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Ist Jesus wirklich Gottes Sohn?

Glaubens-FAQ / Lesezeit: ~ 14 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Ist Jesus wirklich Gottes Sohn?

Man kann es drehen und wenden: Es bleibt unlogisch, dass Jesus Gott und Mensch zugleich sein soll. Warum glauben Christen daran? Und warum ist das so wichtig?


„War Jesus wirklich Gottes Sohn?“ Zu dieser Frage schreibt ein Teilnehmer in einem Internetforum: „Ich kann diese Unverschämtheit einiger Leute nicht anhören, die behaupten, Jesus sei Gott.“ Ein anderer Diskussionsteilnehmer betrachtet die Frage nach der Dreieinigkeit von der praktischen Seite: „Wenn es zwei Götter gibt, Sohn und Vater, und beide verfügen über göttliche Mächte, wie soll die Führung der Welt funktionieren? Was, wenn sich die beiden nicht einer Meinung sind? Wenn sie sich streiten, würde die Welt wohl nicht lange überleben ...“1

So wie sich in diesem Forum die Teilnehmer darüber die Köpfe heiß reden, haben sich Theologen schon in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten gestritten. Schon damals gab es eine Vielzahl von Positionen und Gruppierungen: Die Monarchianer gingen zum Beispiel davon aus, dass Jesus ein ganz normaler Mensch war, der erst bei seiner Taufe mit göttlicher Kraft erfüllt wurde. Gott hat Jesus bei diesem Ereignis quasi adoptiert.

Auch für die Arianer war Jesus nicht Gott, sondern nur ein Mensch – auch wenn er Gott von allen Geschöpfen am nächsten steht. Für die Anhänger des Doketismus war zwar klar, dass Jesus Gott ist. Aber sie fragten sich, wie er gleichzeitig Mensch sein konnte. Ihrer Überzeugung nach hatte Jesus nur einen Scheinleib, war also kein wirklicher Mensch.

Die geistlichen Vordenker der damaligen Zeit trafen sich immer wieder auf Konzilen, um über diese Fragen zu diskutieren. Die Ergebnisse wurden – nicht immer einheitlich und manchmal auch mit schwerwiegenden Konsequenzen für Andersdenkende – in verschiedenen Bekenntnisschriften festgehalten. Wie haben sich die frühchristlichen Theologen bei ihren Disputen entschieden?

Im Christus-Bekenntnis von Chalcedon (451 n. Chr.) heißt es:

Wir folgen also den heiligen Vätern und lehren alle einmütig, einen und denselben Sohn zu bekennen, unseren Herrn Jesus Christus. Derselbe ist vollkommen in der Gottheit und derselbe vollkommen in der Menschheit, derselbe wirklich Gott und wirklich Mensch aus einer vernünftigen Seele und einem Körper. Er ist dem Vater wesensgleich nach der Gottheit und derselbe uns wesensgleich nach der Menschheit, in jeder Hinsicht uns ähnlich, ausgenommen der Sünde.2

 

Nach altkirchlicher Lehre ist Jesus also sowohl Gott als auch Mensch, ein Entweder-Oder lehnen die Autoren ab. Aus heutiger Sicht kann man sich fragen, ob sich diese ganzen Streitereien gelohnt haben. Solange ich Jesus als Vorbild anerkenne und versuche, so zu leben wie er, spielt es doch nur bedingt eine Rolle, ob Jesus Gott ist oder nur ein göttlich-inspirierter Mensch war. Ist alles andere nicht überflüssige Dogmen-Reiterei?
 

Kompetenzgerangel oder eine Frage der Beziehung?

Ginge es beim christlichen Glauben nur um einen bestimmten Lebensstil, dann wäre es tatsächlich nicht so wichtig, wer Jesus war. Nach biblischem Verständnis geht es beim Glauben aber zuallererst um eine Beziehung zwischen Gott und Mensch.

