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/ Bibel heute

Gegen die Irrlehrer

Uli Limpf über Titus 1,10–16.

Denn es gibt viele, die sich nicht unterordnen, Schwätzer und Verblendete, besonders solche aus der Beschneidung, denen man das Maul stopfen muss, die ganze Häuser verwirren und lehren, was nicht sein darf, um schändlichen Gewinns willen. Es hat einer von ihnen gesagt, ihr eigener Prophet: Die Kreter sind immer Lügner, böse Tiere und faule Bäuche.[...]

Titus 1,10–16

Der heutige Textabschnitt aus dem Titusbrief ist berühmt geworden. Berühmt geworden auch in der Mathematik oder in der Philosophie. In diesen Wissenschaften kennt man so etwas wie ein Lügner-Paradoxon. Bezug genommen wird dabei auf Titus 1,12, wo Paulus den kretischen Philosophen Epimenides zitiert. Vereinfacht geht dieses Lügner-Paradoxon so: Epimenides der Kreter sagt: „Alle Kreter sind Lügner“ Wenn alle Kreter Lügner sind, hat Epimenides dann auch gelogen?

Zugegeben, diese philosophischen Fragen gehören zu den Nebensächlichkeiten dieses Textes. Paulus ging es nicht um solche Spitzfindigkeiten. Paulus ging es um die jungen Gemeinden auf der Insel Kreta, und Paulus ging es um seinen jungen Mitarbeiter Titus, den er auf Kreta zurückgelassen hatte.

Es hat den Anschein, dass die Volksseele der Kreter kein einfaches Pflaster gewesen ist. Dafür sind die Kreter in der Antike bekannt. Sie sind bekannt für Piraterie und Egoismus. Zwischen ihren Städten gab es viele Auseinandersetzungen. Religionsvermischende Einflüsse aus Ägypten, Europa und dem Nahen Osten sammelten sich auf dieser Insel. Eine unruhige römische Provinz, ein Land der Stolzen, der Aufständischen und der Faulenzer. Wie sollte unter einem solchen Volk Gemeinde Jesu gebaut werden? Wie sollte dort christliche Gemeinde funktionieren? Was sollte für die Gemeinde gelten? Wie konnte ihr Zeugnis in einer durch und durch säkularen, oft auch ungeordneten Welt aussehen? Da war wenig geordnet und auch Paulus hatte das nicht in Kürze geschafft. Deshalb ließ er Titus zurück, um die Dinge zu ordnen. Schwach und labil war damals die Situation der Gemeinde auf Kreta. Titus hatte die Aufgabe, sie stabil zu machen, sie stark zu machen. Wie kann Gemeinde stark werden in solch einer Umwelt?

An dieser Stelle will ich einhaken, eine Brücke schlagen zu uns heute im 21. Jahrhundert. Wie können wir heute in christlichen Gemeinden zusammenleben? Wie soll Gemeindeleben bei uns aussehen? Was macht heute Gemeinden und Christen stark?

In einem ersten Schritt ging es darum, dass die Gemeinden eine stabile funktionierende Gemeindeleitung bekommen. Davon war in der gestrigen Bibellese die Rede. In einem zweiten Schritt ging es darum, die Gemeinden vor unguten Einflüssen und Lehren zu schützen.

„Es gibt viele Freche, unnütze Schwätzer und Verführer…“ schreibt Paulus. Schwätzer sind Menschen, die unnützes Zeug reden; die negativ reden, die viele, aber leere Worte machen. Menschen, die alles schlecht machen, die nichts Konstruktives beizutragen haben. Leute, die negatives Denken fördern. Paulus bezeichnet diese Personen als frech, d.h. sie sind nicht bereit, sich etwas sagen zu lassen. Von niemandem. Sie lehnen Korrektur durch Geschwister oder durch eine Gemeindeleitung ab.

Und weil ich nicht mit dem Finger auf andere Leute zeigen will, geht es zuerst einmal darum, dass ich mich selbst frage: Verbreite ich eine negative oder eine positive Atmosphäre in der Gemeinde? Bin ich ein Mutmacher oder ein ewiger Bedenkenträger und Nörgler?

Bei den Personen, vor denen Paulus den Titus warnt, geht es auch um solche, die sich selbst an der Gemeinde bereichert haben (V 11). Und es waren Irrlehrer. Irrlehrer, die aus der Mitte der Gemeinde kamen und Christen verführten.

