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/ Wort zum Tag

Bleib nicht fern von mir

Daniel Eschbach über Psalm 22,12.

Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer.

Psalm 22,12

Ich stutzte, als ich den Auftrag für das Wort zum Tag heute las. Zu Psalm 22 soll ich etwas schreiben! Das ist doch der Klagepsalm, aus dem Jesus am Kreuz zitierte. Der Psalm, der im verzweifelten Ruf gipfelt: ‚Mein Gott, warum hast du mich verlassen?‘ Und das drei Tage vor Heiligabend. Wie soll das gehen? Das passt doch etwa so wie die Faust aufs Auge – also gar nicht!

Doch dann fällt mir ein Mailverkehr ein. Eine Frau hatte mich bereits im Herbst vorgewarnt, dass sie über Weihnachten weg sein werde. Das sogenannte Fest der Liebe halte sie zu Hause nicht aus, weil sie allein lebt. Es sei zu viel Einsamkeit auszuhalten, wenn rund herum sich Familien und Freunde treffen, während sie allein in ihrer Wohnung sitze. Dann fühle es sich an, als ob Gott unendlich weit weg sei. Es gibt offenbar Menschen, die sich ausgerechnet an Weihnachten von Gott verlassen fühlen. Könnte Psalm 22 ihnen gerade in dieser Zeit Worte fürs Gebet leihen?

Erst auf den zweiten Blick realisierte ich, dass ich gar nicht zu Vers 2, sondern zu Vers 12 etwas schreiben sollte. Der klingt nicht ganz so krass: «Bleib nicht fern von mir! Denn die Not ist so nahe. Und sonst habe ich niemand, der mir hilft.», so betet hier einer. Er spricht also Gott doch an, hält daran fest, dass es ihn geben muss, auch wenn er davon im Moment wenig bis nichts zu spüren vermag.

Weihnachten bedeutet die Botschaft, dass uns Gott in Jesus ganz nahe gekommen ist. So nahe, wie es überhaupt nur geht. Er ist einer von uns geworden, um selbst zu erleben, auszuhalten und zu überwinden, was uns am Leben bedrückt. Ja, was uns manchmal verzweifeln lässt: Der Eindruck, von Gott verlassen, von der Quelle des Lebens abgeschnitten zu sein.

In schwierigen Momenten ist uns die eigene Not am nächsten. Wir fühlen uns allein, ausgeliefert, weil wir niemanden haben, der uns helfen könnte … außer Gott, doch der ist gefühlt weit weg. Mich beeindruckt, dass der Psalmbeter sich dennoch genau an diesen Gott wendet. Wie Jesus am Kreuz hält er sich mit aller Kraft daran fest, dass dieser Gott nahe sein muss. Schließlich hat er genau das versprochen. «Bleib nicht fern von mir! Denn die Not ist so nahe. Und sonst habe ich niemand, der mir hilft!»

Ist Gott wirklich so fern, wie wir zu fühlen meinen? In einem Gebet formulierte kürzlich jemand etwa so: ‘Gott, ich habe das Gefühl, du seist weit weg. Aber ich weiss, es ist umgekehrt. Eigentlich bin ich weit weg von dir, abgelenkt, beschäftigt, hektisch. Erst wenn es mir nicht mehr gut geht, fällst Du mir wieder ein. und dann werfe ich Dir vor, dass du weg bist. Es ist unfair von mir. Danke, dass Du trotzdem da bist und ein offenes Ohr behältst, dass Du im Gespräch bleibst mit mir.’

So könnte eine aktuelle Version von Psalm 22,12 klingen. Ich wünsche Ihnen, dass sie über die Weihnachtstage erleben können, worum es an diesem Fest eigentlich geht: Die Gewissheit, dass Gott uns so nahe ist, wie es überhaupt nur geht. Und falls das in ihrem Gefühl zur Zeit nicht ankommen sollte, wünsche ich Ihnen die Kraft, ausdauernd mit Psalm 22,12 zu beten: «Gott, Bleib nicht fern von mir! Denn die Not ist so nahe. Und sonst habe ich niemand, der mir hilft!»

 

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Kommentare (2)

Sabine /

Danke, Herr Eschbach, für diese sehr gute Wort zum Tag!
Ich habe mir das Gebet aufgeschrieben und aufgehängt.
Frohe Weihnachten.

Hedy /

Danke. Das habe ich jetzt gebraucht, genau das....