Meine Meinung über Jesus entscheidet darüber, wie ich diese Beziehung lebe: Denke ich, Jesus sei ein besonders inspirierter Mensch oder ein göttlicher Prophet, dann wollte Gott die Menschen durch ihn wieder auf die richtige Spur bringen. Die Worte Jesu würden mir dann wertvolle Impulse bieten, wie ich so leben kann, dass Gott damit einverstanden ist. Gott selbst bliebe dabei aber für mich auf Distanz. Schließlich spricht er nicht direkt zu mir, sondern „nur“ durch einen Boten Jesus.

Ist Jesus aber Gott, sieht es anders aus. Dann investiert sich Gott selbst, um mit mir Kontakt aufzunehmen. Dafür tut er das Unvorstellbare: Er wird Mensch. Einen deutlicheren Beweis für seine Liebe zu mir könnte er nicht erbringen. Bestimmt das erste Gottesbild meinen Glauben, dann werde ich versuchen so zu leben, dass ich letzten Endes mit Gott in Kontakt kommen kann.

Beim zweiten Gottesbild weiß ich bereits, dass Gott an meiner Nähe interessiert ist und dass ich mir seine Zuwendung nicht erst verdienen muss. Es geht bei der Frage um Jesu Wesen also nicht bloß um ein Kompetenzgerangel, bei dem die Vertreter der unterschiedlichen Ansichten Jesus den richtigen Posten als guter Mensch oder allmächtiger Gott zukommen lassen wollen. Es geht um die zentrale Frage, wie meine Beziehung zu Gott aussieht.

Die folgenden Abschnitte greifen einige Textpassagen aus der Bibel auf und versuchen zu erklären, warum Jesus nach christlichem Bekenntnis wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Es geht dabei nicht darum, eine Lösung für alle Fragen zu präsentieren. Wohl aber einen kleinen Einblick, welche biblischen Aussagen Grundlage für dieses Bekenntnis sind.
 

Menschlicher geht es nicht

Wer in der Bibel nach Hinweisen sucht, die bestätigen, dass Jesus ganz Mensch ist, wird schnell fündig. Das fängt schon damit an, dass er wie jedes andere Baby Windeln brauchte und die üblichen Entwicklungsschritte eines Kindes erlebte (Lukas 2). Da sein Vater Zimmermann war, wird er wohl später gemäß der damaligen Sitten eine Ausbildung in diesem Beruf gemacht haben. Jesus erlernte also ein bodenständiges Handwerk, die Leute kannten ihn und seine Familie (Matthäus 13,53-57).

Auch von seinem Wirken in der Öffentlichkeit werden immer wieder kleine Begebenheiten berichtet, die zeigen: Dieser Wanderprediger ist kein Gott, der zum Schein einen menschlichen Körper angenommen hat. Denn ein solcher Gott dürfte kaum Hunger, Durst, Angst oder den Wunsch nach Einsamkeit verspüren. Jesus waren diese Bedürfnisse aber nicht fremd (Matthäus 4,2Johannes 19,28Lukas 22,39-46).

Vielleicht gipfelt die Menschlichkeit Jesu darin, dass er Freunde hatte. Er zog nicht als unabhängiger Superman durch Israel, sondern war von Männern und Frauen umgeben, die ihm etwas bedeuteten und deren Nähe er in schwierigen Zeiten suchte (Matthäus 26,36-42).

Jesus selbst macht ebenfalls deutlich, dass er ein Mensch ist. Immer wieder bezeichnet er sich als Menschensohn (Matthäus 9,3-8). Klaus Berger schreibt: „‘Sohn‘ oder ‚Kind‘ bedeutet in der Bibel die größtmögliche Nähe, Verwandtschaft, Ähnlichkeit und die engste Beziehung, die eine Person zur anderen haben kann.“3 Das spricht für sich.

Gott geht die größtmögliche Nähe mit uns Menschen ein, die überhaupt möglich ist. Jesus tut nicht nur so, als ob er Mensch ist. Er ist es. Der Apostel Paulus beschreibt diese Menschwerdung Gottes so: „Jesus bestand nicht auf seinen göttlichen Rechten. Er verzichtete auf alles; er nahm die niedrige Stellung eines Dieners an und wurde als Mensch geboren und als solcher erkannt.“ (Philipper 2,5-7) Der letzte Halbsatz zeigt, dass Jesus nicht nur den Anspruch hatte, Mensch zu sein. Seine Umgebung hat ihn auch als solchen wahrgenommen.
 

