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Wie lieb ist der liebe Gott?

Glaubens-FAQ / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Kim Rosta

Wie lieb ist der liebe Gott?

Gott ist gut, sagt die Bibel. Zornig wird er trotzdem. Wie aber lässt sich das Bild eines liebenden Vaters mit dem eines strafenden Richters vereinen?


Von Gottes Liebe singen Christen auf der ganzen Welt, an Autos kleben „Jesus liebt dich“-Aufkleber und Kinder richten ihre Gebete an den „lieben Gott im Himmel“. Doch wer die Bibel aufschlägt, merkt schnell: Gott wird nicht nur als der liebende Vater geschildert. Er bestraft mitunter scheinbar gnadenlos, vernichtet Familien, Städte und ganze Völker. Er wird zornig und schafft diesem Zorn Luft. Stellt sich die Frage: Wie lieb ist der liebe Gott wirklich? 
 

Von was wir reden

Eines sei zur Orientierung vorweggenommen: Untersucht man Gottes Handeln in der Bibel, fällt ein Unterschied zwischen Altem und Neuem Testament auf. Während Gottes Zorn im Alten Testament häufig in einer konkreten Strafe resultiert, ist dieses Strafen Gottes im Neuen Testament kaum zu finden. Dort ist hingegen meist vom kommenden Zorn in Bezug auf das Endgericht die Rede. Der folgende Artikel untersucht anhand ausgewählter Bibelstellen die Gründe für Gottes Strafen. Anhand dessen wird erläutert, ob das Bild eines strafenden Gottes mit dem eines liebenden zusammenpasst. 
 

Zerstörung aus Willkür…

Eines der bekanntesten Beispiele für Gottes Zorn im Alten Testament ist die Vernichtung der Städte Sodom und Gomorra (1. Mose 18-19). Darin wird berichtet, dass die Bewohner moralisch völlig verdorben waren. Keiner hatte Respekt vor dem Leben oder der Würde des anderen. Der Schwächere wurde skrupellos ausgenutzt und misshandelt (vgl. 1. Mose 19,1-11; Judas 7). Lüge, Betrug, Ehebruch, Gier und falsche Götzen – all diese Dinge, die die Bewohner von Sodom und Gomorra praktizierten, machten ihr Leben unerträglich. Aus diesem Grund schrien die benachteiligten Bewohner zu Gott (1. Mose 18,20f).

Gott hörte ihr Schreien und machte sich ein genaues Bild der Lage. Er stellte fest: Außer ein paar einzelnen Personen – die Gott später rettete – befand sich nicht ein einziger Gerechter unter ihnen. Das Leid war so groß, dass die einzige Lösung, der Ungerechtigkeit ein Ende zu machen, in der Vernichtung der Städte lag (1. Mose 19,24f). 
 

… oder Befreiung aus Mitleid?

Wer Sodom und Gomorra hört, hat meist das Bild eines wahllos zerstörenden Gottes vor Augen. Doch vielleicht ist hier ein Perspektivenwechsel nötig. Kann seine Strafe nicht zugleich ein Akt der Befreiung sein? Denn Gott machte mit seinem Eingreifen dem Leid und der Ungerechtigkeit ein Ende. Andere Bibelstellen bestätigen, dass Gott stets dann eingreift, wenn er Ungerechtigkeit sieht, durch die sich der Mensch selbst zerstört.

Gott wird beispielsweise zornig, wenn der Stärkere den Schwächeren ausnutzt (2. Mose 22,21-23), jemand sich gleichgültig gegenüber seinem leidenden Mitmenschen verhält (Markus 3,1-6) oder aus Eigennutz tötet und betrügt (2. Samuel 11-12). Sprich: Wenn Menschen ihre Überlegenheit benutzen, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Gott tritt dann für die Leidtragenden, Schwachen und Ausgegrenzten der Gesellschaft ein. Sein Eingreifen beweist, dass er nicht teilnahmslos auf das Weltgeschehen schaut, sondern mitfühlt und aktiv Anteil am Leben des Einzelnen nimmt. 

Gott tritt für die Leidtragenden, Schwachen und Ausgegrenzten der Gesellschaft ein.

 

Gottes Ziel: Augen öffnen und zur Umkehr bewegen

Ob durch direktes Strafen im Alten Testament oder durch die Warnung vor dem „kommenden Zorn“ im Neuen Testament: Gottes Zorn und sein Strafen zielen immer darauf ab, den Menschen von falschen Wegen wegzuziehen und ihn zurück in seine Gemeinschaft zu bringen (Jeremia 36,7; Lukas 5,32; 2. Korinther 5,20). Gottes ursprünglicher Plan mit dem Menschen war eine Beziehung und ein Zusammenleben in Frieden (1. Mose 1,26f). Doch Gott zwingt den Menschen nicht dazu. Sein Werben um den Menschen ist vergleichbar mit der Erziehung von Kindern.

