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J wie ...?

Jürgen Werth über Johannes 12,12-13.

Als die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!

Johannes 12,12–13

Es ist jetzt ein paar Jahre her. Ich hatte einen neuen Dienstwagen bekommen. Mit einem neuen Kennzeichen. Ich hatte es aussuchen dürfen. Und mich für ein originelles und sehr persönliches Kennzeichen entschieden. „J“ für Jürgen. Und „1213“ für meinen Lieblingspsalmvers, Psalm 121,3: „Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen. Und der dich behütet, schläft nicht.“ Ein wunderbarer Vers fürs Leben. Und eben auch fürs Unterwegssein mit dem Auto.

Eine Kollegin sprach mich eines Tages auf dieses Autokennzeichen an. Sie hatte wohl schon ein paar Tage gegrübelt und war nun zu einem zufrieden stellenden Ergebnis gekommen. Dachte sie. „Wahrscheinlich steht das J für Johannes“, sprach sie mich an. „Dann meint das Kennzeichen Johannes 12, 13. Interessanter Vers für das Auto vom ERF-Chef.“

Ich musste nachschauen. Und las. Und schluckte. „Gelobt sei, der der kommt in dem Namen des Herrn! Der König von Israel!“ Na ja, passte ja irgendwie auch. Hoffentlich. Im Auftrag des Herrn war ich schließlich wirklich unterwegs. Aber nein. Ich hätte nie gewagt, diesen Vers aus dem Johannesevangelium auf mich zu beziehen. Der gehörte einem ganz anderen. Nur der war der König von Israel.

Heute steht dieser Vers als neutestamentlicher Lehrtext im Losungsbuch. Zusammen mit Vers 12. Und Sie wissen vermutlich, wo das steht. Genau. Am Anfang der Passionsgeschichte. Beim Einzug von Jesus in Jerusalem.

Es ist ein triumphaler Einzug. Obwohl der König von Israel hier ganz und gar untriumphal und unköniglich kommt. Nicht hoch zu Roß auf einem Pferd, sondern bescheiden auf einem Esel. Und trotzdem: Für die Leute ist er der König, der Befreier, der Gesandte Gottes, der Messias - oder wie die Griechen das später übersetzt haben: der Christus!

Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht. Nur ein paar Tage später wird derselbe König von denselben Leuten aus der Stadt geschrien. Mit einem erbarmungslosen „Kreuzigt ihn!“ Und Pilatus, der römische Statthalter, lässt ein Schild ans Kreuz nageln: „Jesus aus Nazareth, der König der Juden.“ Ein König am Kreuz …

Triumphaler Einzug, erbärmlicher Auszug. Hosianna. Kreuziget ihn! Und das alles innerhalb  kurzer Zeit.

Die beiden Begriffe sind zum geflügelten Wort geworden und beschreiben einen Vorgang, der so ähnlich immer wiederkehrt. Einer wird gefeiert wie ein strahlender Held - und wenig später vom Hof gejagt wie ein streunender Hund. „Hosianna, Kreuziget ihn!“

In den letzten Wochen ist das auch immer wieder so gesagt worden im Zusammenhang mit Martin Schulz, der vor einem knappen Jahr mit sagenhaften 100 Prozent zum neuen Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gewählt worden war und beinahe als Messias gefeiert wurde - und der heute als Sündenbock für alle Fehler aller Parteigenossen herhalten muss.

Ging’s ihm wie Jesus?

Na, das wär dann doch ein bisschen weit hergeholt. Klar, auch Jesus wurde zum Sündenbock gemacht. Aber: Er war es wirklich. Und er war es bewusst und freiwillig. Und er hatte an diesem Schicksal - im Gegensatz zum SPD-Ex-Chef - null Eigenanteil.

Sündenbock - der Begriff stammt aus dem Alten Testament. Am großen Versöhnungstag wurde ein Bock, den man vorher mit der Schuld des Volkes beladen hatte, in die Wüste gejagt. Stellvertretend. Und das Volk war wieder frei von aller Schuld.

Am Kreuz wurde Jesus, der Messias, der Christus, der Sündenbock für die Welt.

Von ganz oben nach ganz unten. Wegen uns. Für uns. Damit wir aus der Tiefe unserer Gottesferne gezogen werden und schuldenfrei vor Gott, vor den Menschen und vor uns selber stehen können.

Seinen Weg wollen wir bedenken in diesen Wochen. Und ihn ehren mit unseren Liedern und mit unserem Leben. Wenn es einem gebührt, wenn es einer verdient, dann er.

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