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Gedanken zur Tageslosung

Lass deine Augen offen sein für das Flehen deines Knechts und deines Volkes Israel, dass du sie hörst, sooft sie dich anrufen.

1. Könige 8,52

Ist Ihnen das auch schon einmal passiert? Sie kommen an den Beratungsschalter Ihrer Krankenkasse und haben einen Zettel voller Fragen. Im Wartebereich begrüßt Sie ein freundliches Schild: Bei uns finden Sie immer ein offenes Ohr! Na denn – nach einer Ruhepause im Warteraum, setzen Sie sich voller Zuversicht der Beraterin gegenüber. Sie beginnen ihr Anliegen zu erklären. Aber die Frau vor Ihnen schaut aus dem Fenster, dann auf ihren Bildschirm oder einfach an Ihnen vorbei. Sie werden unsicher. Irgendwie haben sie den Eindruck: Die Frau hört mir nicht zu. Mich macht so ein Verhalten innerlich verrückt. Ich erwarte, dass jemand mich ansieht, wenn er mit mir redet.

Und genau darum geht es auch in einem Gebet in der Bibel. Der König Salomo betet: „Lass deine Augen offen sein für das Flehen deines Knechtes und deines Volkes Israel, dass du sie hörst.“ Also nicht nur die Ohren sollen hören, sondern auch die Augen hören. Das ist typisch hebräisch gedacht.

In der biblischen Menschenkunde haben Körperteile mehr als nur ihre biologische Bedeutung. Im wortbegrenzten Sprachraum des Hebräischen sprechen Körperteile eher mehr über die Funktion und ihre Wirkung. Besonders das Angesicht hat im hebräischen Denken eine tiefe Bedeutung. Im Angesicht wird die ungeteilte Zuwendung, die Seh- und Hörbereitschaft ausgedrückt. Auge und Ohr zusammen nehmen wahr, was das Herz des Anderen meint. Und Lippen und Mund sind Ausdruck des gesprochenen Wortes, das zum Tat-Wort werden soll.

Das Zitat ist ein Auszug aus einem eindrucksvollen Gebet des Königs Salomo bei der Einweihung des neuen Tempels. Es gehört zum Kennzeichen der Weisheit Salomos, dass er besonders im Blick auf das Haus, das Gott geweiht wird, deutlich macht: Dieses Haus soll erfüllt sein von der Gegenwart Gottes. Wer hierher kommt, soll etwas davon spüren, dass er angesehen wird. Angesehen von Gott. Dass Gott sich dem Menschen zuwendet und ihn mit seinen Augen anstrahlt. Das Haus Gottes soll ein Ort sein, wo Menschen ihre Not schweigend klagen können oder sie mutig aussprechen dürfen. Und Gott hört. Mit seinen Augen sieht er die Not der Seele und versteht das stumme Seufzen und mit seinen Ohren versteht er, was ein Mensch ausdrückt. Was für ein Geschenk, einen solchen Ort, ein solches Gegenüber zu haben. 

Und was im Alten Testament zugeordnet war auf das Haus Gottes, den Tempel, ist uns heute überall möglich. Wo ich auch bin, kann die Verbindung zu Gott ohne Hindernis aufgebaut werden. Beten ist ein großes Geschenk. Hermann von Bezzel sagte treffend: „Durch Gebete weicht der Staub von der Seele und die Last vom Gewissen und die Angst aus dem Herzen.“
Und der Religionsphilosoph Romano Guardini schrieb: „ Wir beten nicht, um Gott wissen zu lassen, was wir wollen, denn er kennt unser Herz besser als wir selbst; sondern wer betet, lebt vor ihm, zu ihm hin, von ihm her, gibt Gott, was sein ist, und empfängt, was er geben will. Die leisen Kräfte sind es, die das Leben tragen. Erst das Schweigen tut das Ohr auf für den inneren Ton in den Dingen.“

Gott sieht mehr als wir reden. Das ist die große Chance. So könnte ich Beten neu begreifen, als ein getrostes Verweilen in Gottes Gegenwart. Ihm mein Leben hinhalten. Einfach da sein vor ihm. Und das in der Gewissheit: Er sieht mich und ich lasse mich lange und intensiv anschauen und lasse mich anstrahlen von seiner Güte. Er versteht was ich meine und wie ich es meine. So einfach kann Beten sein.

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