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/ Wort zum Tag

Wahre Stärke

Dr. Jörg Dechert über Sprüche 31,8.

Denkt an die Gefangenen, als wärt ihr Mitgefangene, und an die Misshandelten, weil ihr auch noch im Leibe lebt.

Hebräer 13,3

Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.

Sprüche 31,8

Wahre Sätze haben oft viele Väter. Der hier zum Beispiel: „Der Wert einer Gesellschaft bemisst sich daran, wie sie mit ihren Schwachen umgeht.“ Viele haben diesen Satz gesagt. Wer ihn zuerst gesagt hat, ist so unklar wie unwichtig – denn jedem leuchtet das Prinzip sofort ein: Je stärker das Gefälle ist zwischen denen, die sich durchsetzen, und denen, die das nicht schaffen, desto schwächer ist der Zusammenhalt.

Ja, das ist einleuchtend. Aber Menschen handeln oft anders. Ist es nicht genau das, was Eltern ihren Kindern oft schon im Grundschulalter beibringen? Oder was in Karriererategeber den Lesern empfohlen wird? Du musst stark sein, dich durchsetzen, den Mund aufmachen, die eigenen Interessen vertreten?

Ich glaube, wahre Stärke ist, sie zum Wohle aller einzusetzen – nicht nur für die eigenen Interessen. Das ist jetzt nicht nur ein bisschen postmoderne Sozialromantik, das steht so in der Bibel. Genauer: Im Alten Testament, im Buch der Sprüche Kapitel 31 Vers 8. Dort heißt es kurz und klar: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“

Das meint: Ja, sei stark. Ja, setz dich durch. Ja, mach den Mund auf. Aber nicht für deine eigenen Interessen. Sondern für – so wörtlich – „die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind“. Die, die verlassen sind – das waren zur alttestamentlichen Zeit die Menschen, die außerhalb fester Familien und Familienclans leben mussten. In einer Gesellschaft ohne staatliches Sozialsystem und einklagbare Rechtsansprüche war das Verurteilung zur lebenslangen Hilflosigkeit.

Die, die verlassen sind – mit denen konnte theoretisch jeder machen, was er wollte. Aber Gott stellt sich auf ihre Seite. Indem er die vielen anderen, die Nicht-Stummen und Nicht-Verlassenen in die Pflicht nimmt: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“

Dabei geht es nicht darum, sich durch soziales Engagement selbst besser zu fühlen. Sondern um handfeste Hilfe. Nur einen Vers später kommt das nochmal sehr klar zum Ausdruck mit den Worten „tu deinen Mund auf… und schaffe Recht dem Elenden und Armen“.

Gott verleiht also den Stummen eine Stimme. Und zwar unsere – die Stimme von all denen, die sich äußern und Gehör verschaffen können. Das ist der Grund, warum sich Christen seit 2.000 Jahren auf die Seite von Schwachen, Ausgegrenzten und Ausgestoßenen stellen: Weil ihr Gott auch dort steht.

Als Gesellschaft haben wir unsere soziale Absicherung heute anders organisiert. Wer alleine lebt, ist nicht mehr ohne materiellen Schutz und materielle Versorgung. Aber die Grundfrage dieses Bibeltextes aus dem Alten Testament an mich und meine innere Haltung bleibt: Wofür hat Gott dir deine Stimme gegeben? Deine Stärke? Dein Durchsetzungsvermögen? Wem kannst du heute deine Stimme leihen?

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