Navigation überspringen

/ Wort zum Tag

Rechtschaffen

Werner Bücklein über Jeremia 22,3.

Schafft Recht und Gerechtigkeit und errettet den Beraubten von des Frevlers Hand und bedrängt nicht die Fremdlinge, Waisen und Witwen und tut niemand Gewalt an.

Jeremia 22,3

Das ist ein rechtschaffener Mensch – mein Gesprächspartner schaut mich an. Irgendwie sind wir auf das Thema gekommen, was wir von einigen unserer Bekannten halten. Ich kenne den, über den wir da gerade reden, ebenfalls. Ehrlich und anständig – so schätze ich ihn ein. Wer sich auf den verlässt, ist nicht verlassen. Ich erinnere mich an Begegnungen mit diesem Menschen und denke im Stillen: wie gut, dass ich ihn kenne.

Kurze Zeit später auf dem Nachhauseweg  kommt mir das Gespräch noch einmal in den Sinn. Die Gedanken beginnen zu kreisen und plötzlich bin ich bei der Frage gelandet: wie ist das eigentlich bei mir? Bin ich ein rechtschaffener Mensch? Ich bleibe bei dem Wort hängen und sinniere: was ist eigentlich rechtschaffen wirklich – Recht schaffend – also: schafft da jemand Recht? Und wenn ja – wem?

Ich kam an diesem Tage nicht zu einer Antwort, der Alltag verdrängte den Gedanken. Einige Zeit später traf ich Abdul, einen jungen Mann aus Afghanistan, der seit einigen Monaten in einer Sammelunterkunft im Nachbarort untergebracht ist. Eine Familie aus unserer Gemeinde engagiert sich für die Menschen dort, etwa 30 Männer aus unterschiedlichen Ländern leben da zusammen. Abdul hat sich einladen lassen, in unsere Gemeinde zu kommen. Er besucht Gottesdienste und einen Bibelkreis, hat Kontakt zu einigen Familien und versucht, beim Treff nach dem Gottesdienst sein Deutsch zu verbessern. Er interessiert sich für den Glauben an Jesus, hat angefangen, in der Bibel zu lesen, die wir ihm in seiner Sprache besorgt haben und betet.

Abdul ist traurig an diesem Tag. Seine Frau und sein Kind sind noch in Afghanistan und warten auf die Ausreise. Einer der Verwandten ist umgekommen. Er ist hier und hat Papiere auszufüllen, die er nicht versteht. Jetzt schaut er mich an. „Kannst Du mir Recht schaffen?“ Er hält mir den Packen Papiere hin, der ihn zur Verzweiflung gebracht hat und meint, ob ich ihm beim Ausfüllen helfen kann. Seltsam, dass er ausgerechnet diesen Satz dafür gebraucht. Ich merke schnell, dass ich mit den Formularen selbst an Grenzen komme. Was ist wirklich gemeint, welche Angaben sollen wohin, manche Fragen bleiben einfach offen. Kann ich ihm Recht schaffen? Ich muss gestehen, dass ich die Frage mit „Nein“ beantwortet habe. Kann ich nicht. Ich kenne aber jemand, der sich mit diesen Formulardingen schon häufiger auseinandergesetzt hat. Ein Telefonat später ist ein Termin vereinbart, der Bekannte will sich drum kümmern.

Wochen später treffe ich Abdul nach dem Gottesdienst bei einer Tasse Kaffee. Er strahlt mich an. „Du hast geholfen!“, sagt er, „wie gut, dass ich dich kenne!“. Seine Frau und sein Kind dürfen ausreisen, seine Anerkennung ist durch, er darf bleiben. Ich freue mich mit ihm und bin etwas verschämt. Ich habe doch gar nichts gemacht. Noch nicht einmal mit den Formularen kam ich richtig zurecht. Ich habe nur die Verbindung zu einem hergestellt, der es besser konnte als ich.

Da lese ich in einer stillen Minute in meiner Bibel vom Volk Israel. Das Land lag damals wie ein Korn zwischen zwei Mahlsteinen. Im Süden und Norden zwei verfeindete Völker. Auf wessen Seite sollte es sich schlagen? Gott hat durch seine Propheten klare Hinweise gegeben, die Führung des Volkes ging andere Wege. Falsche Entscheidungen wurden getroffen und dumme Koalitionen eingegangen. Auch die Führung im Innern des Landes stimmte nicht mehr. Die Reichen wurden immer Reicher auf Kosten der Armen. Korruption und Machtgier, Flucht, Vertreibung und Deportation waren an der Tagesordnung. Es hat sich nicht viel geändert in dieser Welt, so denke ich  mir.

Die Gedanken von vor Wochen kommen mir wieder in den Sinn. Vielleicht ist das ja ein erster Schritt, rechtschaffen zu sein, das Naheliegende zu tun und die Augen nicht zu verschließen.

Ich mache Ihnen Mut, das heute zu probieren und spreche Ihnen dazu ein Wort zu, das ich im Buch des Propheten Jeremia gefunden habe: (Jeremia 22,3) So spricht der HERR: Schafft Recht und Gerechtigkeit und errettet den Beraubten von des Frevlers Hand und bedrängt nicht die Fremdlinge, Waisen und Witwen und tut niemand Gewalt an.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.