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/ Wort zum Tag

Vom Sammelsurium des Glaubens

Andreas Schenk über 2. Timotheus 4,16-17.

Paulus schreibt: Bei meinem ersten Verhör stand mir niemand bei, sondern sie verließen mich alle. Es sei ihnen nicht zugerechnet. Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich.

2. Timotheus 4,16-17

Schreiben Sie manchmal auch persönliche SMS? Was steht da so? Bei mir sind solche SMS manchmal ein ziemliches Sammelsurium. In wenigen Worten versuche ich möglichst viel unterzubringen.

So ähnlich klingt für mich der Schluss des 2. Timotheusbriefes. Der Absender schreibt da, der Empfänger solle ihm, wenn er ihn besuchen komme, den liegengebliebenen Mantel und die Bücher mitbringen. Dann folgt ein Hinweis auf einen, der ihm viel Böses getan hat: „Vor dem hüte du dich auch.“ (2. Tim 4,15a).

Schließlich kommen beim Schreiber weitere schwierige Erfahrungen hoch. In 2. Timotheus 4,16-17 steht: „Bei meinem ersten Verhör stand mir niemand bei, sondern sie verließen mich alle. Es sei ihnen nicht zugerechnet. Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich.“ 

Das ist der Tagesvers. Mir ist dieses Sammelsurium fast zu intim. Als würde ich eine SMS lesen, die für jemand anderes bestimmt ist. Eigentlich will und brauche ich vieles davon nicht zu wissen. Aber der Schreiber konnte ja nicht ahnen, dass diese Zeilen fast 2000 Jahre später als Teil der „Heiligen Schrift“ gelesen werden.

Im Tagesvers selbst aber begegnen mir zwei menschliche Grunderfahrungen, die ich auch kenne. Ich lese ihn nochmals:

„Bei meinem ersten Verhör stand mir niemand bei, sondern sie verließen mich alle. Es sei ihnen nicht zugerechnet. Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich.“ 2. Tim. 4,16-17

Da ist zuerst das Gefühl „sie verließen mich alle“. Gelegentlich fühle auch ich mich mitten unter Menschen alleingelassen.

Und manchmal lasse ich andere allein. Etwa wenn ich als Pfarrer trauernde Menschen begleite. Ich kann ihnen zwar zuhören, ein Stück weit gar mitfühlen. Aber ich muss sie dann doch wieder „alleine“ lassen. Konstantin Wecker bringt diese Erfahrung in einem Lied auf den Punkt: „Allein, Wir sind allein (…) Die Kreuzwege des Lebens geh'n wir immer ganz allein.“

Besonders tief geht dieses Gefühl, wenn uns Menschen alleine lassen, die uns nahestehen. Menschen, von denen wir uns erhoffen würden, dass sie selbst dann bei uns bleiben, wenn es ans Eingemachte geht. Da sagen zu können „es sei ihnen nicht zugerechnet“ ist für mich ein Geschenk Christi. Er leitet uns zum „Wie auch wir vergeben“ an. Wer so beten kann, wird selbst in der Verlassenheit nicht nachtragend werden oder verbittern.

Die zweite Grunderfahrung steckt im letzten Teil des Tagesverses: „Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich.“

Einer der eingesperrt, bedroht und „mutterseelenallein“ war, hat das erlebt und bezeugt es. Das tut mir gut. Ich will es mir zu Herzen nehmen, wenn mich etwas „gefangen nimmt“. Und ich erinnere mich daran, dass ich selbst schon erlebt habe, wie Gott mich durchträgt.

„Sich verlassen fühlen“ und „von Gott durchgetragen werden“ gehören auch zu meinen Grunderfahrungen. Und manchmal verschmelzen der Lebens-Krampf und Gottes Durchtragen in meinem Alltag oder in einer SMS. Gerade dann kann mir das Sammelsurium aus dem 2. Timotheusbrief guttun.

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