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/ Wort zum Tag

Eintracht statt Spaltung

Christoph Morgner über Römer 15,7.

Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre.

Römer 15,7

Was für ein Tag! Genau vor 500 Jahren hämmerte Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Damit wollte er lediglich eine Diskussion über Theorie und Praxis des Ablasses an seiner Universität einläuten. Hätte er geahnt, dass seine Thesen wie ein Flächenbrand durch Deutschland und Europa gehen würden, hätte er wohl die Finger davon gelassen.

Leider hat sich durch die Reformation eine erneute Kirchenspaltung vollzogen. Bereits 500 Jahre vorher hatte sich die orthodoxe Ostkirche von der katholischen Westkirche abgetrennt. Seitdem erleben wir Spaltungen ohne Ende: Lutherisch und reformiert, dazu Freikirchen und unabhängige Gemeinden in allen Schattierungen. Wer blickt da noch durch und überschaut das Ganze der Christenheit?!
Im kleineren Format hatte bereits Paulus damit zu tun. In der Gemeinde in Rom prallen unterschiedliche Überzeugungen aufeinander. Manche verstehen nicht, wie Christen unbefangen Fleisch essen konnten, das den heidnischen Göttern geweiht war. Andere haben damit keinerlei Probleme. Das bringt Unruhe. Meinungen stehen gegeneinander und machen das Zusammenleben schwer. Spaltungen liegen in der Luft und lassen den Apostel zur Feder greifen.

Wie geht er damit um? Wäscht er den Leuten den Kopf? Geigt er ihnen gehörig die Meinung? Keineswegs. „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat“, schreibt er nach Rom. So klingt es zu uns herüber. Als Christen leben wir gemeinsam davon, dass Jesus Christus uns „angenommen“ hat. Wir haben erfahren, wie er uns in seine Nähe zieht, wie er Schuld vergibt und das Tor öffnet für ein neues, von Gott geprägtes Leben.

Diese zentrale Erfahrung ist es, die Christen miteinander verbindet. Unser Zusammenhalt lebt also nicht davon, dass wir in allen Fragen die gleiche Meinung vertreten, sondern dass wir von dieser Mitte aus denken und uns verhalten: Die heißt Jesus, der uns gemeinsam „angenommen“ und zu Kindern Gottes gemacht hat.

Wo diese Basis stimmt, können wir mit unterschiedlichen Positionen lockerer umgehen. Was uns als Christen voneinander unterscheidet, steht immer nur in der zweiten Reihe. Wohl sind wir sehr verschieden, aber niemals voneinander geschieden. Wenn dann unter uns Meinungen aufeinanderprallen, lasst uns fragen: Ist die gemeinsame Basis wirklich vorhanden? Sind wir uns darin einig: Jesus ist unser „einziger Trost im Leben und im Sterben“, wie es der Heidelberger Katechismus bezeugt, oder gibt es andere Themen, die uns mittlerweile wichtiger geworden sind?

Jesus allein schweißt uns als Christenheit zusammen. Das gibt uns Kraft, auch Unterschiede auszutragen und dabei freundlich miteinander umzugehen. Die frohe Botschaft von Jesus ist reicher, als dass eine einzelne Kirche sie komplett widerspiegeln könnte. Der Herr, der uns angenommen hat, ist größer als alle Formen und Inhalte, in denen wir ihn ehren und verkündigen. Die sind bruchstückhaft und bleiben weit hinter dem Heiland zurück, den wir bezeugen möchten.

„Nehmt einander an.“ Was für Chancen tun sich auf, wenn wir uns in der Christenheit gegenseitig in unserer Vielfalt respektieren und würdigen, dabei aber auch aushalten, von anderen kritisch hinterfragt zu werden. Dagegen macht eine zerstrittene Christenheit keinen einladenden Eindruck auf die, die noch vor den Toren des Glaubens stehen. Sie macht es ihnen leicht, abzuwinken und fern zu bleiben.
Gerne hat man in früheren Jahrhunderten die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum dazu genutzt, sich über andere Christen zu erheben. Das sollten wir heute nicht tun. „Einander annehmen“ ist angesagt: Gott für die anderen Christen danken und die Kontakte zueinander pflegen, aufeinander hören, sich kritisch befragen, miteinander beten und in der Öffentlichkeit gemeinsam zum Heiland einladen. Das geschieht „zu Gottes Ehre“. Und Paulus mit Martin Luther, davon bin ich überzeugt, würden sich darüber am meisten freuen.

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