Navigation überspringen

/ Bibel heute

Ein Segenswunsch für Jerusalem

Ursula Hellmann über Psalm 122.

Von David, ein Wallfahrtslied. Ich freute mich über die, die mir sagten: Lasset uns ziehen zum Hause des HERRN! Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem. Jerusalem ist gebaut als eine Stadt, in der man zusammenkommen soll,

Psalm 122

Ein Wallfahrtslied. Eigentlich dachte ich: „Wer kennt denn heute noch das Wort wallen für dahinziehen, unterwegs sein?“ Offenbar ist der Begriff aber als solcher tatsächlich bis heute im deutschen Wortschatz geblieben. Wallfahrten oder Pilgerreisen gehörten zum Kulturgut der Menschen, seit sie die Wohnorte ihrer Götter an einem bestimmten Ort vermuteten. Dort zog es sie  in gewissen Abständen hin. Ob es Ehrfurcht, Furcht oder Hoffnung auf persönliche Vorteile waren, lässt sich nicht eindeutig klären. Auch das kleine Volk der 12 Stämme aus den Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs unternahm pflichtgemäß dreimal im Jahr den langen Weg zu dem Ort, der ihnen als heilige Wohnung ihres Gottes wichtig war. Zum Passahfest (Auszug aus Ägypten), zu Schawuot (Erntedankfest) und zu Sukkot (Laubhüttenfest, Gedenken an 40 Jahre Wanderung durch die Wüste) zogen die Männer vom Norden des Landes - wenn es ihnen irgendwie möglich war - zu Fuß oder auf Reittieren Richtung Jerusalem. Frauen und Kinder waren freiwillig dabei. Ihr gemeinsames Ziel war der prächtige Tempel. Die Rituale, der geschäftige Betrieb, die Gesänge der Leviten am ersten Tag des Sukkotfestes im Frauenvorhof – alles Ereignisse, die alle Beteiligten jedes Mal wieder auf die uralten Werte und Verheißungen einschworen. Was sangen die Leviten? Lieder, deren Inhalt in klaren Sätzen von der Beziehung zum Gott aller Götter sprach. Von den Erfahrungen des Volkes in schwierigen Zeiten durch die Hilfe des Ewigen, ihres Gottes, aber auch von den Klagen über eigene Zweifel und Schuld.

Das Haus des Herrn

Lieder, mit großer Seelenstärke und Dichtkunst meistens von David, dem größten König Israels, festgehalten. Unerreicht glaubensstark, von Gott gesegnet. Ein kluger Herrscher, künstlerisch begabt und Militärstratege in einer Person. Er formulierte es in einem seiner Lieder so: „Ich freue mich an denen, die zu mir sagen: Lass uns zum Haus des Herrn gehen!“

David sprach von einem Haus – wie war das möglich? Es gab doch gar kein Haus, zu dem gewallfahrt werden konnte!? Auch die kostbar ausgestattete Stiftshütte aus den Zeiten von Mose war inzwischen den Feinden Israels in die Hände gefallen. Sie kam nach Nob, dann nach Gibeon. Die Bundeslade mit den wichtigsten Erinnerungsstücken hatte David nach Jerusalem gebracht. Die Stiftshütte als Haus wurde später vom Tempel abgelöst. Die Aufzeichnungen aus Jahrhunderten nach David beschreiben die letzten Meter einer Pilgergruppe so: Davids Wallfahrtslieder wurden nicht nur von Leviten im Tempel gesungen, sondern von allen Tempelbesuchern gemeinsam – in einer ganz besonderen Weise. Die Stufen zum Tempelberg hinauf wurden einzeln beschritten und auf jeder von ihnen ein Wallfahrtslied gesungen. Es kann sein, dass dieses Ritual eine Erinnerung war an den Tag, als König David die Bundeslade unter Musik und Tanz in die Hauptstadt zurückholte. Zu diesem Unternehmen wählte er mehrere Tausend Männer aus und zog mit ihnen nach Baala in Juda, um die Lade nach Jerusalem zu holen. Während des ganzen Transportes erklang die Musik von Zithern, Harfen, Tamburinen und Zimbeln. Die Lade blieb erst einmal drei Monate lang auf halber Strecke im Haus von Obed-Edom, weil der Tod eines Trägers David zutiefst erschreckte.

Ankunft der Bundeslade

Danach kam die Truhe endlich in einem spektakulären Geleitzug in die Stadt. Das Besondere an diesem Tag: Der „Wallfahrtszug“ blieb alle sechs Schritte stehen. Je einer der mitgeführten Ochsen und Kälber wurde zu Ehren Jahwes geopfert. Nach den nächsten sechs Schritten wiederholte sich das Szenarium. David führte den Treck an in einem ausgelassenen Tanz – nur bekleidet mit einem Teil des priesterlichen Gewandes. Die Bundeslade fand ihren Platz in einem Zelt, das David für sie vorbereitet hatte. Dieses schrittweise Vorangehen zu dem endgültigen Standort der goldenen Bundeslade könnte das Vorbild gewesen sein für die Wallfahrer auf der Tempeltreppe.

Davids Lied, geeignet als Segens- und Anbetungslied, auch noch Hunderte von Generationen nach der glorreichen Königszeit! Es enthält meines Erachtens deutliche prophetische Anklänge. Erstaunlich seine Bemerkung: „Dort sind Throne zum Gericht aufgestellt! Die Throne des Hauses David!“ Stand ihm schon eine Ahnung vor Augen, dass sein Nachkomme in menschlicher Form nicht nur auf seinem, sondern auf dem göttlichen, ewigen Thron als Richter der ganzen Welt sitzen würde? Jesus Christus. Und dass Gericht und Gnade als untrennbar verbunden gedacht waren in einer Person, einer Geschlechterreihe, in der auch er selbst vorkommt – wie tief muss er mit dem Herrn aller Dinge innerlich verbunden gewesen sein!

Psalm 122 - er ist eingebunden in eine Sammlung ähnlicher Hymnen zur öffentlichen Verehrung eines über alle anderen Religionen erhabenen Herrn. Und doch strahlt aus ihm eine noch weit höhere Dimension von Wissen um den Urgrund von Demut und Gerechtigkeit, verbunden mit der unfassbaren, aber gewissen Aussicht auf eine auch bis zur Stunde noch nicht erkennbare, herrliche Stadt Jerusalem.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.