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Vom Herrschen und vom Dienen

Martin Siehler über Matthäus 20,17–28.

Vorschaubild: Matthäus 20

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Matthäus 20

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Täglich werde ich über die Medien mit schlechten Nachrichten konfrontiert. Während manche Mitmenschen tief in den Sog dieser Berichte abtauchen, entscheiden sich andere, das völlig zu ignorieren. Psychologen sprechen von bewusster Ignoranz, wenn Menschen negative Informationen meiden.

So ähnlich stelle ich mir das auch bei den Jüngern von Jesus vor. Auf dem Weg von der Jordanebene hinauf nach Jerusalem kündigt Jesus zum dritten Mal sein bevorstehendes Leiden und Sterben an, aber die Jünger blenden diese negative Information komplett aus. So detailliert wie bisher hatte Jesus noch nie von seiner Passion gesprochen. Er kündigt an, dass die Hohenpriester ihn zum Tode verurteilen und den Heiden, also den Römern, übergeben werden. Jesus spricht von Kreuzigung und Auferstehung. Die Jünger erreicht das alles nicht, sie sind auf einer ganz anderen Spur unterwegs.
 

Bewusste Ignoranz bei den Jüngern?

Wie leicht passiert es auch mir, dass ich mit meinen Gedanken und Wünschen ziemlich festgelegt bin und nicht bemerke, dass meine Vorstellungen gar nicht mehr zu dem passen, was tatsächlich passiert. Die Jünger hätten sich ja auch fragen können, wie sie selbst in dem bevorstehenden Leiden standhaft bleiben. Leiden interessiert sie aber nicht, sie wollen wissen, wer der Wichtigste unter ihnen ist. Für sie geht es um den besten Platz in der Rangfolge. Die Sehnsucht nach Größe und Bedeutung, oder auch nach Bewunderung, steckt in uns Menschen.

Die Mutter von Jakobus und Johannes spürt, dass in Jerusalem die entscheidenden Tage auf Jesus zukommen. Da will sie rechtzeitig ihre Söhne in Stellung bringen. Als sie vor Jesus auf die Knie fällt, stehen ihre Söhne bei ihr. Ihr Kniefall zeigt, wie hoch sie Jesus schätzt und wie wichtig ihr das Anliegen ist. Ihre Söhne sollen im Reich Gottes links und rechts neben Jesus sitzen. So nah wie möglich bei Jesus sein, ist ein ehrenwertes Anliegen. Es geht der Mutter aber nicht nur um die Nähe, es geht ihr auch um Einfluss und Macht. Sie hat noch nicht verstanden, dass Jesus zuerst gekommen ist, um zu dienen, zu leiden und zu sterben.
 

Jesus und die Machtlosen

Jesus ist noch nicht gekommen, um seine Macht zu zeigen, sondern um den Machtlosen beizustehen, den Schuldigen zu vergeben und die Gebundenen zu befreien. Jesus geht es um ein geistliches Reich, indem Liebe, Vertrauen und wahre Gottesfurcht regieren. Deshalb kann Jesus später bei der Verhandlung vor Pilatus sagen: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“.

Als die anderen Jünger bemerken, um was es geht, fühlen sie sich sofort zurückgesetzt. Ich finde bemerkenswert: Jesus tadelt die Bitte nicht, stellt aber in Frage, ob sie wirklich ermessen können, um was sie bitten. Denn wer nahe bei Jesus ist, der wird auch in sein Leiden einbezogen. Aus dem Abstand von heute beobachtet hört es sich ziemlich vollmundig an, wenn sie behaupten: „Ja, wir können den Kelch trinken, den du trinkst“. Tatsächlich wird Jakobus später der erste Märtyrer und Johannes wird auf die Insel Patmos verbannt.

