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Er wird’s auch tun …

Dorothee Döbler über Psalm 22,23

Ich will dich in der Gemeinde rühmen, HERR.

Psalm 22,23

Eine Freundin von mir hat ihren Mann verloren, ganz plötzlich, Herzinfarkt. Es liegt jetzt schon ein paar Monate zurück. Aber der Schmerz ist bei ihr immer noch riesig. „Es ist, als wäre eine Körperhälfte von mir weggerissen“, sagt sie. „Und das Schlimmste ist: auch Gott ist mir so fern geworden. Ich kann ihn nicht mehr spüren. Warum lässt er mich ausgerechnet jetzt allein?“

Es ist ihr anzusehen, wie schlecht es ihr geht: ganz dünn ist sie geworden. Ich höre, wie schlecht es ihr geht: wenn wir uns treffen, drehen sich die Gespräche fast nur um die Trauer. Ich kann ihren Schmerz mitfühlen.

Wenn ich es schon kann, dann kann Gott es doch umso mehr. Warum tut er nichts? Es wäre ihr so eine Hilfe, wenn sie seinen Trost spüren könnte!

In dem Vers aus Psalm 22, der uns heute durch den Tag begleitet, heißt es: „Ich will dich in der Gemeinde rühmen, Herr.“ Der Psalmbeter will uns sagen: „Du bist so großartig, Gott! Das kann ich gar nicht für mich allein behalten, das muss ich auch allen anderen Leuten erzählen!“ Was für wunderbare Erfahrungen muss dieser Mensch gemacht haben, dass er so von Gott reden möchte.

Gute Erfahrungen? Wenn wir zum Anfang des Psalms gehen, klingt es ganz anders: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.“ Eins zu eins waren das die Gedanken meiner Freundin.

Wie hat der Psalmbeter das gemacht? Wie hat er es geschafft, in 20 Versen aus der tiefen Verzweiflung zum Lob Gottes zu kommen? Ist er einen Weg gegangen, den auch meine Freundin gehen könnte?

Hatte er einen Weg? Es war kein grader, kein durchstrukturierter Weg. Von Vers zu Vers spüre ich, wie seine Gedanken springen. Frei formuliert sagt er:
Gott, ich weiß, wie du unserem Volk früher geholfen hast, wenn sie dich um Hilfe angefleht haben, und es ging ihnen dann wieder gut. Aber mir geht es überhaupt nicht gut. Ich leide. Ich will ja auf dich hoffen, weil du mich schon durch mein ganzes Leben begleitest. Aber es ist schwer zu hoffen, wenn man sich fühlt, als sei man von reißenden Löwen umzingelt.

Und auf einmal, nach dem Hin und Her der Gedanken, wie groß einerseits die Not heute ist, und wie Gott andererseits in der Vergangenheit anderen Menschen und auch ihm selbst immer wieder geholfen hat, nach diesem Hin und Her mit einem Mal der Satz: „Du hast mich erhört!“ Da muss etwas geschehen sein, was er uns nicht erzählt. Da muss seine Not ein Ende gefunden haben. Wie gelöst er in den Versen ist, die nun folgen! Sie sind voller Dank und Lob.

Wird der Psalm meiner Freundin helfen? Er wird ihr keine Antwort geben auf ihre Fragen, er wird ihr die Trauer nicht nehmen können. Aber vielleicht wird es ihr gut tun zu lesen, dass es anderen Menschen auch so ging wie ihr. Und dass andere Menschen aus ihrer Verzweiflung und Not gefunden haben, als sie Gott treu blieben.

Bei Martin Luther habe ich ein Wort gefunden, das mir seither sehr nachgeht:
„Dieweil es Gott ist, so kann er und weiß er, wie er‘s mit mir aufs Beste machen soll. Dieweil er Vater ist, wird er’s auch tun.“

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