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/ Wort zum Tag

Römer 15,1

Gedanken zu Losung/Lehrtext des Tages.

"Wir aber, die wir stark sind, sollen das Unvermögen der Schwachen tragen und nicht Gefallen an uns selber haben."

Römer 15,1

Gerne stellen wir uns die Gemeinden in den Anfangsjahren der Christenheit als idyllische Gruppen vor. Wie harmonisch! Vorbildlich für uns, die wir heute über so viele Probleme stolpern. Aber bei näherem Hinsehen verblasst das schöne Bild. Es erweist sich als trügerisch. Neulich kam mir der Gedanke: Wie dünn würde das Neue Testament wohl ausfallen, hätte es damals in den Gemeinden keine Probleme gegeben! Viele Briefe der Apostel wären ja gar nicht erst geschrieben worden.

Gemeinde und Probleme gehen damals wie heute Hand in Hand. Paulus weiß davon ein langes Lied zu singen. In Rom zum Beispiel „brennt die Hütte“, wie man heute sagt. „Darf man das Fleisch essen, das fremden Göttern geweiht worden ist?“ Wegen dieser Frage liegen sich die Gemeindeglieder in den Haaren. „Nein, auf keinen Fall“, meinen die einen. Sie waren kurz vorher noch in den Göttertempeln aus- und eingegangen. Da wollte man mit der religiösen Vergangenheit nichts mehr zu tun haben. Womöglich enthält das Fleisch noch verborgene göttliche Kräfte?!

„I wo“, halten andere in der Gemeinde dagegen, „Was ihr nur habt. lm Fleisch stecken Vitamine und Kalorien. Nichts anderes. Also: Guten Appetit!“

Wir ahnen den Zündstoff, der sich in der Gemeinde angesammelt hat und der zu explodieren droht. Nun wird Paulus mit dieser Frage befasst. Er bezieht klar Stellung: Im Fleisch stecken keine gotthaltigen Kräfte. Also kann es getrost gegessen werden. Aber er schränkt ein: Wenn das Gemeindeglied neben dir hier Schwierigkeiten sieht und Gewissensbisse hat, dann halte dich zurück – einfach um der Liebe willen. Du willst doch deinen Bruder oder deine Schwester nicht innerlich verletzen oder gar in Gefahr bringen. Ihr, die ihr „stark“ seid, sagt Paulus, habt „nicht Gefallen an euch selber“ und an euren Einsichten, sondern tragt das „Unvermögen der Schwachen“. Und das mit Fingerspitzengefühl und Liebe.

Das erinnert mich an Jugendfreizeiten in meiner früheren Kirchengemeinde. Wir hatten einen Mitarbeiter dabei, der uns sehr wichtig war. Aber er hatte Probleme mit dem Alkohol. Er mühte sich, trocken zu bleiben, was ihm auch gelang. Wenn wir dann am Abend nach getaner Arbeit im Kreis der Mitarbeitenden beieinandersaßen, war es für uns klar, nichts Alkoholisches zu trinken. Zugegeben – wir haben das damals gar nicht sonderlich reflektiert. Es war für uns stillschweigend selbstverständlich. Und es hat sich als richtig erwiesen, obwohl unser Freund uns nie dazu aufgefordert hat.

Heute bin ich für diese Erfahrung sehr dankbar. Denn schnell kommt es in der Gemeinde zu einem Gefälle: „Hier sind wir, die Starken, Kundigen und Überlegenen, und daneben ihr, die Schwachen, mit euren Skrupeln und Ängsten.“ Das treibt einen bösen Keil in das Miteinander vor Ort. Hier hilft uns der Apostel Paulus mit seinem klugen Rat, den anderen zu „tragen“ und ihn nicht abzukanzeln oder gar zu verachten.

Und obendrein bin ich auf ein kluges Wort von Nikolaus Graf von Zinzendorf gestoßen. Der hatte ja vor 300 Jahren in seiner Herrnhuter Brüdergemeine mit „starken“ und „schwachen“ Christen aller Art reichlich zu kämpfen. Er gibt uns einen wertvollen Tipp: „Es ist nicht genug, dass man die Leute trägt. Man muss sie so tragen, dass sie es nicht sehen, dass sie getragen werden. Man muss sie so korrigieren, dass sie nicht beschämt werden – so will ich’s beim Heiland verantworten.“ So Originalton Zinzendorf. Es gibt nämlich eine Art, mit der Schwachheit des anderen umzugehen, die diesen demütigt, die ihn klein erscheinen lässt und ihm seine Hilflosigkeit erst recht vor Augen führt. Das soll nicht sein. Hier gehen Paulus und Zinzendorf dazwischen. Und wir sollten das genauso halten – zum Segen für alle.

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