Ein Vater, der seine Kinder liebt, stellt Regeln auf, um seine Kinder zu schützen, sie auf ein Leben in der Welt vorzubereiten. Halten die Kinder sich nicht daran, mahnt der Vater sie geduldig. Sieht er sein Kind jedoch auf die völlig falsche Bahn geraten, greift er auch mit härteren Maßnahmen durch – weil er sein Kind liebt und schützen möchte. Diesen väterlichen Umgang finden wir auch bei Gott. Das Alte Testament beschreibt, dass sich das Volk Israel immer wieder von Gott abwendete und unnütze Götter verehrte (z.B. Richter 2,18-19; 8,33-35).

Doch anstatt dem Volk den Rücken zu kehren, beruft Gott einzelne Menschen, um das Volk zu warnen und ihnen klar zu machen, dass sie in ihr eigenes Verderben rennen. Erst wenn das nicht fruchtete, griff Gott zu harten Strafen. Meist wandte sich das Volk ihm erst dann wieder zu, als sie völlig hilflos waren. Doch Gott nahm sie wieder auf, segnete sie, anstatt zu verurteilen. 

Die Bibel macht durchweg klar: Gottes Strafe ist erst die allerletzte Instanz. Am Anfang steht eine Warnung, dann der Zorn und erst als letzte Maßnahme greift Gott zur Tat. Und selbst die Strafe hat immer noch zum Ziel, den Menschen wieder wachzurütteln und Gerechtigkeit wiederherzustellen. Die Menschen von Sodom und Gomorra hatten es so weit getrieben, dass Gott sie vernichtete. Doch auch diese Handlung hatte zum Ziel, für alle übrigen Völker ein mahnendes Beispiel zu sein (vgl. Judas 7). 
 

Der kommende Zorn oder: die kommende Gerechtigkeit

Wie bereits erwähnt, kommt das direkte Strafen Gottes im Neuen Testament nur noch sehr selten vor. Die Geschichte von Ananias und Saphira ist dabei eine der großen Ausnahmen (Apostelgeschichte 5). Wenn im Neuen Testament die Rede vom zornigen oder strafenden Gott ist, bezieht sich das auf ein kommendes Ereignis. Ein Beispiel aus Römer 2,5: „Nach deiner Störrigkeit und deinem unbußfertigen Herzen aber häufst du dir selbst Zorn auf für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes.“ (siehe auch Matthäus 3,7; 1. Thessalonicher 1,10) Der Ausdruck „Tag des Zorns“ steht hier, wie auch an anderer Stelle, synonym für das Endgericht. In diesem letzten Gericht wird wiederhergestellt werden, was auf der Erde nicht möglich ist: Gerechtigkeit. 

Schon Platon, Aristoteles oder Thomas von Aquin zerbrachen sich die Köpfe darüber, was Gerechtigkeit überhaupt ist. Handelt es sich dabei lediglich um eine innere Einstellung, die nur mein eigenes Handeln betrifft, oder muss sie Ausdruck im Umgang mit meinem Nächsten finden? Wenn ja, in welchem Maß? Schon was die Definition angeht, kamen die Philosophen nicht überein. Wie viel schwerer ist dann die Umsetzung. Auch darüber haben große Denker Theorien verfasst – ohne Erfolg. 

Vollkommene Gerechtigkeit auf der Erde bleibt eine Utopie. Eine zehnjährige Haftstrafe für einen Kinderschänder kann kein zerbrochenes Leben wiedergutmachen. Kein Schmerzensgeld der Welt einem Querschnittsgelähmten seine Lebensqualität wiedergeben. Menschen, die selbst Opfer waren, werden zu Tätern. Wer will sie richten und nach welchem Maß? Wie unser Rechtssystem, so sind auch soziale Voraussetzungen alles andere als fair.

Ein Kind wird in eine wohlhabende, intakte Familie hineingeboren, ein anderes wächst in ärmlichen oder gar gewalttätigen Verhältnissen auf. Ungerechtigkeit ist ein Problem, das mit noch so großen Bemühungen nicht behoben werden kann. Und trotzdem: So abstrakt, schwer greifbar und kaum umsetzbar Gerechtigkeit auch ist. Jeder Mensch hat dennoch ein Gespür dafür, eine Sehnsucht nach vollkommener Gerechtigkeit. Die Hoffnung, dass auch die verborgene Ungerechtigkeit, die jemand an mir begangen hat, geradegerückt wird. 

