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/ Wort zum Tag

Gott sieht das Herz

Jürgen Werth über Psalm 44,22.

Gott kennt ja unsres Herzens Grund.

Psalm 44,22

Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden: Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut.

Offenbarung 2,8–9

Im Neuen Testament steht die eindrucksvolle Geschichte von Jesus und den Jüngern, die unterwegs sind auf dem See Genezareth. Jesus ist müde. Er schläft. Auch dann noch, als ein fürchterlicher Sturm losbricht. Die Jünger kämpfen um ihr Leben - und Jesus schläft. Irgendwann reißt ihnen der Geduldsfaden. Sie rütteln ihn wach und schreien in den Sturm: „Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“ (Markus 4, 38) Und Jesus steht auf, bedroht Wind und Wellen - und alles ist ruhig.

So ähnlich muss es dem Menschen gegangen sein, der Psalm 44 geschrieben, ja vielleicht sogar geschrien hat. „Warum verstößt du uns denn nun und lässt uns zuschanden werden?“ (Vers 10). „Um deinetwillen werden wir täglich getötet und sind geachtet wie Schlachtschafe. Wache auf, Herr! Warum schläfst du? Werde wach und verstoß uns nicht für immer!“ (Verse 23 und 24). So ähnlich geht es uns zuweilen. Alles um uns herum bricht zusammen - und Gott tut nichts. Schläft er? Hat er Urlaub? Ist er zur Kur?

Der Beter unseres Psalms verweist auf sein Herz. Ein Herz, das ganz und gar Gott gehören möchte. „Gott kennt ja unseres Herzens Grund.“ Das macht ihm Hoffnung. Das gibt ihm Mut. Gott lässt sich nicht täuschen. Er sieht nicht nur das, was vor Augen ist, er sieht das Herz. Was genau ist dieses Herz eigentlich? Es ist wohl das, was von mir bleibt, wenn ich alle Hüllen abgelegt habe. Meine Mitte, meine Persönlichkeit, meine DNA, mein Ich. Dieses Herz sieht Gott. Und er sieht nicht nur das Dunkle. Er sieht auch das Helle. Er sieht unsere Liebe zu ihm. Oder wenigstens unsere Sehnsucht danach, ihn zu lieben.

Eine kleine Geschichte dazu:

Ein junger Jude kommt zu einem Rabbi und sagt: „Ich möchte gern zu dir kommen und dein Jünger werden."  Da antwortet der Rabbi: „Gut, das kannst du, aber ich habe eine Bedingung. Du musst mir eine Frage beantworten. Liebst du Gott?" Da wird der Schüler traurig und sagt: „Eigentlich lieben, das kann ich nicht behaupten." Darauf der Rabbi freundlich: „Hast du Sehnsucht danach, Gott zu lieben?“ Der Schüler überlegt eine Weile und erklärt dann: „Manchmal spüre ich die Sehnsucht danach, ihn zu lieben, recht deutlich, aber meistens habe ich so viel zu tun, dass diese Sehnsucht im Alltag untergeht." Da zögert der Rabbi und sagt dann: „Wenn du die Sehnsucht, Gott zu lieben, nicht so deutlich verspürst, hast du dann Sehnsucht danach Sehnsucht zu haben, Gott zu lieben?“ Da hellt sich das Gesicht des Schülers auf, und er sagt: „Genau das habe ich. Ich sehne mich danach, diese Sehnsucht zu haben, Gott zu lieben." „Das genügt“, strahlt der Rabbi. „Du bist auf dem Weg.“

Gott ist offenbar genügsam, wenn er mein Herz sieht. Ihm genügt meine Sehnsucht. Sogar meine Sehnsucht nach der Sehnsucht ihn zu lieben. Zurück zu lieben. Denn seine Liebe kommt ja immer zuerst. Steht immer am Anfang. Er schenkt mir sein Herz ja, lange bevor ich ihm mein sehnsüchtiges Herz schenken kann.

Wenn’s drunter und drüber geht in meinem Leben, will ich’s ihm bringen, dieses Herz. Und alle Verzweiflung. Und alle Liebe. Allen Zweifel. Und allen Glauben. Und ich will hoffen und warten, dass er eingreift, dass er hilft. Mehr kann ich nicht tun, mehr muss ich nicht tun. Und ich werde erleben, dass er nicht schläft. Er schläft nie. Er ist hellwach.

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