus schreibt: Wir wollen das Evangelium auch denen predigen, die jenseits von euch wohnen.

2. Korinther 10,16

Danket dem HERRN und rufet an seinen Namen; verkündigt sein Tun unter den Völkern!

„Danket dem Herrn und rufet an seinen Name; verkündigt sein Tun unter den Völkern!“ So beginnt Psalm 105. Ein Lied, das ganz bestimmt nicht nur einer gesungen hat, sondern die ganze Gemeinde. Und das immer wieder. Im Gottesdienst. Vielleicht zuweilen gar bei der mühseligen Feldarbeit. „Danket dem Herrn!“ Aber dann geht’s erst richtig los. Der Psalm entfaltet die ganze Geschichte des Volkes Israel. Menschengemachte Katastrophen und Kriege und immer wieder Gottes Wunder und Wohltaten. Seine schier unerschöpfliche Bereitschaft zur Vergebung und zum Neubeginn.

Ein Dankpsalm. Ein Erinnerungspsalm. Die Menschen danken Gott, weil sie sich erinnern. Gegenseitig erinnern. Und sie erinnern sich, weil sie danken. Weil Christen sich hier etwas abgucken können, haben sie hier in Deutschland das Jahr der Dankbarkeit ausgerufen. Denn das alles kennen ja auch Christen zur Genüge: Menschengemachte Katastrophen und Kriege und immer wieder Gottes Wunder und Wohltaten. Seine schier unerschöpfliche Bereitschaft zur Vergebung und zum Neubeginn.

Alleine die jüngste Geschichte. Aber wir müssen uns gegenseitig erinnern. Und uns immer wieder erinnern lassen. Manchmal von Menschen, von denen wir es nicht erwartet hätten. Ich erinnere mich an eine denkwürdige Begegnung:

Der junge Kellner im indischen Mumbay war geradezu aus dem Häuschen, als er gehört hatte, dass wir aus Deutschland kommen. „Frrom Gerrmany!!“ prustete er in seinem unnachahmlichen Indisch-Englisch. Und dann sprudelte es geradezu aus ihm heraus. Dass wir ein beneidenswertes Land wären. Weil wir das Wunder der Wiedervereinigung erlebt hätten. Und dass bei uns bestimmt alle Menschen jeden Tag auf der Straße tanzen würden vor Begeisterung. „Wenn ich einmal Großvater bin, werde ich meinen Enkeln erzählen, dass ich das erlebt habe! Dieses unglaubliche Wunder! Ihr seid das glücklichste Volk der Welt!“

Meine Reisegefährten und ich haben wohl ein bisschen betreten zu Boden geblickt. Wir schrieben das Jahr 1996. Und die Euphorie über die Vereinigung der beiden Deutschlands war längst davongeflattert, wie ein Schwarm Zugvögel auf der Durchreise. Wessis und Ossis hatten sich nur kurz in den Armen gelegen. Inzwischen waren viele wieder auf Distanz gegangen. Und machten Witze über die Möglichkeit, eine neue Mauer aufzubauen. Verwundert fragten sich viele, warum sie die Wiedervereinigung einmal für ein Wunder gehalten hatten.

Nein, ich glaube nicht, dass unser Kellner uns mit diesen Freundlichkeiten nur deshalb überschüttet hat, weil er auf ein üppiges Trinkgeld spekuliert hat. Denn seine dunklen indischen Augen blitzten, als er in unsere trüben europäischen blickte. Als er in der Küche verschwunden war, raunten wir einander ein bisschen betroffen zu: „Er hat ja eigentlich Recht. Blöd, dass wir das so schnell vergessen haben. Noch blöder, dass uns ein indischer Kellner daran erinnern muss.“

Wir hier in Deutschland haben keinen Psalm 105 wie das Volk Israel. Einen Psalm, den man dort immer wieder gesungen hat. Den man bis heute singt. Schade. Vielleicht wäre es ja mal an der Zeit, so ein Danklied zu formulieren. Grund genug dazu hätten wir allemal. Und ich bin sicher: Die Menschen in anderen Teilen der Welt würden uns zuhören. Und sie würden einstimmen. Und die Welt würde ein kleines bisschen heller, wärmer, freundlicher. Und Gott würde sich freuen.

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