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Was tun?

Rolf Hille über 1. Mose 32,27.

Der russische Künstler Marc Chagall hat eine höchst zwiespältige Lithografie geschaffen: ein Gemälde, das aus zwei widersprüchlichen Bildern besteht. Auf dem einen stellt der jüdische Maler Chagall eine Szene aus dem Leben des Erzvaters Jakob dar. Jakob ist auf der Flucht in ein fremdes Land. Am Ende des Tages sinkt er müde zu Boden. Er legt den Kopf auf einen herumliegenden Stein und fällt in einen tiefen Schlaf. Da empfängt er im Traum eine wunderbare Vision. Der Himmel öffnet sich. An einer riesigen Leiter steigen Engel auf und nieder. Jakob in seiner Einsamkeit ist von Gott umhüllt und geborgen. Gott wiederholt sein Versprechen: „Durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“ Als er wieder erwacht, ist er überzeugt: „Hier ist die Pforte des Himmels.“

Das andere Gemälde hingegen wirkt verstörend. In dunkler Nacht sind zwei Männer in einen Kampf um Leben und Tod verwickelt. Der eine von ihnen ist Jakob. Gott hat sein Versprechen wahrgemacht. Jakob hat ungeheuren Reichtum erworben. In vier Heereszügen sind seine Knechte und Mägde, seine Herden und seine Großfamilie durch den reißenden Fluss Jabbok übergesetzt. Er selbst bleibt einsam am Ufer zurück. Und da geschieht es. Er wird von einem Fremden hinterrücks überfallen. Während die beiden miteinander ringen, gehen Jakob die Augen auf. Plötzlich wird ihm klar: der unheimliche Andere ist Gott, der ihn mit diesem Angriff heimsucht. Wenn Jakob zurückschaut, ist alles hell und vielversprechend. Aber der Blick nach vorne in die Nacht hinein lässt ihm das Blut in den Adern stocken. Die ganze Schwere seiner Schuld liegt auf seinen Schultern. Er hat seinen Vater übel hereingelegt. Mehrfach hat er seinen Bruder Esau betrogen. Manchmal war er sogar stolz auf seine List und Klugheit. Aber jetzt scheint alles verloren. Sein Besitz, seine Familie, alles geht den Bach hinunter. Ohnmächtig erlebt er , wie ihm das Glück zwischen den Fingern entgleitet.

Da verdichtet sich für ihn alles in einem einzigen Gebetsruf: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“ Was soll er Gott, dem übermächtigen Angreifer, sonst entgegensetzen? Wie erschütternd ist diese Geschichte in 1. Mose 32. Gott, von dem er alles empfangen hat, der ihn auf der gefährlichen Reise bewahrt hat und der ihm seinen Segen versprochen hat, dieser Gott steht ihm jetzt als Feind gegenüber. Gott hat ihn in der Nacht angefallen. Was soll Jakob in dieser aussichtslosen Situation tun? Er fällt dem göttlichen Widersacher mit seinem eigenen Wort in den Arm. Auf was soll er sich berufen, wenn nicht auf Gottes Wort? Er weiß, dass er nichts vorbringen kann angesichts der schweren Sünde, die auf ihm lastet. Aber nun klammert er sich im Chaos der Nacht an dem einen fest, – an Gottes Verheißung. Die Zusage: „Ich will dich segnen“ ist der einzige Lichtblick im Dunkel. Also wirft er sich mit diesem Versprechen Gott selbst entgegen.

Es ist eine äußerst dramatische Situation und ein höchst seltsames Gebet, das uns in diesem Bibelwort aus 1. Mose 32 Vers 27 begegnet. Was erwarten Sie vom heutigen Tag? Ist bei Ihnen alles ganz alltäglich? Freuen Sie sich auf diesen Tag mit seinen Überraschungen oder scheint Ihnen alles verloren in dunkler Nacht, die nach Ihrer Seele greift? Was es auch sei. Es gibt einen verlässlichen Halt: nämlich Gottes Verheißung. Und wenn es Ihnen auch so vorkommt, als ob Gott Sie wie ein gefährlicher Angreifer überfällt, so ist es doch Gott, der Ihnen mit diesem Wort einen wirksamen Schutz bietet. Sie dürfen ihm heute sein Wort entgegenhalten: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“

 

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