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Eine etwas andere Rechnung

Jürgen Werth über Matthäus 8,11.

Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen.

Matthäus 8,11

Wir saßen in einer Gaststätte. Ein Freund und ich. Hatten ein gutes, tiefes Gespräch. Als er plötzlich zu den Gästen schaute, die an den Nachbartischen Platz genommen hatten und ebenfalls miteinander redeten. Eher leise die einen, eher laut die anderen. Manche lachten. „Früher“, sagte er dann, „früher hätte ich gedacht: Schau mal, lauter armselige, gottlose Menschen, die den Heiland nicht kennen. Wie gut, dass das bei mir anders ist.“ So hätten auch die anderen gedacht, mit denen er einen guten Teil seiner Zeit verbrachte. Die aus seiner Familie und die aus seiner Gemeinde. Vielleicht hätten sie sich auch erst gar nicht hierher gesetzt in diesen Raum mit lauter armseligen, gottlosen Menschen. Von denen nämlich hielt man sich tunlichst fern. Die lebten schließlich in der Welt. „Früher“, erzählte er weiter, „früher habe ich auf die anderen immer ein bisschen herab gesehen. Ich war ja fromm. Ich hatte die Wahrheit erkannt. Die aber nicht. Die lebten ja in Sünde. Die kamen ja in die Hölle. Der Himmel war für uns reserviert. Das auserwählte Volk waren wir!“

So ähnlich mag auch der fromme Pharisäer gedacht haben, der im Tempel betet und auf den Zöllner neben ihm verächtlich herabblickt: „Danke, Gott, dass ich nicht so einer bin wie der da!“

Jesus war mit so einer Lebenshaltung, mit so einer Herzenshaltung so gar nicht einverstanden. Für ihn war sie alles andere als fromm. Sie hatte nichts zu tun mit dem barmherzigen Herzen Gottes. Sie zeigte vielmehr das hartherzige Herz eines Menschen. Er jedenfalls war auch für die da, die nicht zum auserwählten Volk der Juden gehörte. Manche Begegnung, die das Neue Testament aufzeichnet, belegt das. Etwa die aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 8. Da bittet Jesus in Kapernaum ein römischer Hauptmann, seinen Knecht gesund zu machen. Und er achtet dabei sogar die Regel, nach der ein Jude das Haus eines Heiden nicht betreten darf, weil er sich verunreinigen würde. „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“ Jesus ist beeindruckt. Und sagt etwas, was seine jüdischen Zuhörer nicht besonders gefreut haben dürfte. Für die waren seine Worte nämlich bestimmt, er war ja immer umringt von Menschen, die sich nichts von dem entgehen ließen, was er sagte, was er tat. „Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden.“ Das saß. Und der folgende Satz wohl noch mehr: „Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen.“

Soll sagen: Tut mir leid. Wer glaubt, Gottes Zuwendung gelte ausschließlich ihm und seinesgleichen, muss sich leider eines Besseren belehren lassen. Gottes Liebe gilt allen. Seine Tür steht für alle offen. Für euch Auserwählte, ja, aber eben auch für die anderen. Für alle bin ich gekommen, für alle werde ich in den Tod gehen, für alle werde ich auferstehen. Gott fragt nicht danach, ob ihr zu einer bestimmten frommen Gruppe von Menschen gehört. Gott fragt nach eurer Liebe. Er fragt, ob euer Herz ihm gehört, ob es für ihn schlägt. Denn dann schlägt es immer auch für die anderen Menschen. Umgekehrt: Wessen Herz nicht für die anderen Menschen schlägt, schlägt sicherlich dann auch nicht für Gott.

Jesus heilt den Knecht des Hauptmanns. Aus der Ferne. Und ehrt so den Glauben, das Vertrauen eines Menschen, der eigentlich nicht dazu gehört. Nicht dazu gehört hat. Aber später einmal mit den jüdischen Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen wird. Wie wir Christen, die wir ja eigentlich auch nicht zum ursprünglich auserwählten Volk dazugehören. Und wie manche anderen, mit denen wir heute so gar nicht rechnen. Die Gott aber schon längst auf der Rechnung hat. Auf der Rechnung seiner grenzenlosen Liebe.

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