Was hat Jesus, was wir nicht haben?

Gott wird Mensch – das ist für viele schwer vorstellbar. Umgekehrt ist es aber auch nicht besser: Ein Mensch, der Gott ist? Wer die Evangelien liest, stößt aber immer wieder auf Begebenheiten, die das voraussetzen. Der Leser merkt: Jesus hat Eigenschaften, die sonst nur Gott hat. Er heilt nicht nur Kranke, setzt Naturgesetze außer Kraft oder weckt Tote auf (Matthäus 11,2-6), wie es die Propheten im Alten Testament durch Gottes Bevollmächtigung getan haben.

Beim Umgang mit Menschen zeigt sich auch, dass er allwissend und allgegenwärtig ist. Jesus kennt andere Menschen, ihr Denken und ihre Lebensgeschichte durch und durch, obwohl sie ihm noch nie zuvor begegnet sind (Johannes 1,45-49Johannes 4,16-19). Das sind Merkmale, die nur Gott als Schöpfer aller Menschen haben kann (vgl. Psalm 139).

Weiter beansprucht Jesus für sich, Schuld vergeben zu können – nach jüdischem Verständnis ein klarer Fall von Gotteslästerung. Denn nur Gott kann einen Menschen von seiner Schuld freisprechen. Jesus nimmt das für sich in Anspruch (Lukas 5,17-25).

Jesus zeigt aber nicht nur in seinen Handlungen, dass er Gott ist. Er spricht auch darüber, selbst wenn das vor seinem Sterben meistens nur vor seinen engsten Vertrauten und in Andeutungen geschieht. Trotzdem sind seine Worte aussagekräftig. In seinen berühmten Ich-bin Worten benutzt er die gleiche, seltene grammatikalische Form, mit der sich Gott im Alten Testament als der „Ich bin“ vorstellt (Johannes 8,12-18).

In den Vergleichen, die er bei diesen Worten wählt, schlägt er außerdem eine Brücke direkt von seiner Person zu dem Gott des Alten Testamentes. Vermutlich kannten die meisten seiner Zuhörer den Satz „Der Herr ist mein Hirte“ aus Psalm 23. Vor diesem Hintergrund ist es entweder anmaßend oder ein Hinweis auf die Göttlichkeit Jesu, wenn er von sich sagt: „Ich bin der gute Hirte.“ (Johannes 10).

Darüber hinaus behauptet Jesus, schon immer dagewesen zu sein (Johannes 8,58). Er betont seine vollkommene Einheit mit Gott und beansprucht, Gottes Sohn zu sein (Johannes 10,30-39).

Dazu noch einmal Klaus Berger:

Im Unterschied zu allen vorher genannten Propheten ist Jesus Gottes Sohn. […] Sohn Gottes ist nicht nur der, der Gott relativ am nächsten steht (im Verhältnis zu allen anderen). Sondern: Der Sohn Gottes hat Anteil an Gottes kraftvollem, unzerstörbarem und ewigen Leben – es ist Leben direkt aus der Hand des Schöpfers.4 

 

Übrigens ist es nicht nur Jesus selbst, der sich diesen Titel gibt: Seine Jünger, außenstehende Beobachter und nicht zuletzt Gott selbst bezeichnen ihn so (Matthäus 17,2-8).

Überraschenderweise gibt es schon im Alten Testament Hinweise auf die Göttlichkeit Jesu. Die Idee von der Gottessohnschaft stammt also nicht von den Jüngern Jesu, die ihn zu etwas Besonderem machen wollten. Der Prophet Jesaja schreibt zum Beispiel über ihn: „Denn uns wurde ein Kind geboren, uns wurde ein Sohn geschenkt. Auf seinen Schultern ruht die Herrschaft. Er heißt: wunderbarer Ratgeber, starker Gott, ewiger Vater, Friedensfürst.“ (Jesaja 9,5).

