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/ Wort zum Tag

Psalm 91,9

Gedanken zu Losung/Lehrtext des Tages.

Den beiden Jüngeren auf der Skaterbahn war der alte Mann schon vorher aufgefallen. Sie machten sich gegenseitig auf ihn aufmerksam, dadurch sah auch Sven mal genauer hin. Eine dürre, leicht gebeugt gehende, große Gestalt. Sie bewegte sich mit kurzen Schlurfschritten voran. Auf den ersten Blick wirkte der Mann wenig auffällig. Hier auf diesem weiten Freigelände hielten sich ja Menschen jeden Alters auf. Sie nutzten die Spielgeräte für Kleinkinder oder die Seilbahn, bolzten auf der Wiese, saßen auf den Bänken zusammen oder vergnügten sich auf den Skaterrampen. Aber Sven riskierte auch einen zweiten Blick und stutzte. Der alte Herr trug weder Weste noch Pullover und schon gar kein Jackett über dem oben offenen Hemd. Hosenträger verhinderten den Absturz seiner schlotternden Beinkleider über die mageren Hüften und die Füße steckten in abgestoßenen Hausschlappen. Ob der wohl Hilfe brauchte? Mit möglichst großer Zurückhaltung näherte sich Sven dem Mitbürger. Seine Inliner hatte er sich an den Schnürsenkeln über die Schulter gehängt. Noch bevor er ihn ansprechen konnte, warf der Alte ihm einen schwer zu deutenden Blick zu. War das eher Misstrauen oder mehr Unsicherheit?
Sven nahm seinen ganzen Mumm zusammen und bot respektvoll und zurückhaltend  Unterstützung an.
»Der Höchste ist deine Zuflucht«, meinte der Senior nicht unfreundlich. Sven stutzte kurz über diese Form der Ablehnung.
»Sven ist mein Name. Ich wohne hier in der Nähe. Kennen sie sich auch in der Siedlung aus, Herr ...?« Ohne auf die Frage einzugehen, schlich der Angesprochene an ihm vorbei. Sven schlenderte ein Stückchen neben ihm her. Als sich der Weg teilte, sah er deutlich, dass sein Nebenmann unsicher herumschaute.
»Ich weiß jetzt, wo sie hinmüssen. Sie kommen vom Stift. Dort hinter den Bäumen liegt es.« Der Blick des Mannes folgte Svens ausgestrecktem Arm. Zu sehen waren die hohen Gebäude von hier aus allerdings nicht. Trotzdem ließ sich der Unbekannte auf den Hinweis ein und wandte sich in die vorgeschlagene Richtung. Sicherheitshalber begleitete ihn Sven weiter. Nach ein paar Metern streckte er seinen angewinkelten Arm dem mühsam Gehenden hin. Da hakte der sich ihm tatsächlich unter. Das ungleiche Paar kam langsam voran.
Endlich ragte der erste fünfstöckige Gebäudeflügel vor den Beiden auf. Nun steuerte Sven seinen Schützling sanft in Richtung des Haupteingangs. Die junge Frau an der Pforte erkannte den verirrten Bewohner der Einrichtung und erschrak.
»Herr Schöller, wo kommen sie denn her? Ich habe sie ja gar nicht weggehen sehen.«
Sven erklärte ihr, was ihn und Herrn Schöller zusammen gebracht hatte. Inzwischen war der Rückkehrer weiter zum Aufzug gegangen, wortlos, ohne sich noch einmal umzusehen. Dann kam die Kabine im Erdgeschoss an und die Tür zum Lift öffnete sich. Herr Schöller hob grüßend den Arm und verschwand im Aufzug. Die Mitarbeiterin des Pflegeheims bedankte sich bei Sven:
»Sie haben uns vor einer großen Verlegenheit bewahrt. Herr Schöller ist neu bei uns und noch nicht richtig hier zu Hause. Er muss das Heim verlassen haben, als ich mal kurz nicht an meinem Platz war. Nicht auszudenken, was wir hätten anstellen müssen, um ihn wiederzufinden. Für mich sind sie ein Engel.«
Sven gab einfach das wieder, was er als einziges aus Schöllers Mund zu hören bekommen hatte:
»Der Höchste ist deine Zuflucht.«
»Das könnte glatt von Klaus Schöller sein«, meinte sein Gegenüber lächelnd, »der kann alle 150 Psalmen komplett auswendig hersagen.« 

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