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/ Wort zum Tag

Gedanken zur Tageslosung

Der Herr behütet dich; der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand, dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts.

Psalm 121,5–6

Wissen Sie noch, was ein Poesiealbum ist? Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob es das im Zeitalter von WhatsApp, Twitter Facebook noch gibt. Aber zu meiner Kindheit war das noch „in“: Das Poesiealbum war eine Art Tagebuch, in das man seine Freunde schreiben ließ. Meistens wurden die Seiten kunstvoll verziert, bemalt oder mit einem Foto versehen. Und natürlich durfte auch ein Gedicht oder ein schöner Vers nicht fehlen, wie dieser: „Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die schönen Stunden nur.“ Oder: „Wenn du einmal traurig bist, und das Lachen ganz vergisst, schau in dieses Album rein: Bald wirst du wieder fröhlich sein!“

Wenn ich so einen poetischen Vers aus Psalm 121 höre, »Der Herr behütet dich; der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand, dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts.« dann entwickle ich manchmal spontan so etwas wie einen „Poesie-Album-Reflex“: Ich höre das und denke sofort: „Nett – aber billig; gut gemeint – aber eigentlich Kitsch. Ehrliche Absicht – aber für das Leben völlig unbrauchbar.“ Da wird dem Leben eine Schokosoße übergeschüttet, damit es nicht so hässlich aussieht. Aber eigentlich wissen wir doch alle, dass das nur ein bisschen Poesie ist. Oder?

Es gibt auch eine entgegengesetzte Reaktion: Mancher nimmt diese Sätze krampfhaft wörtlich, wie eine Art Orakelspruch. „So, und das gilt jetzt! So muss es sein! Bitte keine Fragen, keine Einwände, keine Zweifel! Mir wird nichts passieren, mir kann nichts passieren. Alles ist gut, alles bleibt gut!“ Manche Menschen verstehen diesen Satz, vor allem, wenn er in den „Losungen“ steht, als Versicherungspolice für diesen Tag. Mit der Unterschrift des Allerhöchsten kann nichts schiefgehen. Was aber wenn doch? Und wenn nicht bei mir – aber dann doch bei anderen Christen? Wie „wahr“ ist so eine Aussage? Landen wir dann doch wieder beim Poesiealbum?

Es gibt noch einen anderen Weg. Ich möchte Ihnen ehrlich sagen, wie ich die Psalmen singe und bete: Solche Lieder und Aussagen in den Psalmen sind für mich Zukunftslieder und Hoffnungslieder, die heute schon ihre Kraft entfalten, weil die Zukunft schon begonnen hat. Auf der einen Seite hat das Reich Gottes schon begonnen, weil mit der Auferstehung von Jesus Christus die neue Schöpfung schon angefangen hat. Auf der anderen Seite warten wir noch auf die Vollendung des Reiches Gottes und währenddessen gehen wir immer noch durch viel Schmerz und Leid.

Dennoch spüren wir schon ab und an etwas von der kommenden Welt im Hier und Jetzt. Das erzeugt mitunter eine unerträgliche Spannung. Und in dieser Spannung singen wir und beten wir die Psalmen – und mit unseren Gebeten kommt die zukünftige Welt uns ganz nahe. Es ist wahr, was wir singen und beten – nicht nur Poesie. Aber diese Wahrheit bricht erst an, muss ihren Weg finden in unsere vom Bösen geplagte Welt.

Wenn wir uns mit Ps. 121 segnen, dann verzieren wir nicht nur ein bisschen unseren Alltag mit schönen Versen: Wir wissen auch, dass wir immer noch in dieser Welt leben und in ihr und an ihr leiden. Aber wir beten die Hoffnung in unsere Gegenwart hinein, für die Jesus Christus sich schon verbürgt hat. Stellen Sie sich eine Braut vor, die ihr Hochzeitskleid schon gekauft hat. Ab und zu steht sie vor dem Spiegel und hält es vor sich hin oder schlüpft hinein und träumt davon, wie der große Tag sein wird. Noch ist es nicht so weit. Aber die Zukunft hat schon begonnen, und das Hochzeitskleid ist mehr als Alltagsverzierung.

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