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/ Wort zum Tag

Auf Gott ist Verlass

Jutta Schierholz über 2. Timotheus 4,17.

Der heutige Lehrtext aus 2. Timotheus 4, Vers 17, ist erst mal einfach ein schöner Satz. Paulus schreibt da: „Der Herr stand mir bei und stärkte mich.“ Ein schöner Satz von einem frommen Mann. Was erwartet man denn auch anderes in der Bibel …

Aber ich lese dann doch mal nach, in welchem Zusammenhang er das sagt: Der 2. Timotheusbrief ist Paulus' letzter Brief, den wir haben. Als Paulus den schreibt, ist er in Gefangenschaft und ahnt schon, dass er bald hingerichtet werden wird. Und in diesem Brief nennt er immer wieder Menschen, die ihn im Stich gelassen haben, gerade jetzt, wo er sie unbedingt bräuchte. Und direkt im Vers vor unserem heutigen Vers schreibt er, dass ihm selbst in der Gerichtsverhandlung niemand beigestanden hat. „Sie verließen mich alle“, heißt es da. Ich finde, das klingt irgendwie vorwurfsvoll. Es muss Paulus sehr geschmerzt haben, dass ihn seine Freunde alle verlassen haben. Ausgerechnet in dem Moment, in dem er sie so sehr gebraucht hätte.

Da liegt es irgendwie nahe, den Vers von heute als eine Art versteckten Vorwurf zu lesen, der nur in ein frommes Gewand gepackt ist: „Ihr habt mich alle im Stich gelassen! Aber zum Glück war Gott noch da, um mich zu stärken.“ Ich kenne das doch von mir selbst, dieses fromme, selbstgerechte Jammern: „Ihr seid alle so gemein! Zum Glück habe ich aber noch Gott!“

Aber hat es Paulus wirklich so gemeint? Wie wäre es denn, wenn er es tatsächlich so gemeint hat, wie es hier steht: „Meine Freunde haben mich verlassen. Aber der Herr war bei mir.“ Steht hier wirklich ein Vorwurf, oder ist es doch einfach nur die nüchterne Feststellung, dass Menschen in entscheidenden Momenten Schwäche zeigen können, dass auf Gott aber in jedem Fall Verlass ist? Dass Gott da ist, ist ja kein Notprogramm, wenn Menschen versagen. Gott lässt sich auch nicht als Mittel zum Zweck einspannen, um anderen Menschen Vorwürfe zu machen. Sondern die Tatsache, dass Gott bei mir ist, ist der Grund meines Seins. Andere Menschen zusätzlich als Stütze zu haben, ist ganz normal und sehr hilfreich, aber im Grunde eine zusätzliche Dreingabe, die Gott mir schenkt.

Denn Menschen sind Menschen. Menschen können versagen, Menschen können Schwäche zeigen, Menschen können sich auch tatsächlich grob an mir versündigen. Das ist die Realität.

Und wenn das wie hier bei Paulus in einer Situation passiert, die sehr schwer zu bewältigen ist, dann bin ich zurückgeworfen auf diesen bloßen Grund meines Seins, nämlich in die Gegenwart und Hilfe Gottes. Da zeigt sich meine wahre Haltung: Werde ich böse auf die Menschen, die mich aufgrund von menschlicher Schwäche im Stich gelassen haben, oder bin ich dankbar, dass ich trotzdem nicht ins Bodenlose stürze, sondern mich aufgefangen und gehalten weiß von dem Gott, der mich nie im Stich lässt? Genau das ist die Haltung, die Paulus hier zeigt.

Dass ihm die Menschen um ihn herum aber trotzdem nicht egal waren, sieht man in den letzten Versen seines Briefs. Dort nennt er einige Menschen mit Namen, die er grüßen lässt oder die Grüße mitgeben. Paulus wirkt da gar nicht verbittert über seine Mitmenschen. Ich denke, er hat ihnen einfach den richtigen Ort in seinem Leben zugewiesen: Es sind Menschen, die ihm lieb und teuer sind, aber die Grundlage seines Lebens ist eine andere. Wenn es hart auf hart kommt und niemand sonst mehr da ist, dann ist Gott da. Auf ihn ist absolut Verlass.

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