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/ Wort zum Tag

Ein missverstandenes Wort

Harald Klingler über 1. Johannes 1,9.

Wenn wir unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.

1. Johannes 1,9

Wenn ich als Kind etwas Unrechtes getan hatte und es meiner Mutter zu Ohren gekommen war, stellte sie mich zur Rede. Und meist forderte sie mich dabei auf, ihr in die Augen zu sehen. Ich wusste dann: Jetzt gibt es kein Ausweichen. Du kannst dich nicht heraus reden. Du musst dich zu deiner Schuld stellen. Was du nicht sagst, liest sie von deinen Augen ab. Die Wahrheit sagen zu sollen, war meist schon Strafe genug.

Nein, das war nicht angenehm. Schuld eingestehen zu müssen, kann schwer sein. Aber es ist auch befreiend. Wenn wir Schuld benennen, tun wir schon einen ersten Schritt von ihr weg. Wir nehmen der Schuld ihre geheime und heimtückische Macht über uns.

Schuld einzugestehen, fällt uns schwer. Wer zeigt freiwillig seine Schwäche? Liefere ich mich mit dem Eingeständnis zu meiner Schuld nicht anderen aus? Verliere ich womöglich mein Gesicht, meine Würde, die Wertschätzung anderer? Unberechtigte Sorge und beschwerliche Erfahrungen lassen uns so fragen. Es kommt immer darauf an, was mein Gegenüber mit meinem Schuldeingeständnis macht. Das Nein meiner Mutter zu meinem Verhalten war klar. Klar war aber auch, dass dies ihre Liebe zu mir nicht wegnimmt.

Das Verhalten meiner Mutter hilft mir, das Verhalten des himmlischen Vaters zu verstehen. Das Wort des Apostels, das uns für diesen Tag gegeben ist, macht Mut, Schuld vor Gott aus zu sprechen. Es sagt: „Wenn wir unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“

Der Apostel gebraucht ein altes, vielfach missverstandenes und missbrauchtes Wort – das Wort Sünde. Missverstanden wird es, wenn es allein moralisch gefüllt wird. Missbraucht wird es, wenn den Menschen ein schlechtes Gewissen gemacht wird und sie unter Druck gesetzt werden. Beides geschah und geschieht in der Kirche – leider. Deshalb können viele das Wort „Sünde“ nicht mehr hören. Sie wollen sich nicht als Sünder verstehen. Sie haben „Sünde“ und „Sünder“ aus ihrem Wortschatz gestrichen.

Aus dem Wort Gottes ist das Wort Sünde nicht zu streichen. Es bezeichnet die tiefe Störung unseres Verhältnisses zu Gott, dem himmlischen Vater, und auch die daraus erwachsenden negativen Folgen für unser Verhalten. Gottes Wort behaftet uns dabei, dass wir Sünder sind. Und gleichzeitig sagt es uns, wie sehr Gott Sünder liebt und was er tat, um uns unsere Sünde abzunehmen: Er übernimmt sie selbst. Er übernimmt selbst das Nein zur Sünde und vergibt uns unsere Schuld. Wir sind Sünder – ja. Aber wir dürfen aus seiner Rechtfertigung leben! Der Apostel sagt, wie es geschieht: Wenn wir unsre Sünden bekennen, vergibt er sie uns. Darauf dürfen wir uns verlassen. Denn treu und gerecht ist Gott.

Im Gottesdienst kann es geschehen, insbesondere in einem Abendmahlsgottesdienst. Aber es kann auch in einem Vier-Augen-Gespräch geschehen. Wir sprechen dann von Beichte. Das ist wieder ein altes und vielfach missverstandenes Wort. Die Beichte wurde ebenfalls vielfach missbraucht. Wir sollten wieder zum guten und befreienden Inhalt der Beichte finden: der Befreiung, die durch das Bekenntnis zur Schuld und der Lossprechung von ihr geschieht. Martin Luther schätzte sie hoch und stellte sie gleich hinter die Taufe und das Heilige Abendmahl. Die Beichte vergewissert Sie und mich der erbarmenden Liebe Gottes in Christus Jesus.

Wenn Sie eine Schuld oder Sünde belastet – das muss nicht so bleiben. Bekennen Sie ihre Schuld und lassen Sie sich Vergebung zusprechen. Hören Sie die Einladung und Zusage: „Wenn wir unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“

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