Jesus nutzt die Gelegenheit, um seinen Jüngern Grundsätzliches zum Thema Herrschen und Dienen zu sagen. Herrschern geht es um ihre Macht. Sie halten ihre Völker niedrig. Sie regieren von oben nach unten. Bis heute ist das so, vor allem in Diktaturen, in denen es keine demokratische Kontrolle der Macht gibt. Wenn solche Herrscher dann ihre Macht noch ausweiten wollen, kommt es zum Krieg. Jesus sagt eindeutig: So soll es bei euch nicht sein! In der Gemeinde soll nicht Wichtigtuerei, sondern eine Gesinnung des Dienens eingeübt werden.
 

Dienen auf Fußhöhe

Beim Dienen besteht grundsätzlich ein Abhängigkeitsverhältnis von einem Geringeren zu einem Größeren. Früher dienten Knechte und Mägde ihren Gutsbesitzern. Heute müssen Arbeiter und Angestellte als Untergebene Aufgaben erfüllen, die ihnen vorgegeben werden. Neben der Pflicht zum Dienen gibt es auch den Freiwilligendienst oder den Dienst aus Liebe. Diesen Dienst hat Jesus im Blick, wenn er vom Dienen spricht. Beim Dienen geht es dann nicht um mich, sondern um den Anderen, um den Nächsten. Beim Dienen geht es nicht um die eigene Macht und Ehre, sondern um das Wohl der Gemeinschaft. Wahre Größe in der Gemeinde zeigt sich also durch Dienen und Hingabe. Aber das heißt für mich auch, ich kann eigene Interessen nicht mehr nach vorne stellen. Zugunsten der Gemeinschaft mit anderen Christen auf eigene Ideen oder Projekte zu verzichten, fällt mir schwer.

Wäre der Verzicht nicht so schwer, hätten wir heute in der Gemeinde weniger Probleme, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Der Segen des Dienens zeigt sich in der Gemeinde, die liebevoll miteinander umgeht und in der einer auf den anderen achtet. Jesus selbst gibt das beste Beispiel für dienende Gesinnung, als er den Jüngern die Füße wäscht. Jesus beugt sich damit nicht nur auf Augenhöhe zu den Jüngern, sondern auf Fußhöhe. Jesus setzt um, was Dienen in Liebe bedeutet: Den Anderen höher achten als sich selbst!
 

Freiwilliger Sklavendienst

Jesus bleibt nicht beim Dienen stehen, sondern geht den letzten radikalen Schritt weiter für unsere Erlösung. Er gibt sein Leben für die Erlösung. Wie ist das zu verstehen? Im Hintergrund ist das Bild von Sklaven. Sklavendienst ist kein Freiwilligendienst, Sklaven sind der Willkür ihrer Herren ausgesetzt, sieerleiden häufig ständige Unterdrückung. Sklaven müssen durch den Staub gehen und den Herren die Füße waschen. Wenn Jesus davon spricht, dass er sein Leben für die Erlösung gibt, dann steht dahinter das Bild von einem Sklavenmarkt.

Erlösung bedeutet: Jesus kauft den Sklaven frei. Die Kosten sind hoch, er kann ihn nicht mit Geld freikaufen, sondern nur so, dass er sich selbst versklaven lässt. Der Sklave wird frei und Jesus wird der Sklave. Das ist der Preis, das ist der Tausch, das ist Erlösung. Für diese Erlösung sage ich danke, für diese Erlösung gebe ich Gott mein Leben hin. Für diese Erlösung diene ich Gott gerne. Übrigens steht im Blick auf den Gottesdienst der Begriff „Dienen“ ganz nahe bei „Lieben“.

Jesus will, dass ich vom Sklavendienst zum Gottesdienst wechsle. Das war auch schon sein Wunsch ganz am Anfang der Geschichte seines Volkes Israel. Sie wurden aus dem Sklavendienst in Ägypten befreit, um zum Gottesdienst am Berg Sinai zu finden. Damals wie heute bedeutet Gott dienen, ihn zu lieben. Wer Gott liebt, dient ihm. In diesem Sinn liebe und diene ich dem Herrn mit Freuden!

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Kommentare (1)

Michael J. /

Danke für diese gut verständliche, nachvollziehbare Auslegung.