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/ Wort zum Tag

Jesaja 40,15

Gedanken zu Losung/Lehrtext des Tages.

Siehe, die Völker sind geachtet wie ein Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waage.

Jesaja 40,15

Größer lässt sich das schlimme Schicksal des zweiten Jesaja und seiner mit ihm ins babylonische Exil Verschleppten nicht vorstellen. Alles mussten sie auf dem Zug in die Gefangenschaft zurücklassen: Häuser, sofern sie nicht bei der Eroberung Jerusalems schon zerstört wurden, Beruf, familiäre Bindungen, Ländereien. Nur das, was sie auf eigenen Schultern tragen konnten, war ihnen geblieben: ein bisschen Geld, ein paar Kleider, ein Kochgeschirr und ein Essbesteck.

Und was das Schlimmste war: Der Tempel, der auf dem Berg Zion steht und den Gott selbst ewig erhalten wollte, ist sang- und klanglos zerstört worden. Kein Feuer fiel vom Himmel, kein göttlicher Blitz schlug dazwischen. Als gäbe es keinen Gott, so ging das Reich Gottes in Juda zugrunde. Was waren sie noch, diese im Exil Gefangenen? Nichts als ein Tropfen am Eimer der mächtigen Babylonier, ein Sandkorn auf der Waage der mächtigen Völker ihrer Zeit.

Gegenwärtig drohen ähnliche Ängste auch über uns Herr zu werden. Wieder einmal müssen wir wie Luther von einer babylonischen Gefangenschaft der Kirche reden. Längst haben Wissenschaft und Technik das Ruder der Welt in die Hand genommen. Die Kirche schrumpft. Ein gewaltiger Abbruch an den Rändern: allein 160.000 Menschen verlassen in Deutschland die Evangelische Kirche jährlich. Ein Ende dieser Auswanderung ist nicht abzusehen. In der Mitte der Kirche nagt die Erosion an den Inhalten des Glaubens. Immer weniger wissen noch, was in der Bibel steht und worauf sich die Kirche gründet. Mehr und mehr Menschen haben vergessen, dass sie Gott vergessen haben.

Wenn wir dann noch nach denen fragen, die Gott vertrauen, die dieser Welle der Säkularisation und der wachsenden esoterischen und religiösen Praktiken standhalten, dann können doch auch wir sagen: „Sind wir wie ein Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waage?“

Doch halt – Jesaja redet nicht von der jämmerlichen Schar der Verschleppten. Er will auch nicht depressiven Gedanken über die wachsende Bedeutungslosigkeit der Kirche das Wort reden Im Gegenteil: Der Tropfen am Eimer und das Sandkorn auf der Waage – das sind die Völker der Welt. Und heute sind es die Global Player, die weltweit spielenden Mächte des Kapitals, das stolze Heer der Wissenschaftler, die gewaltig aufgerüsteten Industriestaaten und was der eindrucksvollen menschlichen Staaten und Weltbünde mehr sind. Denn Jesaja blickt mit den Augen Gottes auf die Welt. Für den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erden ist schon der Globus ein Staubkorn in einem schier unermesslichen Weltraum. Fünfzehn Milliarden Lichtjahre durchmisst das Weltall, das er hervorgebracht hat. Und wir leben auf einem Globus, den das Licht in einer Sekunde rund 7,5 mal – die 40.000 km des Erdumfangs – umrundet. Wie viel mehr sind angesichts dieser Dimensionen die Mächte, die uns solche Furcht einjagen. Angesichts des Schöpfers sind sie nichts weiter als ein Tropfen am Eimer des Daseins, ein Sandkorn auf der Waage der Bedeutung!

Seinen verzagten Mitgefangenen in Babylon hat Jesaja in verzweifelter Situation den Blick für Gott geöffnet. Er ist es, der die Welt im Innersten zusammenhält. Ohne ihn fällt kein Spatz vom Himmel und kein Haar von meinem Kopf. Glaube ich heute – für diesen Tag des ersten Dezembers –, dass dieser Gott nach wie vor die Welt und ihr Schicksal in der Hand hat? Glaube ich, dass er, in Jesus erschienen, Sünde, Tod und Teufel überwunden hat? Dann muss sich doch mein Herz mit Lobgesang über den Schöpfer des Alls füllen. Dann kann ich ihm getrost meine Sorgen überlassen. Dann muss ich mich nicht mehr ängstigen – weder um mich selbst noch um die, die mir so am Herzen liegen. Und das, obwohl äußerlich alles so verzweifelt aussieht wie damals die Situation in Babylon.

Doch wer redet noch von diesem Stadtstaat und seinem Gott Marduk außer ein paar Gelehrten? Aber geblieben sind die Worte Jesajas und werden bleiben, weil sie aus der Offenbarung Gottes geflossen sind, des Gottes, der Himmel und Erde, aber auch mein kleines Leben in seiner Hand hat.

[Sprecher: Harald Weiß]

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Kommentare (6)

Pfr.i.R.Dietrich Tews /

Eine sehr gute Andacht.Weil auch
theol.sauber und dennoch auf die heutige Zeit umgesetzt. Danke. Habe mir die Andacht ausgedruckt und werde diese im Kreise unser auszubildenden Lektoren sachgerecht mehr

Rolf Banholzer /

Eine sehr gute Andacht. Nur leider ist von einem "zweiten" Jesaja die Rede. Wahrscheinlich glaubt der Verfasser dann auch an einen "dritten" Jesaja, der nach Jesus gelebt hat und die Prophezeiungen in Jes 53 sind keine mehr. Bibelkritik durch die Hintertür. Schade.

baltzer-suh /

ich möchte danke sagen,gott stärkt immer wiedermein leben.

Norbert Hanschke /

Es ist heute wie damals, geht es den Leuten gut, meinen sie sie brauchen keinen Gott mehr. Und wenn es Ihnen wieder schlecht geht, sind die Kirchen wieder voll.
Warten wir die nächste Weltwirtschaftskrise ab.

Renate /

Danke für diese Mut machende Auslegung! Da kann man wirklich nur von Herzen loben und singen angesichts dieses mächtigen Gottes, der sich doch um uns kleine Menschen kümmert!

Dirk Müller /

Vielen Dank für diese guten Gedanken. Sie rücken zurecht und geben den sogenannten "Problemen und Sorgen" die richtige Dimension zurück.