Eine verbreitete Irrlehre damals war die, die Christen dazu aufforderte: „Ihr müsst auch noch die jüdischen Gesetze einhalten.“ Dazu gehörten Speisevorschriften, Feiertagsvorschriften und dergleichen mehr. Christus ist gut, aber er genügt nicht. Das Gesetz muss man trotzdem einhalten. Gerettet wird man aus Gnade, aber geheiligt wird man durch eigene Leistung. Es war so ein „Gnade plus…“– Programm, das durchaus auch heute noch in Gemeinden zu finden ist. Die Gnade genügt dann nicht. Ich brauche Gnade plus großzügige Spenden, Gnade plus Reinheit, Gnade plus die richtige Gemeinde. Das Vertrauen auf Jesus, das Leben aus der Gnade Gottes rückte an den Rand, und Randthemen des Glaubens rückten ins Zentrum der Verkündigung und des Gemeindelebens. „Darf man als Christ…“ ist dabei eine beliebte Frage, die in Jugendgruppen oder Hauskreisen vorwärts und rückwärts diskutiert wird.

In der Gemeinde, in der ich arbeite, haben wir es so definiert: Rettung aus Gnade, Liebe zu Gott und zu den Menschen und das Vertrauen in die Bibel sind der unverrückbare Mittelpunkt unserer Gemeinde. Aber alle anderen Fragen sind Fragen des Randes.

Sind das alte Fragen, die nur die Gemeinden damals betroffen haben? Ich denke nicht. Das Problem ist aktueller, als ich es mir wünschen würde. Durch das Internet hat jeder und jede die Möglichkeit das zu verbreiten, was ihm wichtig ist. Da gibt es durchaus auch wirre YouTube-Kanäle, viele selbsternannte Lehrer. Die Anzahl derer, die schräge christliche Theorien vertreten, ist durch das Internet nicht kleiner, sondern viel größer geworden. Von daher – es gibt auch heute Irrlehrer, die Hauskreise, Gemeindegruppen oder auch ganze Gemeinden spalten. Ihnen muss man den Mund stopfen, schreibt Paulus, und er formuliert das überraschend scharf.

Ziel ist ein gesunder Glaube, eine gesunde Lehre, eine gesunde Gemeinde. Was hilft uns unseren Glauben fest zu machen, was hilft mir gesund zu bleiben in meiner Jesusnachfolge?

Für mich sind das: gute Predigten, hilfreiche Bücher, wertvolle Gespräche zu zweit oder in kleinen Gruppen, stille Stunden zwischen mir und meinem Herrn, authentische Leiter und Prediger, ehrliche Seelsorger – all das hat mir geholfen, meinen Glauben zu festigen, nicht bei jedem Wind und wegen jeder Meinung aus den Latschen zu kippen. Es lohnt sich, hier zu investieren – im persönlichen Leben und in Gemeinden.

Zu einem gesunden Glauben gehört auch, dass er nach außen hin sichtbar wird. Paulus schreibt das im letzten Vers des heutigen Abschnitts: Die Schwätzer und Schwindler behaupten zwar, Gott zu kennen, verleugnen ihn aber durch ihr ganzes Tun. Das geht nicht, das wäre das nächste Lügner-Paradoxon. An der Liebe und an den Taten, die aus dieser Liebe heraus erwachsen, erkennt man den gesunden Christen. Gerne erinnere ich an die Jahreslosung für dieses Jahr, wo Paulus der Gemeinde in Korinth schreibt: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ (1. Korinther 16,14)

Gute Vorbilder, klare Lehre und ein solides Glaubensfundament – das macht Gemeinden und das macht unser Leben und unseren Glauben stark. Wo will ich ansetzen? Wo fehlt es mir am meisten? Was will ich mir vornehmen?

Jesus Christus will uns darin stärken. Er will, dass unser Glaube und unsere Gemeinden stark werden, dass wir ein Licht auf dem Berg sein können.

Gott schenke uns dazu heute Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Heiland (V 4).

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Kommentare (2)

Ursula /

Welche Überraschung heute, einen Beitrag von dir, Uli, im ERF zu lesen und zu hören. Vielen Dank für deine Ausführung! Wir waren mal zusammen mit der Pforzheimer Stadtmission in Paris, daran erinnere ich mich immer wieder gerne! Viele Grüße aus VAI.

Stefan H. /

Ein starkes "Bibel heute"! Auch die beiden Timotheus-Briefe wurden gehaltvoll ausgelegt. Vielen Dank