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Frommer Selbstbetrug

Jörg Dechert über Offenbarung 3,17

Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.

Offenbarung 3,17

„Und, wie läuft’s so in der Gemeinde?“ – diese Frage eröffnet in der Regel einen schier unerschöpflichen Fundus an Gesprächsthemen. Wo Christen Gemeinde gestalten, gibt es immer Neues, Interessantes oder Schwieriges zu berichten. Und manchmal auch Gerüchte, Anklagen, Klatsch und Tratsch. Es „menschelt“ eben überall – auch in Kirchen und Gemeinden.

Schwierig wird es dann, wenn Leute die Lage nicht mehr so sehen, wie sie wirklich ist. Sondern so, wie sie sie gerne sehen wollen. Manchmal gehen in einer Gemeinde dann Selbstbild und Wirklichkeit genauso auseinander wie bei einer Castingshow im Fernsehen: Die Leute finden ihre Gemeinde klasse – aber in Wahrheit läuft es alles andere als gut.

In der Castingshow findet das schmerzhafte Erwachen spätestens dann statt, wenn eine Jury bewertet, was wirklich von einem Gesangsauftritt zu halten ist. Wenn die urteilen, die sich wirklich professionell damit auskennen. So ähnlich stelle ich mir das vor, wenn Jesus eine Gemeinde bewertet. Er müsste da doch eigentlich den ehrlichen, sozusagen professionellen Blick haben!

Nun bleibt es normalerweise reine Spekulation, was Jesus über eine bestimmte Gemeinde denkt. Mit einigen wenigen Ausnahmen: Der Apostel Johannes hat im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, prophetische Visionen schriftlich festgehalten, in denen sich der auferstandene Jesus zu real existierenden Gemeinden äußert. Gemeinden in ganz konkreten Städten des damaligen Kleinasiens. Eine dieser Städte hieß Laodizea.

In der Vision des Johannes konfrontiert Jesus die dortige Gemeinde mit ihrer schiefen Selbstwahrnehmung. Johannes zitiert Jesus in Offenbarung 3 Vers 17 mit den Worten: Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.

Aus diesen Worten spricht eine gehörige Portion Stolz, Eigensinn und Arroganz der Gemeinde. Anscheinend halten sich die Christen dort für von Gott gesegnet, weil sie finanziell wohlhabend sind. Anscheinend empfinden sie sich aus sich selbst heraus als stark und eigenständig, meinen ihre Situation im Griff zu haben. Anscheinend haben sie zu vielem eine Meinung und wissen genau, wie die Dinge einzuschätzen sind. 

Jesus aber sieht das anders. Seine Worte bedeuten ein unangenehmes Erwachen aus dem behaglichen Selbstbild der Gemeinde. „In Wahrheit“, so gibt Johannes Jesus in seiner Vision wieder, „in Wahrheit bist du elend und jämmerlich, arm blind und bloß. Und du weißt es nicht einmal“.

„In Wahrheit“ - das bedeutet: „In den Augen Gottes“. Die Sicht Gottes unterscheidet sich sehr von dem, wie sich die Gemeinde in Laodizea selbst sieht. Sie halten sich in der Gemeinde aufgrund ihres materiellen Reichtums für gesegnet – und sind doch in den Augen Gottes geistlich absolut arm dran. Sie halten sich für stark und unabhängig – und sind doch absolut auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen. Sie halten sich für weise und wissend – und sind doch für die Wirklichkeit Gottes absolut blind.

Es ist eine heftige Ansage, die der Apostel Johannes da ausrichtet. Aber Jesus hat nicht eine öffentliche Demütigung im Sinn, sondern verbindet seine Kritik mit einer unwiderstehlichen Einladung zur Wiederherstellung: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen.“

Es ist uns nicht überliefert, wie die Christen in der Gemeinde in Laodizea auf die Kritik von Jesus reagiert haben. Aber seine Einladung zur Wiederherstellung, sie gilt bis heute. Für jede Kirche, jede Gemeinde und jeden Menschen.

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