/ Bibel heute
Die Segnung der Kinder
Matthias Keilholz über Matthäus 19,13-15.

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Matthäus 19
Da wurden Kinder zu ihm gebracht, dass er die Hände auf sie legte und betete. Die Jünger aber fuhren sie an. [...] (Mt 19,13-15; LUT)
bibleserver.comEinfach mal glauben. Einfach mal die Goldwaagen weglassen, auf die ich so gerne jedes Wort lege. Einfach mal Kind sein, Gottes Kind. Geht das?
Da ist Jesus. Er lehrt und diskutiert. Die Jünger sind tüchtig mit von der Partie. Natürlich bekommen sie die Fragen mit, mit denen die Gelehrten ihrer Zeit Jesus löchern. Und sie haben ihre eigenen Fragen. Ein Kapitel zuvor, am Anfang von Kapitel 18, haben sich die Jünger untereinander gestritten: „Wer ist denn der Größte im Himmelreich?“ Im Grunde hofft doch jeder, dass er selbst es ist. Und Jesus verweist direkt auf die Kinder. „Das Himmelreich ist nur offen für diejenigen, die sich wie Kinder nahen“, sagt Jesus in Kapitel 18 Vers 3.
Die Diskussionen gehen weiter. Wie soll in der christlichen Gemeinde auf Verfehlungen aufmerksam gemacht werden? Lieber schweigen? Lieber alles aufdecken? Und klar – die Frage nach der Vergebung gehört dazu. Wie oft muss ich vergeben? Reicht siebenmal? In christlichen Kreisen ist Jesu Antwort wohlbekannt: Siebenmal siebzigmal. Auch um die Ehe geht es im 18. Kapitel. Es wird nicht einfacher und das Fazit der Jünger klingt nach all diesen Fragen eher nach Resignation: „Steht die Sache eines Mannes mit einer Frau so, dann ist’s gut, nicht zu heiraten.“ Im Grunde gilt es für die ganzen Streitfragen. „Jesus, da kommt doch keiner mehr mit.“ So hätten es die Jünger auch sagen können.
Und dann tauchen auch noch Eltern auf und bringen ihre Kinder, mitten in die Resignation hinein. „Nicht das noch. Wir Jünger kapieren nicht, was Jesus will. Und ihr andern kapiert es erst recht nicht. Was sollen da noch die Kinder hier?“
„Die Jünger aber fuhren sie an“, schreibt Matthäus. Das hört sich ziemlich entnervt an. Geschafft nach einem langen Tag voller schwerer Gespräche. Und – kann das sein? – in der eigenen Seele sind die Jünger enttäuscht, niedergeschlagen, vielleicht sogar verzweifelt. Wieso sonst sollten sie so bösartig reagieren? Das machen Menschen meist nur, wenn ihnen gerade alle Kräfte fehlen, wenn ihnen jede Freude, jede Zuversicht abhandengekommen ist.
Es ist, als ob die Jünger damit sagen: „Mit dem Himmel klappt es nicht. Wir scheitern doch bei jedem Schritt, den wir mit Jesus machen. Und wir sind wahrlich keine Waschlappen und wissen schon so viel.“ Und da soll sich Jesus noch um Kinder kümmern. Es ist zu viel für sie.
Und Jesus? Seine Worte brechen alle viel zu hoch gedachten Messlatten des Glaubens. Seine Worte reißen die Türen auf, die für die Jünger immer weiter zugehen. Jesus öffnet den Himmel, er öffnet ein weites Land, das Gottes Größe und Weite zeigt; ein Land, das Gottes Liebe und Barmherzigkeit zeigt. Das Himmelreich besteht nicht aus unüberwindbaren Hürden. Und der Weg hinein genauso wenig.
Die Jünger stehen vor den Kindern und bilden eine geschlossene Mauer. Ihre Hände sind nach außen gekehrt, sie wehren ab. Sind es ihre eigenen Ängste, die sich nach außen kehren? Ist es ihre Resignation, die hier auch andere aussperrt und sich gegen alles und jeden wehrt?
Jesus aber öffnet diese Mauer. Er schiebt die Bedenken der Jünger weg. Er lässt ihre Resignation nicht stehen. Er schiebt die festen, hohen, undurchdringlichen Tore aus Jüngerworten und Jüngerhänden und Jüngerkörpern auseinander. „Wehret den Kindern nicht, zu mir zu kommen.“
Für die Kinder öffnet sich die Weite des Himmels. Hoffentlich auch für die Jünger. Jesus jedenfalls arbeitet sich auch zu den Herzen der Erwachsenen weiter vor und behutsam öffnet er auch dort die Türen.