Die Titel Friedefürst oder Ratgeber ließen sich problemlos auf einen Menschen beziehen, die beiden anderen nicht. Ähnliches gilt für eine Prophezeiung aus dem Buch Micha, wo Jesus als derjenige bezeichnet wird, der von Urzeiten an existiert. Auch das passt nicht zu einem sterblichen Menschen (Micha 5,1).
 

Kein Zuckerschlecken, so ein göttliches Menschenleben

Stellt sich die Frage: Warum tut Gott das? Will er erleben, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen, nach dem Motto: Einmal für 33 Jahre Mensch sein und dann schnell zurück in meine alte Identität? Jesus und die Evangelisten nennen mehrere Gründe, warum Gott sich so erniedrigt. Jesus geht zum Beispiel davon aus, dass die Menschen von sich aus überhaupt nicht fähig sind, irgendetwas über Gott zu wissen. Es muss schon jemand aus der göttlichen Welt kommen, um ihnen zu zeigen, wie Gott ist. Er ist dieser Jemand (Matthäus 11,27Johannes 3,13).

Aus diesem Grund verbringt Jesus einen großen Teil seiner Zeit damit, Menschen Geschichten über Gott und sein Reich zu erzählen. Bei dem Menschen Jesus können alle lernen, wie Gott sich das mit dem Menschsein, dem Zusammenleben untereinander und dem Glauben vorgestellt hat. Er muss diese Dinge ja wissen, schließlich ist er selbst Gott.

Gott will den Menschen so aber auch signalisieren: Ich bin ganz nahe bei euch. Schon vor seiner Geburt bekommt Jesus den Beinamen Immanuel, was nichts anderes bedeutet als „Gott ist mit uns“ (Matthäus 1,23). Jesus erlebt die gleichen Schwierigkeiten und Probleme wie unzählige Menschen vor und nach ihm. Er versteht aus erster Hand, was ein Mensch durchmacht (Hebräer 4,15). Für die Menschen wird so deutlich: Gott lässt uns nicht alleine und kann nachempfinden (!), wie es uns geht.
 

Göttliche Unschuld

Es reicht Gott aber nicht aus, dass seine Menschen etwas von ihm begreifen. Er will, dass sie zu ihm gehören. Das Problem ist, dass das nicht ohne Weiteres geht. Die Beziehung zwischen Gott und Menschen ist grundlegend zerstört. Das äußert sich in scheinbar harmlosen Dingen wie dem Neid auf den Kollegen, dem schlechten Gerede über die Nachbarin oder der Gottvergessenheit vieler Menschen, die nur in Krisen nach ihm fragen. Gott kann und will über diese Dinge nicht hinwegsehen. Das hat nichts damit zu tun, dass er kleinlich ist. Es hängt mit seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit zusammen.

Bricht man diese Vorstellung auf das eigene Leben herunter, ergibt das auch Sinn: Was würde ich davon halten, wenn Gott einfach darüber hinweg geht, wenn andere mich abschätzig behandeln, mich ge- oder sogar missbrauchen? Könnte oder wollte ich einem solchen Gott noch vertrauen? Das, was andere mir angetan haben, ist falsch. Und wenn Gott ein gerechter Gott ist, dann muss er sie dafür zur Verantwortung ziehen.

Umgekehrt muss er mich für die Dinge zur Verantwortung ziehen, die ich anderen angetan habe. Das Urteil bestünde eigentlich darin, dass wir nicht mehr in Gottes Gegenwart leben können. Das hätte nicht nur Konsequenzen für unsere Beziehung zu ihm, sondern auch für die zwischenmenschlichen Beziehungen und unser Verhältnis zur Schöpfung. Leben kann nicht mehr gelingen, wenn es vom Schöpfer und Erhalter des Lebens getrennt ist. Genau diese Trennung will Gott nicht.

