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Die Verwerfung Jesu in Nazareth
Hans-Jürgen Lieber über Matthäus 13,53–58.

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Matthäus 13
Und es begab sich, als Jesus diese Gleichnisse vollendet hatte, ging er davon [...] (Mt 13,53-58; LUT)
bibleserver.comHochbegabte Kinder haben es schwer. In ihrer Familie, unter Gleichaltrigen, beim Umfeld. Jesus ging es da nicht anders. Als er zwölfjährig, von der Familie getrennt, drei Tage im Tempel mit Rabbinern diskutierte, wundern sich alle. Nicht nur seine Eltern fragen: „Woher hat der Junge das?“ (Lk. 2, 41-52). Erst einmal sind sie erleichtert, nach tagelanger Suche ihr Kind unversehrt wieder zu haben.
Begabung, ganz gleich für was, ist ein Schicksal. Meist stößt es auf Befremden, wenn nicht Ablehnung. Jesus bleibt diese Erfahrung nicht erspart. Hinter seinem Rücken wird viel gemurmelt. In Galiläa - Juda meidet er schon wegen Lebensgefahr - besucht Jesus das Laubhüttenfest. Es kommt zu einem Grummeln über seinen Auftritt. “Und die Juden wunderten sich und sprachen: Wie kann dieser die Schrift verstehen, wenn er es doch nicht gelernt hat?” (Joh. 7, 15). Ein Problem bei Laienpedigern zu allen Zeiten. Auch die Herkunft macht misstrauisch. “Was kann aus Nazareth Gutes kommen!” (Joh. 1, 46.) Als ob Jesus, wie man heute sagen würde, aus einem Brennpunktviertel stammte. Die Juden taten sich mit Jesus von Anfang an schwer. Seine eigene Familie in Nazareth nicht ausgenommen.
Nach erfolgreicher Predigt in Gleichnissen (Sämann, Senfkorn und Sauerteig, Schatz im Acker, Fischernetz - alle rund um den See Genezareth verkündet) will Jesus in seiner Vaterstadt Nazareth eine Pause einlegen. Doch statt Beifall, kommt ihm Missmut entgegen: „Das ist doch einer von uns und tut so überlegen!“ – „Woher hat dieser solche Weisheit und solche Taten? Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns?” (Matt. 13, 54+55). „Woher kommt ihm denn das alles?“ Und sie ärgerten sich an ihm (Mtt. 13, 56+57). Auch den anderen Evangelisten war die Irritation in Nazareth aufgefallen (Lk. 4, 16-29). “Und er kam nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge und stand auf und wollte lesen.” (Lk. 4,16.) Dann wird es spannend. Jesus zitiert treffend den Propheten Jesaja: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen” (Lk. 4, 18).
Jesus fährt noch fort und kennt alle wichtigen Stellen von Jesaja. Er braucht sie eigentlich nicht zu lesen, er kennt sie auswendig. Setzt sich und predigt weiter. Und wieder geht das Gemurmel los. „Ist das nicht Josefs Sohn?” (Lk 4,22). Und Jesus gibt es ihnen zurück: „Wahrlich, ich sage euch: Kein Prophet gilt etwas in seinem Vaterland“ (Lk. 4,24). In Nazareth hatte er seiner Familie noch deutlicher die Meinung gesagt: „Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland und in seinem Hause” (Matt.13, 57).
Es scheint ein Verhängnis zu sein, besser zu denken, zu reden und lernen zu können als die Familie und Verwandtschaft. Erst recht, wenn sie eine gewisse Nähe zu Gott ahnen. Selbst bei unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Das erzeugt Neid und Ablehnung. Das Gegenteil von Bewunderung und Lob. Ein aktuelles Beispiel aus heutiger Zeit könnte Mut machen: Da gibt es eine hochqualifizierte Herzspezialistin einfacher Herkunft, die als Erste in Deutschland ein künstliches Herz erfolgreich transplantiert hat. Sie hatte die Courage, sich selbst zu loben: „Ich stehe hier, weil ich gut bin.” Dr. Dilek Gürsoy. Aus Chrismon 2022. Und fügte dem noch selbstbewusst hinzu: „Man darf sich auch mal selbst loben. Auf das Lob anderer Menschen könnte man sonst warten, bis man alt und grau ist.”
Ja, Loben, das bekanntlich nach oben zieht, lässt auf sich warten, wenn es denn überhaupt kommt. Da stand Jesus nicht allein. Seine Familie war ihm keine Hilfe. Im Gegenteil. Es waren andere Menschen, die seine Größe erkannten. Der Hauptmann von Kapernaum zum Beispiel oder die Sünderin, die Jesus mit Salböl die Füße wäscht. Das war's ihr wert. Menschen außerhalb seines Bekanntenkreises. Sogar aus der feindlichen Streitmacht der Römer. Und die Nazarener? Die hätten doch eigentlich in Glaubenssachen ein Heimspiel haben können? Einer der Ihren legt ihnen die Heilige Schrift so gewaltig aus, dass ihnen die Ohren klingen müssten. Aber nein, sie sind mit Blindheit geschlagen. Oder wollen aus Neid und Eifersucht nicht sehen. Sogar, wenn es der Heiland ist. Mich hat es immer gekränkt, wenn mein Talent zu Hause nicht bemerkt wurde. Da hat es mich getröstet, dass selbst dem Heiland Lob und Dank versagt wurde. Er hat dennoch allen vergeben. Auch seiner Familie und seinen Verfolgern. Noch am Kreuz fühlte er unendliches Mitleid mit der verstockten Welt. Sein Opfertod hat die Verzagten und Enttäuschten getröstet und aufgerichtet. Für alle Zeit und Ewigkeit.
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
Lieber Hans Jürgen
Vielen Dank für deine Mut machende wunderbare Auslegung von Matthäus 13
Hat mir so richtig gut getan!
Liebe Grüße an deine Liebe Frau
Eure Esther aus Buchenau