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Buchstabengehorsam

Uwe Bertelmann über 2. Korinther 3,17

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe – diesen Spruch hatte einer meiner Lehrer immer drauf, wenn sich irgendwer ungerecht behandelt fühlte. Als Schüler hat er mich wahnsinnig geärgert. Aber es ist ja was dran. Zwei Menschen, Andi und Toni, tun jeden Morgen dasselbe: Sie haben die Angewohnheit, einen Abschnitt in der Bibel zu lesen. Dazu ein Andachtsbuch mit einer kurzen Erklärung des Bibeltextes. Dann eine Zeit des Gebets.

Toni hat es von den Eltern so gelernt, dass man das als guter Christ tut. Seit Jahren der Bibeltext, die Auslegung, und die mechanische Abarbeitung der Gebetsliste. Einmal vergessen, schlägt das schlechtes Gewissen erbarmungslos zu. Und um das zu vermeiden, muss das morgendliche Ritual peinlich genau vorschriftsgemäß vollzogen werden.

Andi tut dasselbe. Eine Zeit der persönlichen Begegnung mit Gott. Mal intensiver, wenn Gott spürbar durch den Bibeltext redet. Mal eher eine flüchtige Begegnung – die ab und zu, wenn es zu stressig ist, auch mal ganz ausfällt. Das ist dann auch kein Problem. Mit dieser kurzen Auszeit beginnt der Tag für Andi gut. Andi und Toni tun das Gleiche, aber es ist eben noch lange nicht dasselbe.

Toni lebt ein Leben mit Gott nach dem Buchstaben eines selbst gemachten Gesetzes. Zur Zeit von Jesus und Paulus war es das Gesetz des Alten Testamentes, dass fromme Juden buchstabengetreu befolgten. Genau nach Anleitung! Über dem Buchstabengehorsam kommt die eigentliche Verbindung zu Gott abhanden. Paulus sagt, auf dem Herzen seiner Zeitgenossen liegt eine Decke, wenn sie das Gesetz lesen. Sie können Gott dahinter nicht mehr sehen. So hatte er selber auch gelebt.

Bis Jesus – der auferstandene Jesus! – ihm selbst begegnet war. Gott hat in sein Herz hineingeleuchtet, hat es hell gemacht. Und seitdem war er erfüllt mit Gottes Geist.

Er vertrat immer noch dieselben ethischen Maßstäbe. Der „Buchstabe“ hatte für ihn nichts an Gültigkeit eingebüßt. Aber er versuchte jetzt nicht mehr, selber diesem Gesetz zu genügen. Er musste nur noch ein Spiegel der Liebe Gottes sein, die ihn getroffen hatte. Und wenn er jetzt „fromm lebte“, dann kam das aus einer inneren Begeisterung heraus. Eben aus Gottes Geist, der in ihm wirkte. Und dieser Geist ist ein Geist der Freiheit. Es zählt nur das, was Gottes Geist selbst in uns bewirkt.

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Vielleicht lohnt es sich, mal das eigene Leben zu durchleuchten. Wie viel, von dem, was ich tue, ist Zwang? Ist entweder Druck von außen – oder Druck, Gewissensdruck, den ich mir selber mache? Wie viel tue ich nur, um irgendwelchen Personen zu gefallen? Oder irgendwelchen fremden Maßstäben gerecht zu werden? Und wieviel von dem, was ich tue, tue ich als „Überzeugungstäter“? Weil Liebe und Begeisterung mich motivieren? Weil ich merke: Das ist das, was Gott mir zu tun vor die Füße gelegt hat?

Wieviel passiert vielleicht „einfach so“, weil ich wie ein Spiegel bin, der vom Wesen Gottes und seiner Liebe etwas wiederspiegelt – ohne, dass ich selbst merke? Was ist vom Heiligen Geist gewirkt, und ich mache es eigentlich gar nicht selber?

Wie kann ich das eine vom anderen unterscheiden? Natürlich gibt es manchmal Dinge, die einfach getan werden müssen – und niemand kann immer nach „Lust und Laune“ leben. Aber wenn ich merke, dass irgendetwas für mich nur noch Zwang und Pflichterfüllung ohne innere Freude ist, dann sollte ich vielleicht mal diesen Bibelvers wie ein Filter davorhalten:  „Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“. Und wenn ich dann merke, dass da was nicht zusammenpasst – dann bin ich vielleicht auf dem Weg des „Buchstabengehorsams“, und sollte die Sache überdenken und vielleicht sogar sein lassen – und wenn sie die beste auf der Welt wäre.

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