Deswegen bietet er uns eine Lösung an, bei der er uns für unsere Schuld nicht verurteilt, die Anklage aber auch nicht einfach fallen lässt. Stattdessen nimmt Jesus stellvertretend das Urteil auf sich (Johannes 3,16-182. Korinther 5,21). Er kann unsere Strafe übernehmen, weil er selbst keinen Dreck am Stecken hat, den er vor Gott verantworten müsste. Diese vollkommene Schuldlosigkeit ist nur möglich, weil Jesus Gott ist.

In diesem Punkt ist die Bibel unmissverständlich: Einen Menschen ohne Schuld gibt es nicht (Römer 3,9-12). Wäre Jesus also ein ganz normaler Mensch gewesen und nicht auch Gott, wäre seine Beziehung zu Gott ebenfalls gestört gewesen. Dann hätte er das Urteil nicht stellvertretend auf sich nehmen können und wäre nicht zu unserem Retter aus dieser kaputten Beziehung geworden. Wäre er hingegen nur Gott gewesen, hätte er sich nicht mit der menschlichen Schuld identifizieren und für ihre Vergebung sorgen können.

Gott wird also Mensch, um uns zu begegnen, um uns seine Liebe zu zeigen, um Gerechtigkeit herzustellen und um uns von Schuld, Lieblosigkeit, Angst und Verletzungen zu befreien. Er hatte nicht einfach Lust auf einen kurzen Rollentausch, sondern ein unglaubliches Interesse daran, uns zu helfen und diese Welt zu heilen.
 

Bildhafte Vergleiche zur Dreieinigkeit

Die genannten Bibelstellen zeigen die göttliche und die menschliche Seite von Jesus. Es gibt weitere biblische Texte die diese beiden Naturen von Jesus beschreiben. Keiner löst jedoch das Rätsel, wie es sein kann, dass jemand Gott und Mensch zugleich ist. Wer die Bibelstellen miteinander vergleicht und mit anderen darüber diskutiert, stößt an die Grenzen seiner Vorstellungskraft und seines logischen Denkvermögens.

So ist alleine schon der zitierte Text aus Jesaja rätselhaft. Jesus wird dort als ewiger Vater bezeichnet. Das zeigt zwar die Göttlichkeit Jesu, wirft aber auch die Frage auf, wo die Trennung zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn verläuft. Zu wem hat Jesus gebetet, als er auf der Erde war? Zu einem Teil von sich selbst, zu einer anderen Person? Auf der anderen Seite: Ist es überhaupt legitim, von einer Trennung zu sprechen? Denn das würde wiederum bedeuten, dass es zwei verschiedene Götter gibt. Das Christentum lehrt aber ebenso wie das Judentum einen Monotheismus, den Glauben an nur einen einzigen Gott.

Bilder helfen dabei, dieses Paradoxon5 zu verstehen. So gibt es Wasser in drei Aggregatzuständen: flüssig, fest und gasförmig. Trotzdem handelt es sich immer um Wasser. So sind auch Gott-Vater, -Sohn und -Heiliger Geist voneinander verschieden und doch nur ein Gott.

Auch als Menschen nehmen wir unterschiedliche Rollen und Positionen wahr: Eine Frau kann zum Beispiel Tochter, Mutter und Ehefrau sein und ist dabei doch nur eine Person. Eine Salatsoße besteht in der Regel aus Essig und Öl. Schüttelt man sie, vermischen sich die beiden Flüssigkeiten, ohne dass sie sich völlig miteinander verbinden.

Ein Geldstück hat zwei Seiten und ist doch eine Münze. So sind Gott-Vater und -Sohn eins und doch zwei. Diese Vergleiche versuchen sich dem Geheimnis der Dreieinigkeit bildlich anzunähern, lösen können sie es nicht.

Wer rein logisch an die Frage der Gottessohnschaft herangeht, wird früher oder später möglicherweise den Schluss ziehen, dass es einfach nicht stimmen kann, dass Jesus Gott und Mensch zugleich war. Eine andere Möglichkeit ist es, diesen unfassbaren Widerspruch stehen zu lassen und ihn – wie es im frommen Jargon heißt – im Glauben anzunehmen.