Jeder Mensch hat ein Gespür dafür, eine Sehnsucht nach vollkommener Gerechtigkeit.

 

Aus Utopie wird Realität

Diese Hoffnung wird sich im Endgericht erfüllen, von dem die Bibel unter anderem in der Offenbarung (20,11-14) und im Matthäus-Evangelium (25, 31-46) spricht. Die Bibelstellen machen deutlich, dass es nicht egal ist, wie ich mein Leben lebe. Besonders im Matthäus-Evangelium macht Jesus klar: Was du einem anderen getan hast, hast du mir getan – und danach wirst du beurteilt werden. Auch in der Offenbarung ist beschrieben, dass die Menschen „nach ihren Werken“ beurteilt werden (20,13). Gott wird sich mein Leben anschauen und alle Situationen betrachten.

Die, in der ich einen einsamen Menschen besucht habe, genauso aber auch die, in der ich zu faul oder egoistisch war, meinem Nächsten etwas Gutes zu tun. Ich werde sowohl auf der Seite des Klägers, als auch auf der des Angeklagten sitzen und mich für das verantworten müssen, was ich getan oder wie ich gelebt habe (Römer 2,1-16). Dieses Endgericht zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass Gott vollkommen gerecht richten wird. Sein Gerechtigkeitssinn ist fehlerlos. Er kennt alle Hintergründe meines Lebens, meine Motive, Freude und Ängste. 
 

Mein Leben auf der Waagschale?

Schaue ich mir diese Hinweise über das Endgericht an, wird klar: Gott ist vollkommen gerecht. Aber das Urteil wird deswegen nicht unbedingt zu meinen Gunsten ausfallen. Denn Gott subtrahiert nicht einfach die schlechten von den guten Taten und schaut, was unterm Strich herauskommt. Meine Taten werden nicht abgewogen. Das funktioniert in einem weltlichen Gericht auch nicht. Ein Täter bleibt schuldig, auch wenn er noch so viel Gutes getan hat. Allein Gottes Gnade kann mich also noch freisprechen und von aller Schuld befreien. Denn Gott selbst hat in seinem Sohn Jesus die Strafe auf sich genommen, als er am Kreuz starb (Römer 8,31-39).

Dadurch ist es jedem Menschen möglich, Vergebung von seiner Schuld zu erlangen und vor Gott als gerecht zu stehen. Gottes Eingreifen im Leben des Menschen will ihn wachrütteln und ihn zu sich ziehen. Gleichzeitig macht die Bibel aber auch unmissverständlich klar, dass Gottes Geduld nicht ewig währt. Auch sein Werben um den Menschen hat irgendwann ein Ende. Deshalb können die unmissverständlichen Hinweise der Bibel auf das Endgericht für mich ein Warnsignal sein, das mich auffordert, mein Leben zu hinterfragen und zu dem Gott umzukehren, für dessen Gemeinschaft ich eigentlich bestimmt bin. Gottes Strafen in der Bibel ist ein Warnzeichen für jeden Menschen. Es soll Augen öffnen und zur Umkehr bewegen. Es macht deutlich, dass Gott an jeder einzelnen Person interessiert ist und ihn für sich gewinnen möchte. 
 

Ein liebender und ein strafender Gott zugleich

Lässt sich das Bild eines liebenden Gottes mit dem eines strafenden vereinen? Ja. Denn Gottes Eingreifen ist die Folge seiner Liebe und seines Interesses am Menschen. Liebe und Strafe Gottes gehen immer Hand in Hand: Wahre Liebe muss sich in einem gerechten Handeln auswirken, sonst ist die Liebe wertlos. Genauso muss ein gerechter Gott aber auch strafen, sonst wäre er nicht gerecht. Gottes Liebe zeigt sich also gerade dadurch, dass er nicht unbeteiligt ist, sondern am Leben des Einzelnen interessiert ist. 

Er sieht nicht gleichgültig zu, sondern fühlt und leidet mit, greift aktiv ein. Er weiß, dass seine Gemeinschaft für den Menschen das Beste ist. Deswegen wird er traurig und zornig, wenn jemand sein Leben durch Sünde zerstört und kein Interesse an ihm hat. Solch starke Gefühle hat nur ein Vater, der sein Kind wirklich liebt.

Gottes Eingreifen ist die Folge seiner Liebe und seines Interesses am Menschen.