Die Kinder kommen durch. Jesus selbst lässt sie ein ins Himmelreich, das doch schon längst auf der Erde gegenwärtig ist. Jesus macht an dieser Stelle für alle sichtbar, was er ein Kapitel vorher als Mahnung ausgesprochen hat. In Kapitel 18, Vers 2 und 3 erzählt Matthäus: „Und er, Jesus, rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“
Und hier genauso: „denn solchen gehört das Himmelreich.“ Dort war es wie ein Gleichnis. Jesus zieht ein Kind als Beispiel heran, stellt es vor aller Augen als Gleichnis. Hier nun öffnet er den geschlossenen Kreis der Jünger und macht es wahr: Die Kinder, die mit dem Herzen wie Kinder, die kommen durch, die kommen hinein ins Himmelreich. Die mit dem Herzen wie Kinder, die kommen zu ihm durch.
Dass er die Kinder nun auch segnet, wen wundert es noch? Die Hände legt er ihnen auf, Gottes Segen legt er auf sie. Der Himmel ist auf die Erde gekommen durch seine Worte, durch seine Hände, durch ihn.
Die Diskussionen gehen danach weiter. Der reiche Jüngling wird gleich auftauchen. „Wie komme ich in den Himmel?“, fragt er. Gebote halten, alles verkaufen, nachfolgen. Die Latte liegt wieder unerreichbar hoch.
Streiten werden sich die Arbeiter im Weinberg. „Ich habe aber mehr gearbeitet als der. Also ist mein Lohn doch wohl auch höher“, heißt es Matthäusevangelium, Kapitel 20.
Einfach mal glauben. Einfach mal die Goldwaagen weglassen, auf die ich so gerne jedes Wort lege. Einfach mal Kind sein, Gottes Kind. Geht das?
Es geht wohl sehr schwer, sich Gott wie ein Kind zu nähern. Allzu viele erwachsene, durch das Leben geprüfte Argumente stehen dem entgegen. Wir müssen uns durchsetzen – nicht gegen die Liebe Gottes, sondern gegen die hohen Maßstäbe von Menschen, gegen unsere eigenen Gottesbilder, die wir eingeprägt bekamen. Wir hören vermutlich nur: „Du musst dieses und jenes erst schaffen. Du musst um dein Recht im Himmel kämpfen, den besten Platz erkämpfen. Du musst kämpfen mit allen christlichen Mitteln: Also übe genügend Nächstenliebe, benimm dich noch frömmer als bisher.
Nein, sagt Jesus. Werde wie ein Kind. Vertraue der Einladung Gottes. Seine Herzenstüren sind weit offen für dich. Was da wie eine Mauer vor dir steht, sind alles entfremdete Argumente. Die Ängste einer ganzen Kirchengeschichte, die bilden die Mauer vor Gottes Himmelreich. Aber Jesus hat sie überwunden. Er schiebt sie sanft, aber mit aller Kraft zur Seite.
Lasst die Kinder, lasst meine Kinder, meine Menschen! Lasst sie durch. Wehret denen nicht, die mir wie Kinder vertrauen wollen. Ihnen gehört das Himmelreich! Schließt euch ihnen an. Einfach mal Gottes Kind sein. Weil Gott selbst es zulässt und darum wirbt.
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
Lieber Bruder Keilholz,
Du packst das Thema "Umgang mit Kindern" beim biblischen Schopf. So wie man es traditionell sieht: Jesus setzt sich gegen seine Jünger durch, die es mit ihm gut meinen. Aber: … mehrhilft der Hinweis auf den Himmel wirklich weiter? Nicht wirklich. Am Thema kindgerechte Erziehung arbeiten sich die Reformpädagogen seit über 100 Jahren ab. Maria Montessori, Astrid Lindgren, Summerhill von Armstrong, Rudolf Steiner mit Waldorfpädogogik- sie alle versuchen, das Kind und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu steilen. Nehmen es bildlich in den Arm. Geben ihm Würde und ermutigen es. Wahrscheinlich hätte das Jesus auch getan und sich nicht von Gutmenschen, die seine Jünger ja waren, wegschubsen lassen. Sich den Kindern auf Augenhöhe nähern, das hilft ihnen und macht die Welt etwas heller. Ich denke, so wollte Jesus verstanden sein. Ohne unverbindlichen Hinweis auf den Himmel. Nichts für ungut, lieber Bruder Keilholz, es war ansonsten schon gut ausgelegt.