Viele Christen gehen diesen Weg: Sie akzeptieren, dass es Tatsachen gibt, die wir logisch nicht mit unserem Verstand fassen können, die aber trotzdem wahr sind. Solche Dinge begegnen uns auch im Alltag. Zum Beispiel dann, wenn wir von einer Spontanheilung hören. Sie treffen aber auch auf Gott zu. Das ist nüchtern betrachtet nicht überraschend. Gott bleibt als unser Schöpfer unbegreifbar. Wir können ihn nicht völlig durchschauen und mit unserem Denkvermögen fassen.

Letztlich können wir über ihn nur das wiedergeben, was er uns über sich selbst offenbart hat. Die Christen der ersten Jahrhunderte haben das in ihren Bekenntnissen versucht. In Bezug auf Jesus haben sie das festgehalten, was sie in den Schriften des Alten und Neuen Testamentes über ihn zu verstehen glaubten. Auch diese Bekenntnisse lösen die Frage nach dem wahren Wesen Jesu Christi nicht, sie sind noch nicht einmal unfehlbare Dokumente. Aber sie versuchen das zusammenzufassen, was sich menschlich gesehen zu dieser Frage sagen lässt. So heißt es im Glaubensbekenntnis von Nicaä (325 n. Chr.):

Wir glauben an einen Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren; Und an einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, d.h. aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wirklicher Gott aus wirklichem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesenseins mit dem Vater, durch den alles geworden ist, was im Himmel und auf Erden ist, der wegen uns Menschen und wegen unseres Heils herabgestiegen und Fleisch geworden ist, Mensch geworden ist, gelitten hat und am dritten Tage auferstanden ist, aufgestiegen ist zum Himmel, kommen wird, um Lebende und Tote zu richten.6

 

Wenn Sie sich selbst intensiver damit auseinandersetzen möchten, ob Jesus Gott oder Mensch oder beides war, empfehlen wir Ihnen, die angegebenen Bibelstellen einmal in Ruhe und im Zusammenhang nachzulesen. Darüber hinaus können Sie das Johannesevangelium lesen oder mit Hilfe von BibleServer weitere Bibelstellen suchen, in denen Jesus als Menschensohn oder als Sohn Gottes bezeichnet wird.

Haben Sie den Mut, Aussagen stehen zu lassen, die Sie nicht einordnen können und konzentrieren Sie sich auf die, die Ihnen weiterhelfen. Damit werden Sie das Rätsel nicht lösen. Aber Sie bekommen möglicherweise eine Ahnung davon, wieso Christen von Jesus als wahrem Gott und wahrem Mensch sprechen und warum sie dieses Paradoxon nicht nur stehen lassen, sondern es ihnen für ihre Beziehung zu Gott auch so wichtig ist.


1 http://www.geistigenahrung.org/ftopic5217.html
2 Armin Sierszyn, 2000 Jahre Kirchengeschichte, Bd.1, Hänssler Verlag, Neuhausen-Stuttgart, 2000, S. 338. Hervorhebung durch den Autor.
3 Klaus Berger, Jesus, Pattloch Verlag, München 2004; S.59
4 ebd. S.59f
5 Ein Paradoxon ist laut Duden „a) eine scheinbar zugleich wahre u. falsche Aussage…; b) etwas, was widersinnig ist, einen Widerspruch in sich trägt“. Schülerduden, Fremdwörterbuch, Dudenverlag, Mannheim 1992
6 Armin Sierszyn, a.a.O.; S. 334. Hervorhebung durch den Autor.


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 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Theologin und Redakteurin im Bereich Radio und Online. Sie ist fasziniert von der Tiefe biblischer Texte und ihrer Relevanz für den Alltag. Zusammen mit ihrer Familie lebt die gebürtige Badenerin heute in Wetzlar und hat dabei entdeckt, dass auch Mittelhessen ein schönes Fleckchen Erde ist.